Von wegen Baukrise – Nemetschek liefert! Der Softwareanbieter startet mit Schub ins Jahr, wächst zweistellig, digitalisiert die Baustelle im Eiltempo – und wird trotzdem an der Börse gebremst. Was steckt dahinter?
Wenn ein Softwareanbieter mitten in einer kriselnden Bauwirtschaft plötzlich mit einem Umsatzplus von 26 Prozent glänzt, horcht man auf. Wenn dann auch noch die Prognose für das Gesamtjahr bestätigt wird, inklusive leicht steigender Marge – dann ist das mehr als nur solides Handwerk. Das ist ein Statement. Und genau das hat Nemetschek diese Woche geliefert.
Doch der Markt reagiert… zögerlich.
Nach einem kurzen Sprung geht die Aktie wieder in den Sinkflug über – trotz starker Zahlen. Warum? Weil sich in den glänzenden Quartalsbericht ein Schatten eingeschlichen hat: Die Insolvenz eines Dienstleisters hat die operative Marge gedrückt – von erwarteten 31 Prozent auf nominelle 28,5 Prozent. Bereinigt sieht es zwar wieder besser aus, doch die Skepsis bleibt.
Starke Zahlen, schwankender Kurs – eine untypische Reaktion
26 Prozent Umsatzplus – in einem wirtschaftlich durchwachsenen Bauumfeld ist das keine Selbstverständlichkeit. Nemetschek, Softwareanbieter für Architektur, Bauplanung und Medientechnik, legt im ersten Quartal 2025 einen echten Wachstumsritt hin:
283 Millionen Euro Umsatz – deutlich über den Erwartungen der Analysten.
Doch beim operativen Ergebnis bremst ein externer Schock. Die Insolvenz eines Dienstleisters drückt die Marge. Das Ebitda steigt „nur“ um rund 20 Prozent auf 81 Millionen Euro, die gemeldete Marge fällt auf 28,5 Prozent. Klingt enttäuschend – wäre da nicht die bereinigte Marge: 31,4 Prozent, leicht über Analystenerwartungen.
Die Börse reagiert trotzdem zurückhaltend. Die Aktie schießt zwar nach Bekanntgabe der Zahlen kurzfristig um 3,5 Prozent nach oben – fällt dann aber ebenso schnell wieder zurück. Am Ende des Tages steht ein mageres Minus von 0,5 Prozent bei 111,60 Euro.
Der Grund? Unsicherheit über die Nachhaltigkeit der Zahlen.
Oder anders gesagt: Eine starke Story, aber eine wacklige Marktstimmung.
Analysten: drei Meinungen, ein Bild – Skepsis mit angezogener Handbremse
Die Reaktionen der Analysten zeigen, wie nervös das Umfeld momentan ist.
Berenberg hebt das Kursziel auf 108 Euro an, verweist auf den starken Jahresauftakt – bleibt aber bei „Hold“.
Warburg zieht ebenfalls die „Hold“-Karte, Kursziel: 106 Euro.
Und JPMorgan? Bleibt knallhart bei „Underweight“ und 95 Euro Kursziel – wegen der Insolvenz und der aus ihrer Sicht ambitionierten Bewertung.
Der Markt weiß also nicht recht, wohin mit der Aktie. Dabei spricht einiges für einen neuen Schub: Die Transformation des Geschäftsmodells hin zu Cloud- und Abo-Erlösen, die Übernahme von GoCanvas zur Digitalisierung direkt auf der Baustelle, wachsende wiederkehrende Umsätze, eine breite Kundenbasis – und ein Unternehmen, das in den letzten Jahrzehnten bewiesen hat, dass es Krisen übersteht und ausbaut.
Strategisch auf Kurs – und zwar langfristig
Während andere noch an der Digitalisierung der Baubranche scheitern, hat Nemetschek das Geschäftsmodell bereits gedreht. Abo-Modelle, Cloud-Nutzung, wiederkehrende Umsätze – das Unternehmen hat frühzeitig auf Planbarkeit und Resilienz gesetzt. In einer volatilen Welt ein unschätzbarer Vorteil.
Die GoCanvas-Übernahme im Vorjahr war mehr als nur ein Deal. Sie öffnet neue Türen im internationalen Bauumfeld, vor allem auf der Baustelle selbst – dort, wo der Bedarf an effizienter, mobiler, gesetzeskonformer Digitalisierung am höchsten ist. Schon jetzt trägt GoCanvas rund 3,5 Prozentpunkte zum Umsatzwachstum bei.
Nemetschek-Chef Yves Padrines bringt es auf den Punkt:
„Wir rechnen damit, dass der Digitalisierungsdruck in der Baubranche weiter zunimmt.“
Und er hat recht. Der Trend zur Digitalisierung ist unumkehrbar – und in Europa wie Nordamerika noch längst nicht ausgeschöpft.
Technologisch führend, bilanziell solide, strukturell stark – aber zu teuer?
Mit rund 13 Milliarden Euro Börsenwert zählt Nemetschek zu den Schwergewichten im MDAX. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 4.000 Mitarbeiter, hat eine diversifizierte Kundengruppe – von Architekten über Bauunternehmen bis zu Medienhäusern – und glänzt mit einer Eigenkapitalquote, die sich sehen lassen kann.
Doch genau hier setzen viele Analysten mit ihrer Kritik an: Die Bewertung sei zu hoch.
Tatsächlich ist Nemetschek kein Schnäppchen. Doch Qualität kostet – besonders in einem Segment, das stark wächst, hohe Eintrittsbarrieren hat und zunehmend global gefragt ist.
Die Frage lautet also nicht: Ist die Aktie billig?
Sondern: Ist sie ihren Preis wert?
Fazit: Wer nur auf die Marge schaut, verpasst das große Bild
Nemetschek ist keine Aktie für jeden Tag – aber für Anleger mit Weitblick. Die momentane Zurückhaltung bietet Chancen für Mutige. Denn das Unternehmen hat gezeigt, dass es nicht nur wächst, sondern sein Geschäftsmodell systematisch robuster macht – antizyklisch, wachstumsorientiert, digital getrieben.
Die Aktie steht mit rund 13 Milliarden Euro Börsenwert solide da – aber ohne heiße Übertreibung. Die Kursfantasie lebt – auch wenn die Skepsis der Analysten kurzfristig bremst. Doch wie so oft an der Börse gilt: Wenn alle schon überzeugt wären, gäbe es keine Rendite.
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