Kaum eine Branche bietet langfristig so viel Fantasie wie der Biotech-Sektor. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung zwischen 2010 und 2050 um ein Drittel auf gut neun Milliarden Menschen steigen. Besonders der Anteil der über 60-jährigen dürfte sich spürbar auf zwei Milliarden verdreifachen. Altersbedingte Krankheiten werden eine größere Rolle spielen und die Gesundheitssysteme belasten. Doch nicht nur in den Industrieländern steigen die Kosten, auch die Gesundheitssysteme in Schwellenländern wie China, Russland und Indien müssen der Entwicklung angepasst werden.

Die moderne Biotechnologie zählt daher mit geschätzten Steigerungsraten von mehr als zehn Prozent p.a. zu den interessanten Wachstumsindustrien überhaupt. Auch wenn die Perspektiven kaum besser sein könnten, bleibt das Risiko aufgrund von Fehlschlägen bei der Medikamentenentwicklung sehr hoch. Umfangreiche und kostspielige Forschungsarbeiten sind notwendig, um die Erfolgschancen zu erhöhen. Anleger brauchen daher oft einen langen Atem und müssen auch Rückschläge verkraften. Wie bei Morphosys.

Ausgehend vom 2015er-Hoch büßten die Papiere des Marktführers für therapeutische Antikörper um mehr als 50 Prozent ein und kosten aktuell so viel wie Mitte 2013. Enttäuschende Nachrichten zum Alzheimerprojekt Gantenerumab sowie bei einem weiteren Forschungsprojekt sorgten für Molltöne, auch bei zahlreichen Analysten. Doch gerade jetzt sollten Anleger ganz genau hinschauen, denn die Bayern stehen kurz davor, die Früchte der vergangenen 25 Jahre zu ernten.

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Produkte auf der Zielgeraden



"Dank der Fortschritte im letzten Jahr hat Morphosys nun eine breitere und ausgereiftere Produktpipeline als jemals zuvor. Die ersten therapeutischen Antikörper stehen vor der Marktzulassung und rücken produktbezogene Umsätze in greifbare Nähe. Wir erwarten, dass diese in den kommenden Jahren signifikant steigen werden", ließ Anfang März Vorstandschef Simon Moroney durchblicken.

In den Startlöchern stecken das in Kooperation mit Novartis entwickelte Mittel Bimagrumab zur Behandlung von krankheitsbedingtem Muskelschwund und pathologischer Muskelschwäche sowie Guselkumab, ein Schuppenflechtemittel, an dem mit Janssen gearbeitet wird. Beide Präparate befinden sich in der entscheidenden Phase 3, Studienergebnisse werden in den kommenden Monaten erwartet. Im Erfolgsfall könnte Morphosys schon bald einen wichtigen Durchbruch erzielen. Der Umsatz mit dem Wirkstoff Bimagrumab gegen Muskelschwund wird auch rund 400 Mio. Dollar geschätzt und könnte schnell zugelassen werden. Rund 100 weitere Projekte schlummern in der Pipeline, und bieten reichlich Fantasie.

Dies gilt erst recht für die eigenen Projekte. "Unser firmeneigenes Entwicklungsportfolio hat sich ebenfalls sehr positiv entwickelt, und die zwei am weitesten fortgeschrittenen Programme nähern sich der entscheidenden Phase der klinischen Entwicklung", sagte Moroney. Die Erfolge aus den Partnerprogrammen liefern eine starke Basis für die eigene Forschung. Hier liegen bereits ermutigende klinische Phase 2-Daten zu den wichtigen Krebsprogrammen MOR 208 und MOR 202 vor.

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Großaktionär in Lauerstellung?



Inzwischen haben sicherlich auch die großen Branchenvertretet ein Auge auf das im TecDAX gelistete Unternehmen geworfen. Morphosys hat eines der breitesten Entwicklungsportfolios der Biotech-Branche. Nach der Talfahrt in den vergangenen Monaten ist der Börsenwert um mehr als eine Mrd. Euro gesunken und liegt derzeit noch bei rund 1,1 Mrd. Euro, eine Übernahme wäre daher aktuell vergleichsweise günstig. Kooperationspartner Novartis ist zugleich mit sechs Prozent der größte Einzelaktionär und steht auf der Liste der potenziellen Interessenten sicherlich weit oben.

Sollten entsprechende Gerüchte aufkommen, dürfte der Kurs kräftig anspringen. Spätestens aber mit Erfolgsmeldungen zu Bimagrumab oder Guselkumab ist mit einer Belebung zu rechnen. Wer vorsichtiger agieren möchte, wartet einen Sprung über die Barriere bei 43/45 Euro ab, darüber dürfte eine kleine Rally starten. Allerdings sollten Anleger keine zu großen Hoffnungen haben, Kurse im Bereich des 2015er-Hochs bei knapp 90 Euro bleiben wohl vorerst außer Reichweite.

Die Ausgaben für die firmeneigene Forschung sollen von 56,6 Mio. Euro in 2015 auf 76 bis 83 Mio. Euro steigen. Bei erwarteten Umsätzen von 47 bis 52 Mio. Euro in 2016 rechnet das Management mit einem Verlust vor Zinsen und Steuern von 58 bis 68 Mio. Euro. Im vergangenen Jahr leuchtete noch ein Gewinn von gut 17 Mio. Euro auf. Zwar kann sich Morphosys die Ausgaben leisten, die finanziellen Mittel liegen bei rund 300 Mio. Euro. Die Aussicht auf vorerst rote Zahlen schreckt aber viele Investoren ab.

Fazit: Morphosys bleibt eine heiße Wette auf den Erfolg der zahlreichen, vielversprechenden Projekte und somit eine Glaubensfrage. Läuft es gut, sind Kurse von 65 Euro durchaus realistisch. Anleger die einsteigen, sollten die Position aber eng mit einem Stopp knapp unter der 30er-Marke absichern.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de