Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 16.02.2017 in Heftausgabe 07/2017

Das Klagen über den schlechten politischen und volkswirtschaftlichen Zustand der Europäischen Union (EU) ist groß. Leider steckt dahinter mehr als nur Polemik. Auch fast acht Jahre nach der Euro-Schuldenkrise 2009 fehlen wirklich überzeugende Lösungen für die grundsätzlichen Probleme des Staatenverbunds. Die Angst vor einer Rückkehr in die Krise ist berechtigt, zumal in Ländern wie Frankreich und Deutschland in diesem Jahr wichtige Wahlen anstehen. Dazu kommt, dass in EU-Mitgliedsstaaten wie Griechenland und Italien die Probleme unverändert vor sich hin gären.

Ein Trauerspiel ist auch die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Schließlich schafften es die börsennotierten europäischen Gesellschaften in den vergangenen sechs Jahren nie, nennenswerte Gewinnsteigerungen zu generieren. Im Gegenteil: Meist kam es sogar zu Ergebnisrückgängen. Die per saldo 2015 und 2016 zu beobachtende Kursstagnation bei den führenden europäischen Indizes überrascht vor diesem Hintergrund nicht.

Doch wie meist an den Börsen - zumindest in Zeiten ohne Crash - finden sich selbst in schwierigen Marktphasen immer wieder Aktien, die sehr viel besser als der Gesamtmarkt abschneiden. Bevorzugt sollte die Suche nach solchen Kandidaten im Nebenwertesegment ablaufen. Für diese Vorgehensweise sprechen gleich mehrere gute Gründe. Unter den Vorteilen von Nebenwerte-Investments nennt etwa die Vermögensverwaltung Shareholder Value Management AG unter anderem die Informationsineffizienz, die sich aus einer fehlenden breiten Research-Abdeckung von Nebenwerten ergibt. Fleißige Marktteilnehmer können sich dadurch geldwerte Informationsvorsprünge erarbeiten.

Außerdem sind laut dem Frankfurter Vermögensverwalter unter den relativ unbekannten mittelständischen Unternehmen nicht selten sogenannte Hidden Champions zu finden, die in ihrem Segment Marktführer sind. Deren Geschäftsmodelle seien oft auch einfacher strukturiert und leichter zu verstehen, als das bei großen Konglomeraten der Fall ist. Oft sei es auch eher möglich, einen Unternehmenskontakt auf Vorstandsebene herzustellen. Faktoren wie diese führten letztlich zu historischen Überrenditen im Performancewettstreit mit den Bluechips. Ein Phänomen, das übrigens durch wissenschaftliche Studien belegt ist.



Besser als der Gesamtmarkt



Sehr gut lief es erfreulicherweise für unsere neun Favoriten aus der Titelstory zu europäischen Nebenwerten in BÖRSE ONLINE 43/2015. Die damals vorgestellten neun Kaufempfehlungen aus der zweiten und dritten Reihe brachten es im Schnitt auf ein Plus von fast 37 Prozent. Das ist sehr vorteilhaft im Vergleich zur Entwicklung von europäischen Standard- und Nebenwerte-Indizes, die in diesem knapp 16-monatigen Zeitraum nur moderat vorwärts kamen. Allerdings fielen drei dieser Anlageideen den jeweiligen Stop-Loss-Kursen zum Opfer. Die anderen sechs Titel machten das aber wieder wett. Das zeigt, wie wichtig es ist, auf einen Korb an Aktien zu setzen und nicht nur auf ein oder zwei Einzelaktien.

Dieses Mal geht BÖRSE ONLINE mit neun neuen Favoriten an den Start. Das Ziel auf Sicht von zwölf Monaten besteht darin, ein vorzeigbares Gesamtplus zu erzielen, das ausreicht, um den Gesamtmarkt zu schlagen. Letzteres versuchen wir dadurch zu schaffen, dass wir bei den Empfehlungen neben einer relativ moderaten Bewertung auf ein ansprechendes Chartbild achten. Die Chance auf ein positives Gesamtresultat ist dann gut, wenn sich die zuletzt in Europa zu beobachtende konjunkturelle Erholung fortsetzen sollte. Schwer zu erfüllen wäre die Aufgabe dagegen im Fall einer wieder hochkochenden EU-Krise.

Aktuell ist es allerdings ermutigend, dass Analysten bisher noch keine Veranlassung sahen, ihre Gewinnschätzung für 2017 zu kürzen. Was den Ergebnisprognosen hilft, sind steigende Rohstoffpreise, eine wieder etwas anziehende Inflation und Besserungstendenzen in den aufstrebenden Schwellenländern.

All diese Punkte gereichen den europäischen Unternehmen im Schnitt zum Vorteil. Bleibt es dank stützender Ergebniseinflussfaktoren bei der Prognose eines Gewinnwachstums von zehn bis 15 Prozent, dann wäre das für unsere neun neuen Kaufideen eine sehr günstige Ausgangslage.











Also Holding-Aktie: Auf dem Weg zum alten Kursrekord



Also Holding hatten wir bereits im August vergangenen Jahres (Ausgabe 33/2016) zu 69,20 Euro vorgestellt. Die Aktie brauchte kein halbes Jahr, um unser Kursziel von 93 Euro zu überbieten. Wegen einer guten geschäftlichen Entwicklung trauen wir den Schweizern noch mehr zu. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Titel das Rekordhoch aus dem Jahr 2000 von 138,80 Franken erreichen kann.

Damit der Schwung anhält, muss der Vorstand des Großhändlers für die Informations- und Telekommunikationsbranche auf dem Investorentag am 23. Februar überzeugende Geschäftsziele präsentieren. Die Vontobel-Analysten erhöhten jüngst ihr Kursziel von 122 auf 128 Franken. Auch die französische Investmentmanagementgesellschaft DNCA setzt in ihren europäischen Value-Fonds auf die Schweizer: Interne Umbaumaßnahmen dürften zu einer strukturellen Margenverbesserung verhelfen. Zudem erhöhe der Vorstand den Unternehmenswert mithilfe von Zukäufen.





ASM International-Aktie: Reichlich Aufholpotenzial



Die Aktie des niederländischen Halbleiterausrüsters ASM International (ASMI) hatte ab Mitte 2015 einen Durchhänger. Das Verhältnis von Auftragseingang zum Umsatz lag zuletzt bei unter eins.

Doch in den vergangenen Monaten wechselte die Notiz auf die Überholspur. Dahinter steht die Hoffnung, dass die Auftragslage besser wird. Der Atomic-Layer-Deposition-Markt soll sich in den nächsten drei bis vier Jahren verdoppeln. Eigenen Angaben zufolge zählt ASMI hier zu den Marktführern.

Die Börse honoriert das noch nicht ausreichend. Das zeigt sich etwa am Börsenwert, den zu rund zwei Drittel die 39-prozentige Beteiligung an ASM Pacific abdeckt. Deren Wert taxierte die Deutsche Bank kürzlich deutlich nach oben. Zudem hieß es, dem restlichen ASMI-Geschäft billige der Markt derzeit für 2018 ein Verhältnis von Unternehmenswert zum Umsatz von nur 0,8 zu. Gerechtfertigt sei das 1,5-Fache, was im Branchenvergleich noch immer unterdurchschnittlich wäre.





Dometic Group-Aktie: Erfolgreich mit Campingbedarf



Erst seit November 2015 ist Dometic Group börsennotiert. In dieser kurzen Zeit hat die Aktie um rund 46 Prozent zugelegt und einen relativ stabilen Aufwärtstrend herausgebildet. Die Bewertung ist noch in Ordnung.

Der Neuling, der früher zum Electrolux-Konzern gehörte, ist in aussichtsreichen Bereichen aktiv: Die Schweden stellen Produkte für Wohnwagen, Lkw, Pkw und Boote her, etwa Absorberkühlschränke. Von diesem Geschäft verspricht sich das Management bei konstanten Wechselkursen Nettoumsatzzuwächse von fünf Prozent jährlich.

Die Experten von DNCA Investments sehen in den Zielmärkten ebenfalls attraktive Wachstumschancen. Zudem steige der mit Wartung und Reparaturen erwirtschaftete Umsatzanteil, was den Margen helfe und das Geschäft weniger zyklisch machen soll. Darüber hinaus erhoffen sie sich von einer starken Profilierung der Marke mehr Preismacht sowie zusätzliche Impulse für das Wachstum.





FACC-Aktie: Endlich wieder im Aufwind



Facc gab eine Zeit lang sowohl hinsichtlich der Nachrichten als auch charttechnisch keine gute Figur ab. Erst fielen die Gewinne nicht mehr wie erhofft aus, dann kam ein millionenschwerer Betrugsfall hinzu. Im Zuge dessen bekam der Titel nach dem Börsengang 2016 zunächst keinen Fuß aufs Parkett.

Doch die bisherigen Tiefststände ließ der österreichische Flugzeugteilehersteller mittlerweile hinter sich. Gute Unternehmensnachrichten stützten diese Erholung. So stieg der Umsatz im dritten Quartal 2016/17 um 23 Prozent auf 525,1 Millionen Euro. Das Ebit kam um 14 Prozent auf 16 Millionen Euro voran. Hier waren einmalige Aufwendungen von 1,7 Millionen Euro durch den Betrugsfall enthalten.

Wir setzen darauf, dass der Gewinn je Aktie im Geschäftsjahr 2018/19 wieder in den Bereich von 58 Cent vorstoßen kann. Insbesondere die Leichtbauteile von Facc erfreuen sich großer Nachfrage beim Bau von Flugzeugen und Hubschraubern.





Genmab-Aktie: Medizinischer Hoffnungsträger



Die Aktie von Genmab fällt durch ihr relativ hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis auf. Doch bei einem Biotechunternehmen gelten etwas andere Spielregeln. Die Hoffnung ist, dass die in der Entwicklungsphase befindlichen Medikamente zur Behandlung von Krebs, rheumatischer Arthritis und anderen Krankheiten den Durchbruch schaffen.

Positive Nachrichten gab es zuletzt zum Krebsmittel Darzalex, dessen Umsätze im Jahr 2016 von 572 Millionen Dollar auf eine Milliarde Dollar stiegen. Dank dieser positiven Entwicklung hob Genmab zuletzt mehrfach für das Jahr 2016 die Prognosen bei Umsatz und Gewinn an. Mit einem richtig satten Gewinnsprung rechnen Analysten im Jahr 2018.

Laut Konsensvorhersage sollte es den Dänen gelingen, das Ergebnis je Aktie von 2015 bis 2018 von 12,97 auf 34,80 dänische Kronen zu steigern. Die positiven Aussichten sorgten seit Jahresbeginn für einen Kursschub. Der seit 2011 bestehende Aufwärtstrend wurde als intakt untermauert.





Maisons France confort-Aktie: Auf solidem Fundament



Maisons France Confort baut Einfamilienhäuser zum Festpreis und ist derzeit die Nummer 2 auf dem französischen Heimatmarkt. Gefallen finden an diesem an der Euronext in Paris gehandelten Wert auch die Spezialisten der Shareholder Value Management AG.

Denn zum einen erholt sich die Baubranche in Frankreich generell. Zum anderen wartet das Unternehmen mit einigen Vorteilen gegenüber der Konkurrenz auf: positive Skaleneffekte dank der Unternehmensgröße, starker Vertrieb, guter Markenname sowie relativ geringe Kapitalbindung durch den Einsatz von Subunternehmern.

Als weiterer Pluspunkt gilt, dass die Familie Vandromme 31 Prozent der Anteile hält und das Unternehmen in der fünften Generation führt. Der Analystenkonsens rechnet von 2015 bis 2018 mit einem Gewinnanstieg von 1,25 Euro auf 4,12 Euro. Auf letztgenannter Basis wäre die Aktie damit trotz der Kursgewinne der Vorjahre noch vernünftig bewertet.





SPAREBANK 1 SMN-Aktie: Eine Bankaktie auf Rekordkurs



Für eine Bank hat sich die Aktie der mittelnorwegischen SpareBank 1 SMN in den vergangenen Jahren gut geschlagen. Seit Mitte 2016 ging es sogar so steil nach oben, dass es zu neuen Rekordkursen reichte.

Operativ läuft es gut. Der Gewinn stieg im Vorjahr von 1,4 Milliarden auf 1,6 Milliarden norwegische Kronen. Die Konjunkturaussichten für die Region beurteilt der Vorstand zuversichtlich. Das gilt auch für die hauseigenen Perspektiven. Eines der Ziele lautet, weitere Marktanteile hinzuzugewinnen.

Ein anderer Fokus liegt auf den Kosten: Sie blieben in den vergangenen drei Jahren stabil. Dieser Vorsatz gilt auch für 2017. Zudem setzt SpareBank 1 SMN auf Digitalisierung. Dennoch handelt der Titel nur um den Buchwert.

Interessant ist die Dividende: Für 2016 soll ein von 2,25 auf drei Kronen je Aktie erhöhter Satz fließen. Für 2017 strebt das Institut eine Ausschüttungsquote von 50 Prozent an, nach 37 Prozent für 2016. Mit Limit ordern.





Téléperformance-Aktie: Kundenservice sorgt für Wachstum



Téléperformance ist ein Outsourcingspezialist, der über verschiedene Kanäle unter anderem versucht, die Bindung der Kunden an die Auftraggeber zu stärken. Die Aktie hatten wir im März des vergangenen Jahres (Ausgabe 9/2016) zu Kursen von 72,25 Euro vorgestellt. Seither hat der Titel um 43 Prozent zugelegt. Der seit Ende 2011 ausgebildete Aufwärtstrend ist steil, aber völlig intakt.

Auch fundamental ist die Aktie noch nicht ausgereizt. So zeigen sich die UBS-Analysten, basierend auf dem, was sie jüngst auf einem Kapitalmarkttag der Franzosen hörten, sehr optimistisch.

Von 2016 bis 2020 rechnen sie mit einem jährlichen Gewinnwachstum je Aktie von durchschnittlich 7,1 Prozent. Je Aktie wären das dann in drei Jahren 7,82 Euro. Wie es weiter heißt, strebe der Vorstand bis 2021 eine Ebit-Marge von 14 Prozent an. Selbst wenn es etwas niedrigere 13,8 Prozent würden, mit denen die UBS kalkuliert, seien bis dahin Kurse von 154 Euro gerechtfertigt. Aktionäre hätten dagegen bestimmt nichts einzuwenden.





Unipetrol-Aktie: Erfolgreiche Neuausrichtung



Runderneuert hat sich Unipetrol. Die Ergebnisse für das vierte Quartal 2016 stimmen hoffnungsvoll, dass es nach einigen Enttäuschungen dauerhaft vorwärtsgeht. Insgesamt stieg bei dem tschechischen Petrochemiespezialisten im Vorjahr der Nettogewinn um 13 Prozent auf 7,98 Milliarden tschechische Kronen. Rekordhohe 10,8 Milliarden Kronen flossen in die Modernisierung und in die Produktionskapazitäten. Ein Aufwand, der sich 2017 und darüber hinaus im Zahlenwerk positiv bemerkbar machen sollte.

Die neue Zuversicht des Vorstands zeigt sich darin, dass nach sieben dividendenlosen Jahren im Vorjahr erstmals wieder eine Ausschüttung erfolgte. Der gezahlte Satz von 5,52 Kronen je Aktie darf für das Geschäftsjahr 2016 gerne etwas höher ausfallen. Es ist allerdings unklar, wie groß das Interesse von Hauptanteilseigner PKN Orlen an einem fairen Umgang mit den freien Aktionären ist. Im Gegenzug ist die Bewertung sehr niedrig.