Russische Aktien hatten ihren Reiz: Gazprom und Lukoil lockten mit hohen Dividendenrenditen. Konsumtitel wie Magnit PAO, der Onlinehändler Ozon Group oder die Sberbank versprachen ordentliche Kursgewinne. Doch am 28. Februar schloss die Börse in Moskau. Russische Aktien, die in Reaktion auf westliche Sanktionen zuvor massiv verloren hatten, konnten fast einen Monat lang weder gekauft noch verkauft werden. Erst vergangenen Donnerstag öffnete die Börse den Handel mit rund 30 Bluechip-Werten. Doch nur für inländische Anleger. Die von US-Präsident Joe Biden prognostizierte Katastrophe blieb jedoch aus. Russlands Regierung hatte die Kurse gestützt.

Ausländischen Investoren bleibt dagegen die Teilnahme in Moskau bis auf Weiteres untersagt. Sie haben auch keinen Zugang zu russischen Aktien an den Börsenplätzen London, New York und Frankfurt. Noch dazu haben MSCI, FTSE und Stoxx auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine reagiert und russische Wertpapiere aus ihren Indizes entfernt. Reine Russlands-Fonds sowie Osteuropa-Fonds mit hohem Russland-Anteil wie der DWS Russia oder der UniEM Osteuropa sind ebenfalls geschlossen. €uro am Sonntag hat daher diese Fonds vorübergehend aus dem Kursteil genommen.

Wann Anleger wieder an ihr Geld kommen, lässt sich bislang nicht sagen. Etliche Rechtsfragen müssen derzeit geklärt werden, die Fondsanbieter sprechen von einem Novum. "Wir können bislang nicht erkennen, ob und wann ausländische Investoren Aktien verkaufen beziehungsweise Geld problemlos außer Landes transferieren können", sagt Sebastian Kahlfeld. Der Manager des DWS Russia und des DWS Osteuropa will nicht ausschließen, dass der Kreml die Öffnung der Börse nutzen wird, um günstig Unternehmen zu erwerben.

Sollten dagegen die politischen Entwicklungen den westlichen Staaten eine Aufhebung der Sanktionen erlauben und Ausländer wieder voll handeln dürfen, rechnet der Manager mit Kurssteigerungen "Dann kann es schnell und stark nach oben gehen", sagt Kahlfeld. "Russische Unternehmen sind ja nicht wertlos."

Für einen politischen Kurswechsel in Moskau gibt es bislang jedoch keinerlei Anzeichen. Joe Bidens Prognose für Russlands ökonomische Zukunft fällt daher düster aus. "Die Wirtschaft wird unter der Wucht der Sanktionen der Industriestaaten zusammenbrechen."

Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Die österreichische Raiffeisenbank erwartet für das laufenden Jahr eine schwere Rezession. Der Wachstumsrückgang kann acht Prozent betragen. Im Dezember hatten Experten der russischen Wirtschaft noch ein Plus von 2,5 Prozent zugetraut. Sollten die westlichen Staaten die Energielieferungen aus Russland wie angekündigt deutlich verringern oder ganz stoppen, droht ein noch dramatischerer Konjunkturabsturz.

Schon jetzt leiden die Bürger. Innerhalb nur eines Monats sind die Preise für Automobile ausländischer Hersteller um 17, für Fernsehgeräte um 20 Prozent geklettert. Auch die Preise für inländische Produkte ziehen an. Derweil wird der Rubel immer schwächer. Mussten Anfang Januar für einen Euro nur 84 Rubel bezahlt werden, sind es aktuell schon 107 Rubel. Russlands Notenbank versucht mit Zinserhöhungen die Währung zu stärken, doch damit riskiert sie die Rezession zu verschärfen. Positiv für den Rubel dürfte sich jedoch die Forderung des Kremls erweisen, der Westen müsse künftig Energielieferungen in russischer Währung begleichen.

Steigende Einkommen

Auch in den osteuropäischen Staaten schießen die Preise insbesondere für Öl und Gas rasant in die Höhe, und wie in vielen anderen Staaten sind auch die Börsen in Prag, Budapest und Tschechien unter Druck geraten. Risikobereite Investoren mit langem Anlagehorizont können jedoch erste Positionen aufbauen.

Für den Einstieg spricht: Tschechien, Ungarn und Polen sind Mitglieder der EU. Sie haben seit ihrer Aufnahme in die Staatengemeinschaft aus Brüssel erhebliche finanzielle Hilfen erhalten und ihre Volkswirtschaften modernisiert. Im Gegensatz zu Russland sind sie ökonomisch breiter aufgestellt. Zudem sind die osteuropäischen Länder relativ moderat verschuldet. Das macht sie resilient gegenüber Krisen, die Corona-Pandemie hinterließ keine tiefen Schäden.

Nach einem Minus von fünf Prozent im Jahr 2020 legte Ungarns Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um sieben Prozent zu. Auch die Volkswirtschaften Tschechiens und Polens erholten sich rasch. Osteuropas Aufschwung kommt bei den Bürgern an. So wird 2022 das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Polen auf 15.400 Euro steigen. Im Jahr 2000 waren es laut dem Analysehaus CEIC 5.300 Euro. Die ökonomische Stärke zeigt sich auch daran, dass Polen Deutschlands fünftgrößter Handelspartner ist. Zudem zählt Polen zu den Ländern, die die Digitalisierung am schnellsten vorantreiben.

Die Börse in Warschau erfährt dadurch neue Attraktivität. Neben etablierten Finanzinstituten wie Bank Pekao oder dem Versicherungskonzern PZU SA, die von den jüngsten Zinserhöhungen profitieren, finden sich auf dem Kurszettel auch Werte wie der Online-Marktplatz Allegro. Auf allegro.pl bieten 125.000 Händler ihre Produkte und Dienstleistungen an. Unternehmensangaben zufolge wird die Seite von 20 Millionen Kunden genutzt. Das sind rund 80 Prozent aller Internetuser Polens. Nun will Allegro auch in anderen Ländern Amazon Konkurrenz machen.

Die Aktie verlor auf Sicht von einem Jahr zwar 48 Prozent, doch allein in der vergangenen Woche ging es um zwölf Prozent nach oben. Investoren gehen davon aus, dass Allegro den Umsatzzuwachs vom vergangenen Jahr von 34 Prozent im laufenden Jahr noch einmal übertreffen kann. Um die Bürger vom Preisdruck zu entlasten, hat die Regierung in Warschau jüngst die Mehrwertsteuer auf Benzin und Gas drastisch gesenkt. So werden Mittel für Konsumwünsche frei. Für vermehrte Nachfrage und hohe Klickzahlen bei Allegro sorgen auch die mittlerweile über zwei Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine.

Keine Versorgungsengpässe

Aussichtsreiche Werte finden sich ebenso an der Börse in Budapest. Wie die polnische versucht auch die ungarische Zentralbank, die Inflation in den Griff zu bekommen. Vergangenen Dienstag erhöhte sie den Leitzins gleich um 100 Basispunkte auf 4,40 Prozent. Analysten gehen von weiteren Anhebungen auf bis zu sieben Prozent aus. Die Aktie der OTP Bank, Ungarns größtem Finanzinstitut, legte in Reaktion auf die Zinserhöhung um fünf Prozent zu. Auch Aktien von MOL Group sind derzeit gefragt. Ungarns größter Öl- und Gaskonzern und Betreiber eines umfangreichen Tankstellennetzes ist derzeit gesucht. Das Management versicherte jüngst, dass es die Treibstoffversorgung Ungarns unabhängig von den Entwicklungen in Russland und der Ukraine weiterhin aufrechterhalten kann.

Zu den nachhaltigen Favoriten an der Börse in Prag wiederum zählt CEZ AS. Der mehrheitlich in staatlichem Besitz befindliche Versorger beliefert Kunden in Tschechien und anderen Ländern Osteuropas mit Strom, Erdgas und Wärme. Einen wachsenden Teil der Energie gewinnt CEZ aus Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaikanlagen. Bis 2033 will Tschechien aus der Kohle aussteigen. Diese trägt derzeit noch 50 Prozent zur Stromerzeugung bei.
 


INVESTOR-INFO

Klick-Expansion

Mit Zloty und Euro zahlen

In der Musik bedeutet Allegro rasch. Rasch nach oben geht es auch mit dem gleichnamigen Unternehmen aus Posen. In Polen ist Allegro bereits der führende Online-Marktplatz. Seit Februar können auch User aus anderen Ländern in englischer Sprache nach Produkten suchen und mit Euro bezahlen. Demnächst soll die Webseite von allegro.pl auf allegro.com umgestellt werden. Der Umsatz dürfte dann kräftig steigen. Nach erheblichen Verlusten hat der Titel in den vergangenen Tagen wieder deutlich zugelegt.

Banken und Versorger

Konzentriertes Portfolio

Der GIS Central & Eastern European hat rund 44 Prozent seiner Mittel in polnische Unternehmen investiert. Auf tschechische und ungarische Aktien entfallen 18 beziehungsweise neun Prozent. Hoch gewichtet sind derzeit Finanzwerte wie die OTP Bank oder die Moneta Money Bank. Chancen sieht das Management auch beim polnischen Einzelhandelskonzern Dino Polska. Mit aktuell 46 Unternehmen ist das Portfolio konzentriert. Innerhalb eines Jahres legte der Fonds um 14 Prozent zu.

Ohne Russland

Osteuropa günstig

Osteuropas Märkte sind nach der jüngsten Korrektur günstig bewertet. Die 21 Werte des MSCI Eastern Europa ex Russia weisen im Schnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,4 auf. Der Amundi MSCI Eastern European ex Russia ETF bildet die Wertentwicklung des Index ab. 65 Prozent der Mittel sind in polnische und 21 Prozent in ungarische Unternehmen investiert. Tschechische Aktien sind mit 13 Prozent gewichtet. Der ETF eignet sich als Beimischung für risikofreudige Anleger.