Die heißeste Glücksspielmetropole der USA heißt nicht Las Vegas, sondern Atlantic City. Die Küstenstadt des sonst eher wenig glamourösen US-Bundesstaats New Jersey erlebt seit knapp zwei Jahren einen Aufstieg zum Sportwetten-Mekka Amerikas.

Im Mai 2018 verwarf der amerikanische Supreme Court das 26 Jahre alte PASPA-Gesetz, nachdem New Jersey dagegen geklagt hatte. Der Professional and Amateur Sports Protection Act befähigte die Regierung in Washington, allen 52 Bundesstaaten die Legalisierung von Sportwetten zu verbieten. Die Vorgabe sei verfassungswidrig, urteilten die obersten Richter und legten die Entscheidung zurück in die Hände der Bundesstaaten. New Jersey verlor keine Zeit: Schon einen Monat nach der Entscheidung konnten Spieler erste Wetten platzieren. "Heute lassen wir den Traum von legalen Sportwetten in New Jersey wahr werden. Unsere Casinos in Atlantic City und unsere Rennstrecken können neue Geschäfte und neue Fans anziehen und so ihre langfristigen finanziellen Aussichten verbessern. Das ist der richtige Weg für New Jersey und er wird unsere Wirtschaft stärken", sagte Gouverneur Philip D. Murphy im Juni 2018. Ein Jahr später blickte der Staat auf mehr als drei Milliarden Dollar Wetteinsätze.

In den Monaten seit der Supreme-Court- Entscheidung haben 21 Bundesstaaten Sportwetten legalisiert, in 14 davon haben die ersten Wettbüros - ob virtuell oder in Form von Läden - bereits geöffnet. Weitere zwölf stimmen in diesem Jahr über die Zulassung ab. Nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens H2 Gambling Capital wurden von Mai 2018 bis Mai 2019 legale Wetten in Höhe von neun Milliarden Dollar platziert.

"Bei einer durchschnittlichen Wettgebühr von 6,7 Prozent ist davon auszugehen, dass Anbieter einen Bruttogewinn von 600 Millionen Dollar erzielten", so die Analysten. Damit habe sich der Markt in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt. Und der Boom hält an: 2030 rechnen die Branchenexperten mit einem Bruttogewinn von 8,42 Milliarden Dollar.

Goldgräberstimmung.


Online-Anbieter, Sportligen, Statistiker, Casinos - jeder will mitverdienen. Unternehmen wie DraftKings und FanDuel wurden mit Fantasy-Tippspielen bekannt: Teilnehmer stellen sich eine fiktive Mannschaft zum Beispiel im Football zusammen, erzielen Punkte, basierend auf den Ergebnissen der Spieler, der beste gewinnt eine Geldprämie. Beide Fantasy-Spiel-Giganten bieten mittlerweile Sportwetten an. Per Handy und im Internet platzierte Wetten machen schon jetzt einen Großteil der legalen Wetten aus.

Das Geschäft läuft so gut, dass Draft- Kings für 2020 den Börsengang angekündigt hat, FanDuel strebt ebenfalls einen IPO an.

Beide Unternehmen haben Verträge mit den Basketball- und Football-Ligen NBA und NFL abgeschlossen, um Statistiken für ihr Wettangebot zu beziehen. Die Ligen verkaufen ihre Statistiken außerdem an Sportdienstleistungsunternehmen wie den Schweizer Konzern Sportradar und an Casinobetreiber wie MGM Resorts und Caesars Entertainment, die längst selbst Sportwetten anbieten.

Auf Profite dürfen auch Sportsender wie Fox Sports und ESPN hoffen: Wettmöglichkeiten bedeuten mehr Fernsehzuschauer, die den Verlauf des Spiels gebannt verfolgen. Live-Wetten, bei denen Spieler sogar während des Matches Geld setzen können, versprechen eine Goldgrube zu werden: "Wir kreieren einen Markt, der nicht existiert hat", sagte Scott Warfield, Managing Director of Gaming des amerikanischen Motorsportverbands, dem Nachrichtensender CBS. "Wie bekommen wir unsere Fans dazu, 30 oder 45 Minuten länger zuzusehen? Das können wir, wenn sie auf die zweite Etappe wetten oder darauf, wer in der 100. Runde führt. Man kann auf eine Menge wetten."

Wie sich die Industrie untrennbar mit professionellem Sport verwebt, hat Großbritannien vorgemacht: Zehn von 20 Fußballteams in der Premier League tragen in der aktuellen Saison den Namen eines Wettunternehmens als Sponsor auf dem Trikot. Einst vor allem auf Pferdewetten fixiert, erlebte Großbritanniens Wettindustrie ab 1961 einen Aufstieg, als das Wett- und Spielegesetz britischen Anbietern erlaubte, auch außerhalb von Rennbahnen Büros zu eröffnen.

2005 erlaubte die Regierung Werbung für Sportwetten. Die Spots sind heute unausweichlich: 2017 untersuchten Forscher des Goldsmiths-College an der University of London die Übertragungen dreier Fußballspiele und ermittelten, dass Zuschauer beim Sender BBC 71 bis 89 Prozent der Zeit Werbung für Wettanbieter sahen: als Bandenwerbung, auf Spielertrikots, als Fernsehspots oder Einblendungen während der Übertragungen.

Der Siegeszug der Smartphones begünstigte den Boom. Bet365 fokussiert sich auf online und mobil platzierbare Wetten und ist eines der erfolgreichsten Unternehmen in Großbritannien. Anbieter wie William Hill, Paddy Power und Ladbrokes wurden mit Wettbüros groß, haben mittlerweile aber alle Online-Angebote.

Kritiker sorgen sich, dass die Rundumbeschallung Menschen in die Spielsucht treibt. Nach einer Untersuchung der Gambling Commission, die seit 2005 die Branche reguliert und überwacht, zeigen 0,6 Prozent aller Spieler ein problematisches Wettverhalten, weil sie zu oft spielen und mehr Geld setzen, als sie sich leisten können zu verlieren. Besonders gefährdet ist die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen. Kritiker fordern deshalb ein Werbeverbot und eine strengere Kontrolle der Anbieter.

Umbruch in Deutschland.


Im Januar einigten sich die Bundesländer auf einen neuen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags, der Online-Glücksspiele und Sportwetten ab Mitte 2021 bundesweit erlauben soll. Die Neuregelung soll Licht in eine rechtliche Grauzone bringen. Bisher hatten private Anbieter keine Lizenz, um in Deutschland Wetten auf Sportereignisse entgegenzunehmen.

Die hierzulande bereits aktiven Online- Anbieter wie Bet365, Bet3000 und Tipico sind im europäischen Ausland registriert - meist Malta oder Gibraltar - und haben sich bisher auf eine Gerichtsentscheidung des europäischen Gerichtshofs von 2016 berufen. Die Richter hatten damals das ursprüngliche Lizenzierungsverfahren in Deutschland gestoppt, weil es die Zahl der Konzessionen willkürlich auf 20 beschränkte. Zuvor hatte das Bundesland Schleswig-Holstein 2011 einen Sonderweg beschritten und privaten Anbietern erlaubt, Fünf- Jahres-Lizenzen für Angebote innerhalb seiner Landesgrenzen zu erwerben. Ein Regierungswechsel in Kiel brachte 2013 das Ende dieses Vorgehens.

Dem Profit der Anbieter hat das keinen Abbruch getan: Der Deutsche Sportwettenverband teilt auf Anfrage von €uro mit, dass die Wetteinsätze von 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf neun Milliarden Euro im Jahr 2019 gestiegen seien. Der Löwenanteil entfällt auf den Fußball, andere Sportarten wie Handball, Basketball, Boxen oder Eishockey fristen im deutschen Sportwettenmarkt ein Nischendasein.

Die Neuregelung soll den Markt im kommenden Jahr bundesweit öffnen. Noch sind nicht alle Details bekannt, aber Anbietern wird unter Auflagen offenbar erlaubt, für Wetten und Glücksspiel zu werben. Eine zentrale Behörde soll das Glücksspiel überwachen, außerdem werden monatliche Wettlimits von 1000 Euro eingeführt und die Anbieter verpflichtet, die Daten der bei ihnen registrierten Spieler zu speichern und eine Sperrdatei für potenziell Spielsüchtige anzulegen.

Schon jetzt sind Anbieter im deutschen Fußball allgegenwärtig, ob als Bandenwerbung im Stadion oder als Sponsoren von Klubs und im DFB-Pokal. Die Wette, dass ihnen weitere Gewinne bevorstehen, scheint sicher.

Unsere Aktien-Empfehlungen


Bet-at-home:
Sportwetten sind das Kerngeschäft des 1999 in Österreich gegründeten Unternehmens, das seit 2004 börsennotiert ist. Bet-at-home bietet seine Dienste in Großbritannien, Irland und Italien an und gehörte zudem 2011 zu den Anbietern, die vom Bundesland Schleswig- Holstein eine Konzession erhielten. Im gleichen Jahr unterzeichnete Bet-at-home einen Sponsorendeal mit dem Bundesligaklub FC Schalke 04, der nun bis zum Jahr 2021 verlängert wurde.

Das Unternehmen unterstützt seit 2018 den österreichischen Meister Red Bull Salzburg. Bei solch engen Verbindungen zur Fußballwelt wundert es nicht, dass die Aktie im Januar ein Halbjahreshoch erreichte, nachdem bekannt wurde, dass Online-Wetten und Online-Glücksspiel bundesweit legalisiert werden sollen. Zwar nahmen zahlreiche Anleger die Kursgewinne kurz darauf wieder mit, langfristig dürfte sich die Aktie aber weiter positiv entwickeln.

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Boyd Gaming:
Firmengründer Sam Boyd arbeitete sich in den Vierzigern vom Spielemacher in den Casinos von Las Vegas nach oben und betrieb ab 1975 mit der Boyd Gaming Corporation eigene Casinos. Boyd und sein Sohn Bill erarbeiteten sich einen so sauberen Ruf, dass Nevadas Aufsichtsbehörde sie bei Betrugsuntersuchungen zurate zog. Nach dem Börsengang 1993 expandierte Boyd Gaming nach Louisiana, Illinois und Indiana.

Zehn Jahre später eröffnete das Unternehmen in einem Joint Venture mit Casinoriese MGM das Borgata Hotel und Casino in Atlantic City, bis heute das umsatzstärkste Haus der Stadt. 2016 verkaufte Boyd den 50-Prozent- Anteil für 900 Millionen Dollar an seinen Partner und ging 2018 eine neue Partnerschaft mit MGM ein, um den Zugang zu Markt und Kunden im Bereich Online-Spiele zu vergrößern; zusammen gehören ihnen Casinos in 15 Staaten.

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GVC Holdings:
Eigentlich ist GVC Holdings sehr breit aufgestellt: Neben bekannten und traditionsreichen britischen Wettstuben wie Ladbrokes Coral gehören auch jüngere Online-Anbieter wie Bwin Sportingbet zum Portfolio. Doch die Traditionshäuser haben in der Vergangenheit Teile ihres Geschäfts an eben jene Online-Anbieter verloren und schmälern somit unterm Strich das Ergebnis von GVC.

Hinzu kommt die Debatte um strengere Regulierungen, die in Großbritannien in den vergangenen Monaten lauter geworden ist. GVC blickt deshalb auf die USA und hofft auf den dort bevorstehenden Glücksspielboom. Die Briten haben ein Joint Venture mit MGM vereinbart, um den US-Markt zu erschließen. Mittelfristig kann der Boom in den Vereinigten Staaten kleinere Schwächen zu Hause auf der Insel wettmachen. Langfristig könnte es für das Unternehmen jedoch eher schwer werden.

Unsere Empfehlung: Beobachten.