Das Wirtschaftsministerium will Großkonzernen mit Stromsubventionen unter die Arme greifen. Die Wirtschaft reagiert gespalten.

Die im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland sehen viele Industriekonzerne als immer gravierenderen Wett-bewerbsnachteil. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant deshalb einen staatlich bezuschussten „Industriestrompreis“, um die Wettbewerbsfähigkeit der großen Konzerne zu erhalten. Bundes-finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt das ab. Direkte staatliche Hilfen widersprächen marktwirtschaftlichen Prinzipien, außerdem gebe es dafür im Haushalt keinen Spielraum, sagte Lindner.

Zu den größten Stromverbrauchern in Deutschland zählt die Chemie. BASF beispielsweise plant bereits, energie-intensive Standorte zu schließen und nach Asien zu verlegen. So weit ist man beim Kunststoffkonzern Covestro noch nicht. Dennoch wünsche man sich von der Bundesregierung, dass sie wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen schaffe, sagte Co-vestro-Finanzvorstand Thomas Toepfer zu €uro am Sonntag (siehe Interview links). Habecks Industriestrompreispläne gingen „in die richtige Richtung“. Nötig sei aber auch eine effizientere und schnellere öffentliche Verwaltung, ergänzte Toepfer.

"Wettbewerbsverzerrung"

Der Verband der Familienunternehmen kritisierte dagegen in der „FAZ“ Habecks Industriestrompreispläne. Sie hätten eine „riesige Wettbewerbsverzerrung zulasten des Mittelstands“ zur Folge. Die hohen Preise seien nicht zuletzt auf hohe Steuern und Abgaben zurückzuführen. „Es ist absurd, erst staatlich den Unternehmen immer mehr Lasten aufzubürden und diese dann großzügig wieder herunterzusubventionieren.“

Kritisch zum Industriestrompreis haben sich auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute geäußert. Die Diskussion ist inzwischen auch im Kanzleramt angekommen. Bundeskanzler Olaf Scholz ging ebenfalls auf Distanz zu Habecks Plänen. Man müsse stattdessen mehr billigen Strom herstellen und ihn dorthin bringen, wo er gebraucht werde. „Als Volkswirtschaft werden wir es auf Dauer nicht durchhalten, alles, was an normaler wirtschaftlicher Tätigkeit stattfindet, zu subventionieren“, sagte Scholz.

Unterdessen warten Unternehmen und Politik gespannt auf Habecks Konzept zum Industriestrompreis, das eigentlich in dieser Woche vorgelegt werden sollte. Es sieht eine Größenordnung von fünf bis sechs Cent je Kilowattstunde vor. Derzeit zahlt die Industrie durchschnittlich rund 20 Cent und Privathaushalte rund 35 Cent. In Frankreich liegt der Strompreis für große industrielle Abnehmer dagegen bei nur vier Cent. Laut Ministerium wird aktuell weiter am Strompreiskonzept gearbeitet, der Vorstellungstermin sei offen.

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„Die USA zeigen, wie es besser geht“

Interview mit Covestro-Finanzvorstand Thomas Toepfer zur Diskussion um den Industriestrompreis

€URO AM SONNTAG: Viele Industriekonzerne beklagen die im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland. Das Wirtschaftsministerium plant einen deutlich vergünstigten Industriestrompreis. Ist diese Subvention wirklich nötig?

THOMAS TOEPFER: Es ist richtig, dass die Bundesregierung erkannt hat, dass die Industrie wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen braucht. Ein Industriestrompreis ist ein Element. Es geht aber zum Beispiel auch um administrative Themen, etwa raschere Genehmigungsprozesse. Andere Regionen, wie die USA, zeigen uns, wie es besser gehen kann.

In der Strompreis-Diskussion wird Frankreich gern als Beispiel herangezogen. Dort zahlt die Industrie vier Cent pro Kilowattstunde. Das Wirtschaftsministerium peilt eine Größenordnung von fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde an. Entspricht das Ihren Vorstellungen?

Ja, das geht in die richtige Richtung. Aber da sind noch so viele Details offen, dass wir noch kein abschließendes Urteil fällen können.

Die Chemieindustrie liefert widersprüchliche Signale. Das Ifo-Institut registriert aufgehellte Stimmung. Gleichzeitig beklagen die Konzerne hohe Energiekosten und verlagern ins Ausland. BASF spricht von „stürmischen Zeiten“. Wo steht die Branche?

Die Lage ist weiter herausfordernd. Das gilt für Energiekosten und Rohstoffpreise, wobei sich die Situation seit den Höchstständen im dritten Quartal 2022 schon entspannt hat. Damals war der Gaspreis bei 300 Euro pro Megawattstunde, heute sind wir bei 40. Das Energiekostenniveau ist gesunken, im internationalen Vergleich ist das aber immer noch viel. Auch die Nachfrage ist noch nicht wieder auf Vorjahresniveau, weder in Europa noch in Asien. In den USA sehen wir positive Si-gnale. Alles in allem rechnen wir im zweiten Halbjahr mit Nachfragebelebung.

Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 18/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.