Nach den Pleiten, Pech und Pannen der Vergangenheit hielt sich das Unternehmen jedoch mit zuviel Optimismus zurück. Ob ThyssenKrupp nach zweijähriger Pause wieder eine Dividende zahlen wird, blieb offen.

"Wir steigern unser Ergebnis kontinuierlich seit sieben Quartalen aus eigener Kraft", sagte Hiesinger. Im dritten Quartal konnte der Dax-Konzern seinen operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) dank höherer Ergebnisse im Stahlgeschäft und Zuwächsen in der Aufzugssparte auf 398 Millionen Euro fast verdreifachen. Die amerikanische Stahlsparte mit dem Werk in Brasilien erzielte einen operativen Gewinn von 16 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum standen noch fast 200 Millionen Euro Miese in den Büchern. "Wir haben hier gewaltige operative Fortschritte gemacht", sagte Finanzchef Guido Kerkhoff in einer Telefonkonferenz. Es könne zwar sein, dass die Anlage in einem Quartal auch mal wieder rote Zahlen schreibe. Dennoch: "Das ist kein großer Verlustbringer für den Konzern mehr."

Auf Seite 2: WERK IN BRASILIEN LÄUFT BESSER - PREISDRUCK IN EUROPA

WERK IN BRASILIEN LÄUFT BESSER - PREISDRUCK IN EUROPA

Hiesinger hatte im Übersee-Stahlgeschäft das Ruder umgerissen. Die Kosten des von seinem Vorgänger Ekkehard Schulz aufgebauten Geschäfts waren in den vergangen Jahren auf über zwölf Milliarden Euro explodiert. Der Traditionskonzern stand dadurch am Rande des Ruins. Hiesinger stieß das zweite Werk in den USA für gut eine Milliarde Euro ab und brachte die Anlage in Brasilien technisch besser in Schuss. Das Rohstahlwerk, das vor allem die frühere Schwesteranlage im US-Bundesstaat Alabama beliefert, profitierte zudem von höheren Stahlpreisen in den USA. Das Brasilien-Werk schraubte seine Produktion in den ersten neun Monaten um Fünftel nach oben.

Die Krise hatte auch die Aktionäre getroffen: Im vergangenen Geschäftsjahr schrieb der Konzern einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor war sogar ein Fehlbetrag von fünf Milliarden Euro aufgelaufen. Seitdem müssen die Anteilseigner auf eine Dividende verzichten. Ob es nun bereits wieder eine geben könne, werde gegen Ende des im September auslaufenden Geschäftsjahres entschieden, sagte Finanzchef Kerkhoff. "Sie können hier Indikationen und Punkte in alle Richtungen sehen. Das ist ein Thema, über das wir hier noch nicht diskutiert haben."

Auf Seite 3: HIESINGER HEBT PROGNOSE FÜR DAS GESCHÄFTSJAHR AN

HIESINGER HEBT PROGNOSE FÜR DAS GESCHÄFTSJAHR AN

So sieht es auch keineswegs überall rosig aus. Die europäische Stahlsparte konnte zwar ihr Betriebsergebnis auf 103 Millionen Euro nach 62 Millionen erhöhen. Dies lag aber in erster Linie an den Kostensenkungen. Den Stahlkochern macht weiter der Preisdruck zu schaffen. Im laufenden Quartal werde das operative Ergebnis wegen der dann erwarteten geringeren Produktion auch deutlich niedriger ausfallen.

Hiesinger hat in den vergangenen Jahren die Kosten gesenkt, den Abbau tausender Stellen eingeleitet und den Konzern stärker auf das Technologiegeschäft mit Anlagen, Aufzügen, Autoteilen oder U-Booten ausgerichtet. Das Stahlgeschäft macht nun weniger als 30 Prozent des Umsatzes aus.

Am Donnerstag hob der Manager für den Gesamtkonzern die Prognose für den operativen Gewinn an. Der um Sondereffekte wie Beteiligungsverkäufe bereinigte Gewinn solle sich gegenüber dem Vorjahreswert von 586 Millionen Euro verdoppeln. Zuvor hatte das Management von "nahezu verdoppeln" gesprochen. Die ThyssenKrupp-Aktie legte zeitweise über zwei Prozent zu. Die Quartalszahlen hätten die Erwartungen übertroffen, erklärten Analysten.

Im laufenden Geschäftsjahr wolle ThyssenKrupp auch die Verschuldung weiter zurückfahren, kündigte Finanzchef Kerkhoff an. In den vergangenen Monaten hatte der Konzern die Nettofinanzschulden um fast eine Milliarde Euro auf 4,1 Milliarden Euro zurückgefahren. Eine Kapitalerhöhung - wie zuletzt im Herbst vergangenen Jahres - plane ThyssenKrupp aber nicht, sagte Kerkhoff.

Auf Seite 4: Einschätzung der Redaktion

Einschätzung der Redaktion

Die Aktie von ThyssenKrupp reagierte am Donnerstagvormittag mit Gewinnen auf die vorgelegten Zahlen. Das Papier lag mit knapp ein Prozent in der Dax-Spitzengruppe. Kein Wunder, schließlich ist der Konzern nach der größten Krise der Firmengeschichte wieder auf dem Weg zurück in die Gewinnzone. Auch die Prognoseanhebung macht Mut. Aus charttechnischer Sicht lauert im Bereich von 23 Euro ein zäher Widerstand. Fällt er, ist der Weg nach oben frei. Die Aktie bleibt ein Kauf.

Florian Westermann