Erhöhte Temperatur, eine schniefende Nase, Kopf- und Gliederschmerzen - während der Grippe- und Erkältungssaison zwischen Dezember und April sind die Wartezimmer vieler Arztpraxen überfüllt. Mit den damit verbundenen längeren Wartezeiten nimmt der Leidensdruck für die Betroffenen nochmals zu: Das gut geheizte Wartezimmer wird zur Viren- und Bakterienhölle.

Damit soll nun Schluss sein. Mit dem "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelverordnung" können sich Patienten künftig zur Videosprechstunde anmelden, bekommen bei Bedarf ein elektronisches Rezept übermittelt und die passende Medikation anschließend von Versandapotheken geliefert. Das spart nicht nur Zeit und Wege, sondern soll die Behandlung mit Arzneimitteln auch noch sicherer machen. "Das E-Rezept ermöglicht weitere neue digitale Anwendungen. Von der Medikationserinnerung bis hin zum Medikationsplan mit eingebauten Wechselwirkungscheck", heißt es dazu aus dem Bundesgesundheitsministerium. Bis März dieses Jahres sollen die Rahmenbedingungen zur Umsetzung stehen.

Angst vor Apothekenschwund


Mit großer Sorge verfolgen die stationären Apotheken die Entwicklung, die an die Veränderungen bei den Banken erinnert: Weil heute kaum noch jemand einen ausgefüllten Überweisungsträger zur Bank bringt, wurde das Filialnetz der Finanzinstitute spürbar ausgedünnt. Und tatsächlich: Schon in den vergangenen Jahren schrumpfte auch die Zahl der stationären Apotheken in Deutschland kontinuierlich. Gab es zwischen 1995 und 2011 bundesweit mehr als 21 000 Apotheken, waren es laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDS) Anfang 2019 gerade einmal noch 19 423. Ihr Marktanteil am 44 Milliarden Euro schweren Arzneimittelmarkt in Deutschland lag zuletzt noch immer bei 86 Prozent.

Besonders gravierende Verschiebungen dürfte es durch die Einführung der neuen E-Rezepte vor allem im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente geben. Mit diesen setzen die Ladenapotheken rund 30 Milliarden Euro pro Jahr um. Der Marktanteil der größten Online-Anbieter lag hier bislang bei einem kaum wahrnehmbaren Anteil von einem Prozent. Branchenkenner wie die auf die Pharmaindustrie spezialisierte Beratungsagentur Dr. Kaske gehen davon aus, dass mit der Einführung der E-Rezepte rund fünf Milliarden Euro Umsatz mit verschreibungspflichtigen Medikamenten von den stationären Apotheken in das Internet abwandern werden.

In der Poleposition im Rennen um das größte Stück dieses neu zu verteilenden Kuchens befindet sich dabei Zur Rose. Mit einem Marktanteil von 36 Prozent und dem Marktführer DocMorris im Portfolio sind die Schweizer die klare Nummer 1 unter den Versandapotheken in Deutschland. Seit dem Börsengang im Juli 2017 bauen die Eidgenossen mit einer konsequenten Buy-and-Build-Strategie ihre Marktposition aus und katapultierten sich 2018 mit dem Kauf der drittgrößten deutschen Versandapotheke Medpex für satte 170 Millionen Euro auf die Position des Branchenprimus. Da Schweizer Aktien jedoch weiterhin nicht an den deutschen Börsen gehandelt werden können, bleibt Anlegern für Orders derzeit nur der Umweg über die Börse in Zürich. Das hat meist deutlich höhere Kosten für eine Ausführung zur Folge.

Nicht nur aufgrund der geringeren Spesen beim Handel lohnt deshalb ein Blick auf den Wettbewerber Shop Apotheke. Europaweit ist die deutsche Nummer 2 sogar Marktführer. Im dritten Quartal 2019 verbuchte das Unternehmen ein Umsatzplus von 30 Prozent auf 170,7 Millionen Euro, die Zahl der aktiven Kunden legte um 40 Prozent auf 4,5 Millionen zu. Bei der Vorlage der Gesamtjahreszahlen 2019 am 17. März rechnet der Vorstand mit Umsätzen von 700 Millionen Euro. Für das laufende Geschäftsjahr 2020 stellt die in Deutschland gegründete, vor neun Jahren aber von Europa Apotheek aus den Niederlanden übernommene Gesellschaft auf Ebitda-Basis außerdem den Sprung in die schwarzen Zahlen in Aussicht. Nach Ansicht der Analysten dürfte Shop Apotheke das Wachstums­tempo beibehalten, die Einführung der E-Rezepte in Deutschland ist einer der größten Umsatztreiber.

Die bevorstehende Digitalisierung des deutschen Pharmamarkts dürfte über kurz oder lang auch bei finanzstarken internationalen Großkonzernen Begehrlichkeiten wecken. In den USA stieg Amazon beispielsweise mit dem Kauf von PillPack vor zwei Jahren in den Medikamentenhandel ein und schreckte damit die bisherigen Platzhirsche wie CVS Health oder Walgreens Boots Alliance auf, die neben dem stationären Apothekenhandel schon lange im Onlinehandel aktiv sind. Über eine Kooperation mit der Bienen-Apotheke in München hat Amazon übrigens auch in Deutschland bereits einen Fuß in der Tür. Walgreens steckt derweil wohl in der schwierigsten Phase seit Gründung des Unternehmens, während CVS Health die Markterwartungen im jüngsten Quartalsbericht klar übertreffen konnte. Seit unserer Kaufempfehlung in BÖRSE ONLINE 30/2019 ging es für den Aktienkurs bereits kräftig nach oben.