Hurrikans wie Dorian, der gerade über den Bahamas tobte und Teile der US-Ostküste verwüstete, haben durchaus auch die Kraft, die Kurse von Versicherungsaktien aufzuwirbeln. Natürlich gehören solche Katastrophen aber zum Alltagsgeschäft vieler Branchenvertreter. Das heißt, über die Prämiengestaltung lässt sich zumindest kaufmännisch dafür immer eine Lösung finden.

Nicht zum Alltagsgeschäft gehört hingegen das seit einigen Jahren herrschende Niedrigzinsumfeld. Für den Finanzsektor ist das eine Bürde. Bei den zu den größten Kapitalanlegern zählenden Versicherungen machen die niedrigen Zinsen beispielsweise das Investieren in Zinsprodukte schwieriger. Aber auch Banken leiden unter diesem Szenario. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing warnte kürzlich sogar, dass die "Niedrigzinsen das Finanzsystem ruinieren".

Versicherer besser als Banken


Auffällig ist aber, dass Versicherungen geschäftlich gesehen offenbar besser mit dem vorherrschenden Zinsumfeld zurechtkommen als Banken. Das spiegeln auch die Aktienkurse wider. Denn Versicherungswerte sind in den vergangenen Jahren in den USA und in Europa deutlich besser gelaufen als Banktitel.

Das ist kein neues Phänomen. Laut einer Erhebung von Julius Bär haben in Japan seit 1997 die Versicherer die Banken kontinuierlich hinter sich gelassen. Ein ungebrochener Trend, der sich weiter entfalten könnte. Wie Morgan Stanley erklärt, halten Versicherer dem Ertragsdruck durch niedrige Renditen stand, indem sie Verschiebungen im Geschäfts- und Investmentmix vorgenommen haben. Die Gesellschaften versuchen, Aktivitäten im Lebensversicherungsgeschäft ab- und im Schaden- und Unfallversicherungs­geschäft aufzubauen. Zudem hilft der in vielen Geschäftsbereichen bestehende Trend in Richtung steigender Versicherungsprämien.

Das bedeutet nicht, dass die Branche immun ist gegen weiter fallende Zinsen. Besondere Vorsicht aus Anlegersicht wäre aber im Falle steigender Kreditaufschläge angesagt, wie Morgan Stanley warnt. Doch solange nichts aus dem Ruder läuft, ist das Niedrigzinsumfeld sogar dahingehend vorteilhaft, dass überdurchschnittlich hohe Dividendenrenditen Versicherungstitel lukrativ erscheinen lassen.

Auch die Analysten bei der Bank of America heben dies als Pluspunkt hervor. Sie sind ebenfalls der Ansicht, dass Versicherungsaktien gut zur aktuellen Phase unseres Konjunkturzyklus passen. Denn dieser spreche für qualitativ hochwertige und defensive Aktien mit einer eher geringen Korrelation zum Gesamtmarkt. Qualitäten, die man Versicherungsaktien zubilligt. Vor diesem Hintergrund haben wir uns auf die Suche nach interessanten Branchenvertretern gemacht. Wobei wir bei der Selektion Wert darauf legten, dass die Favoriten auch in Sachen Digitalisierung vorne mitmischen. Darüber hinaus achteten wir bei der Titelauswahl auf annehmbare Bewertungen sowie auf intakte charttechnische Aufwärtstrends.

Vernünftig bewertete Favoriten


Zu unseren sechs Favoriten zählen mit Progressive und Chubb zwei Vertreter aus den USA. In einer von der Plattform Digital Scouting erstellten Liste der digital weltweit führenden 100 Versicherungs­unternehmen belegen diese beiden die Plätze 3 und 89. Bei Progressive handelt es sich um einen Anbieter von Sachversicherungen mit Fokus auf Fahrzeug- und Gebäudeversicherungen. Im zweiten Fall dreht es sich um einen der größten Industrie- und Personenversicherer.

Chubb genießt laut dem US-Finanzdienstleister CFRA den Ruf eines umsichtigen Versicherungszeichners, was eine traditionell starke versicherungstechnische Erfolgsbilanz belegt. Die Gesellschaft sollte zudem vom verbesserten Preisumfeld profitieren und die gebuchten Prämien 2019 und 2020 deutlich erhöhen können. Der Analystenkonsens sieht den Gewinn je Aktie in den nächsten fünf Jahren um jährlich 7,7 Prozent steigen.

Die Gewinnaussichten hier stimmen und das gilt auch für Progressive. Jedenfalls rechnen Analysten von 2018 bis 2021 mit einer Ergebnisverbesserung von 4,99 Dollar auf 5,99 Dollar je Anteil­schein. Zudem ist Progressive eines der stärksten Franchiseunternehmen der Versicherungs­branche. Das Institut leistet außerdem Pionierarbeit bei der Segmentierung individueller Kundenrisiken. So gelingt es mit dem Dienst Snapshot Discount bei der Kfz-Prämiengestaltung das Verkehrsverhalten zu berücksichtigen.

Qualifiziert haben sich auch zwei Versicherer aus der Schweiz. Der erste ist Helvetia und deckt als Allbranchenversicherer das gesamte Spektrum für Privatpersonen und Unternehmen ab. Die Gesellschaft präsentierte zuletzt gute Ergebnisse und bei dem gesetzten Ziel, die beste Versicherung der Schweiz zu werden, sieht man sich auf gutem Weg. Helfen soll eine Stärkung des Kerngeschäfts, die Erschließung neuer Geschäftsmodelle sowie die Nutzung gezielter Innovationen. Dazu werden digitale Versicherungsprodukte unter anderem dort platziert, wo Menschen einkaufen. Analysten sehen den Gewinn je Aktie von 2019 bis 2022 von 9,95 auf 11,58 Schweizer Franken steigen. Mit der zuletzt gezahlten Dividende von 4,93 Schweizer Franken pro Aktie sollte es ebenfalls stetig nach oben gehen.

Davon ist auch bei Zurich Insurance, der zweiten Schweiz-Empfehlung auszugehen. In Sachen Ausschüttung kalkuliert der Analystenkonsens hier von 2018 bis 2023 mit einem Anstieg der Zahlungen von 19 auf 22,48 Schweizer Franken. Folglich winken attraktive Renditen. Zudem stimmt der Gewinntrend bei dem Institut, das Lebens-, Sach- und Personenversicherungen für Privat-, Firmen- und Industriekunden anbietet. Jedenfalls sagen Analysten im genannten Zeitraum eine Ergebnisverbesserung von 24,85 auf 31,40 Schweizer Franken voraus. Spannend wird es am 14. November. Da wird der Vorstand bei einem Investorentag den Strategieplan für 2020 bis 2022 vorstellen.

Unser fünfter Favorit Ageas kommt ebenfalls aus Europa. Der größte belgische Branchenvertreter offeriert Sach-, Unfall-, Lebens- und Rentenversicherungen. Der Vorstand bekennt sich dazu, sich mehr auf neue Gebiete außerhalb der traditionellen Versicherungswelt konzentrieren zu wollen. Beitragen sollen dazu neue Technologien und eine stärkere Nutzung der Ökosysteme. Laut Analysten steigt der Gewinn je Anteilschein von 2018 bis 2023 von 4,11 auf 5,15 Euro, sodass auf letztgenannter Basis das Kurs-Gewinn-Verhältnis moderate zehn beträgt. Hinzu kommen Dividendenrenditen um die fünf Prozent.

Das Empfehlungssextett komplettiert mit Ping An Insurance (Versicherungs-, Bank-, Anlage- und Internet­finanzierungsprodukte) eine Gesellschaft aus China. Wie zeitgemäß das Denken bei diesem Anbieter ist, zeigt sich an dem praktisch schon immer herrschenden Motto, wonach Finanzdienstleistungen und Technologie untrennbar zusammengehören. Julius Bär spricht hier von einem Finanzen-plus-Technologie-Konglomerat. Dieses fokussiere sich auf eine junge und wohlhabende Zielgruppe, was überdurchschnittliches Wachstum verspreche. Der Analystenkonsens sieht das angesichts eines von 2018 bis 2021 unterstellten Ergebnisanstiegs von 6,40 auf 10,78 Hongkong-Dollar ähnlich. Geht die Rechnung auf, sollten Anleger auch mit diesem Wert gut versichert sein.

Auf einen Blick: Versicherer