Die Franzosen lieben den großen Auftritt: Als am 7. Mai gegen 20 Uhr endgültig klar wird, dass bei Frankreichs Schicksalswahl die Katastrophe ausbleibt, verlässt Emmanuel Macron den Pariser Louvre, um zur Menge zu sprechen. Etwas zögerlich macht der frisch gewählte Präsident Frankreichs die 300 Schritte über den Platz vor dem historischen Gebäude, der mit Beethovens "Ode an die Freiheit" beschallt wird, der offiziellen Hymne der EU. Auf dem Rednerpult hat er seinen Schwung zurück, und es folgt ein Bekenntnis: zu Europa, dessen "gemeinsames Schicksal" der neue Mann im Élysée-Palast verteidigen will - staatstragend vom ersten Moment an. Dabei ist ihm klar: Viele haben ihm ihre Stimme nur gegeben, um den Euro-Austritt des Landes zu verhindern.

Das Aus für Europa? Vor wenigen Monaten war das noch eine begründete Angst. Die Briten hatten da gerade überraschend dafür votiert, sich aus der EU zu verabschieden, und mit Donald Trump war plötzlich ein Mann US-Präsident, der die EU als ein dysfunktionales Relikt aus der Vergangenheit betrachtet. Dass Europa nach dem Superwahljahr 2017 tatsächlich von Populisten und Euro-Gegnern regiert werden und der Euro womöglich bald Geschichte sein würde, schien da nicht weit hergeholt.

Nun aber hat sich die Stimmung gedreht. Bei den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden schnitten die Eurokritiker Marine Le Pen vom Front National und Geert Wilders von der Freiheitspartei zwar gut ab, verloren am Ende aber doch klar. Und in Deutschland, wo im September der Bundestag gewählt wird, dürfte nichts anbrennen.

Für die Wahlsieger in Frankreich und den Niederlanden beginnt die harte Arbeit zwar erst jetzt. Sie müssen die Wirtschaft dauerhaft stabilisieren. Sie müssen die Enttäuschten und Abgehängten zurückgewinnen. Und sie müssen Europa nach jahrelangem Richtungsstreit wieder konsens- und handlungsfähig machen, damit es künftige Krisen übersteht. Dennoch machen die Ereignisse Mut, dass die Region nach der harten Wirtschafts- und Politikkrise endlich etwas zur Ruhe kommt. So sehen es zumindest viele Investoren und legen die schlimmsten Horrorszenarien erst einmal zu den Akten.







Auf Seite 2: Amerika entdeckt Europa neu





Amerika entdeckt Europa neu



Egal ob BlackRock, Goldman Sachs oder JP Morgan: Der alte Kontinent ist plötzlich der neue Favorit zahlreicher Großanleger und Banken. Seit sich Macrons Sieg abzeichnete und der politische Stress abflaute, fließen wieder Milliarden in die Aktienmärkte in Paris, Frankfurt, Madrid oder Mailand und treiben dort die Notierungen. In den zehn Handelstagen nach der ersten französischen Wahlrunde Ende April stiegen die Aktienkurse in Frankreich und Spanien um sieben Prozent, in Italien um neun Prozent und in Deutschland erreichte der Leitindex DAX sogar ein Rekordhoch.

Neu ist dabei: Ein erheblicher Teil des Geldes, das in Europas Börsen gepumpt wird, stammt wieder aus den USA. US-Investoren legten lange lieber am Heimatmarkt an - zuletzt, weil unter dem neuen Präsident Donald Trump Deregulierung und Steuersenkungen in großem Umfang möglich schienen.

Europa dagegen sahen sie eher als Dauer-Problemzone. Das hat sich gedreht. Mit der Wahl in Frankreich sind die politischen Risiken auf dem Kontinent gesunken, während in den USA gleichzeitig die Ernüchterung über Trumps Politik steigt. Seine Wirtschaftsagenda entpuppt sich zunehmend als Illusion, die Befürchtungen über seinen autokratischen Regierungsstil erweisen sich dagegen als erschreckende Realität. Kein Wunder, dass US-Investoren umschichten.

Die Rotation in europäische Papiere begann genau genommen schon vor der Frankreich-Wahl. Das zeigen Zahlen des Datenanbieters EPFR Global, aber auch von ETF-Häusern wie BlackRock und Lyxor. Laut einer Umfrage der Bank of America Merrill Lynch unter mehr als 200 Fondsmanagern, die zusammen fast 600 Milliarden US-Dollar verwalten, gibt es einen Grund dafür: 83 Prozent der Fondsmanager erachten die US-Kurse nach Monaten der Trump-Rally als zu hoch. In Europa halten sie die Bewertungen hingegen für angemessen.

Nimmt man das sogenannte Shiller-KGV als Grundlage, sind europäische Aktien tatsächlich deutlich billiger als Papiere aus Übersee. Die Bewertungskennzahl ist kompliziert, aber aussagekräftig: Sie setzt die durchschnittlichen Unternehmensgewinne der vergangenen zehn Jahre aus einem Land in Bezug zu den dortigen Aktienkursen. Demnach liegen US-Aktien bei einem historisch hohen Wert von 27,5, bei europäischen Aktien beträgt das Shiller-KGV nur 17,5. Robert Shiller, der Erfinder der Kennzahl, ermuntert seine Landsleute deshalb, außerhalb der Heimat zu investieren. Über Europa werde oft schlecht geredet, die Region habe eine problematische Phase hinter sich. "Ich glaube aber, Europa ist ein großartiger Ort", sagte der Yale-Ökonom und Nobelpreisträger in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNBC. "Es sollte einen großen Teil im Portfolio einnehmen."

Der Aufruf scheint an der Wall Street auf offene Ohren zu treffen. Dort rechnet man traditionell mit spitzem Stift. "Je preiswerter man Aktien kauft, desto besser ist in der Regel ihre langfristige Wertentwicklung", erklärt Michael Keppler, Chef des New Yorker Vermögensverwalters Keppler Asset Management. Auf Basis von Bewertungskennzahlen und historischen Daten wagt er sich an eine Renditeprognose: Für US-Aktien kalkuliert er in den kommenden drei bis fünf Jahren eine jährliche Durchschnittsrendite von 3,5 Prozent, für europäische Aktien erwartet er fast den doppelten Wert, nämlich 6,2 Prozent pro Jahr. "Erstmals seit der Finanzkrise könnten sich Aktien aus Europa auf längere Sicht besser entwickeln", sagt Keppler. Vor allem an den südeuropäischen Börsen sieht er hohes Potenzial (siehe Seiten 6 bis 19).







Auf Seite 3: Langsam aus der Krise





Langsam aus der Krise



Sollen die Aktienkurse dort tatsächlich stärker steigen als an der globalen Leitbörse auf der anderen Seite des Atlantiks, reicht es aber nicht, dass die Bewertungen günstiger sind und Europas Politiker sich entgegen früheren Befürchtungen zur gemeinsamen Währung bekennen. Für eine dauerhafte Börsenhausse muss der Kontinent auch seine hartnäckige Wirtschaftskrise abschütteln.

Genau danach sieht es seit einiger Zeit aber aus. Die Wirtschaft in der Eurozzone wuchs im ersten Quartal 2017 um 1,7 Prozent zum Vorjahr und expandierte damit etwa doppelt so stark wie die US-Wirtschaft, die einen schlechten Jahresstart erwischte. Die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Orderbücher vieler Unternehmen sind gut gefüllt, und die Stimmung in der Wirtschaft ist optimistisch wie seit dem Ausbruch der Schuldenkrise 2011 nicht mehr. Aus diesem Grund sind auch die Perspektiven gut. Die EU-Kommission hob in ihrem Frühjahrsgutachten ihre Konjunkturprognose für die Eurozone gerade auf 1,7 Prozent im laufenden Jahr und 1,8 Prozent im Jahr 2018 an. Der Aufschwung sei mittlerweile "solide und breit", sagte Mario Draghi vor Kurzem. Für den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) ist das fast schon eine Jubelarie. Lange hatte er lediglich von einer "fragilen und ungleichen Erholung" gesprochen.

Die wichtigste Lokomotive des Aufschwungs ist nach wie vor Deutschland, das allein im März Waren für 118 Milliarden exportierte und im Gegenzug Importe in Höhe von 93 Milliarden Euro auswies, wie das Statistische Bundesamt Anfang Mai meldete - beides Rekordzahlen. Doch auch der Süden Europas holt auf. Das beste Beispiel ist Spanien, das dieses Jahr wohl wieder das wirtschaftliche Niveau der Jahre vor dem Platzen der Immobilienblase auf der iberischen Halbinsel erreicht. Hier lag das Wachstum zuletzt bei drei Prozent und damit weit höher als in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit sinkt, was dem Immobilienmarkt und den Banken des Landes hilft, weil die Bürger wieder mehr Geld haben. Und auch im lange stagnierenden Frankreich zeigen sich erste Lebenszeichen. Der traditionell vorsichtige Internationale Währungsfonds (IWF) sagt dem westlichen Nachbarn für das kommende Jahr sogar eine minimal höhere Wachstumsrate als Deutschland voraus. 
Das besser verteilte Wachstum ist gut für alle. Schließlich gehören zu Deutschlands wichtigsten Handelspartnern Frankreich, Italien und Spanien - und zu Italiens wichtigsten Handelspartnern wiederum Deutschland, Spanien und Frankreich. Die gute Binnenkonjunktur schafft eine wichtige Voraussetzung, dass sich die Krisenländer selbst aus dem Schlamassel ziehen können.

Das spüren auch Europas Unternehmen. Erstmals ist wieder ein Phänomen zu beobachten, das Analysten in den vergangenen Jahren schmerzlich vermissten: ein ordentliches Gewinnwachstum der Börsenkonzerne, das als wichtigster Treiber für Aktienkurse gilt. Die Analysten von Morgan Stanley verfolgen die derzeit laufende Bilanzsaison aufmerksam und haben Erfreuliches errechnet: Knapp die Hälfte der europäischen Unternehmen, die bisher ihre Bilanzen vorlegten, übertrafen die erwarteten Gewinne deutlich. Besonders die Zahlen aus der Bankbranche, die immer noch Probleme hat, sind besser ausgefallen als erwartet. Gehe das so weiter, werde das erste Quartal 2017 "das beste Quartal seit einem Jahrzehnt", so die US-Bank.

Auf Seite 4: Die Politik muss liefern





Die Politik muss liefern



Die ökonomische Stabilisierung ist mitunter das Verdienst eines Mannes, der für die Deutschen eher Hassfigur als Heilsbringer ist: EZB-Chef Mario Draghi. Mit der Ankündigung, notfalls unbegrenzt Anleihen aus überschuldeten Krisenstaaten zu kaufen, dämpfte er die Angst der Investoren vor Staatspleiten in der Eurozone. Außerdem senkte er den Leitzins auf null, kaufte für 1,5 Billionen Euro Anleihen und führte Strafzinsen für Banken ein, die ihr Geld bei der EZB parken, statt es zu verleihen. Die Maßnahmen ermöglichten Unternehmen billige Kredite, sie schwächten den Euro und machten damit europäische Waren außerhalb der Eurozone günstiger. Das alles kurbelte die Wirtschaft an und gab den Aktienkursen Rückenwind.

Dennoch ist Draghis Kurs bis heute umstritten. Er brachte Sparer um ihre Zinsen, vor allem aber ermöglichte er es Krisenstaaten wie Spanien, sich trotz nach wie vor hoher Staatsschulden zu extrem günstigen Konditionen zu verschulden. Das sei unerlaubte Staatsfinanzierung, schimpfen seine Kritiker. Der Effekt war jedoch von Anfang an gewollt. Draghi predigt seit Jahren, dass er der Politik Zeit gekauft habe. Die müsse sie nutzen, um Reformen anzupacken.

Passiert sei aber zu wenig, warnen Beobachter. So haben Länder wie Portugal, Spanien oder Griechenland teils harte Maßnahmen umgesetzt und den Gürtel enger geschnallt. Trotzdem ist ihre Verschuldung weiter hoch, Griechenland hangelt sich noch heute von Milliardenhilfe zu Milliardenhilfe. Steigen die Zinsen, dürften die Schuldenprobleme wieder stärker in den Fokus rücken. Und in Staaten wie Frankreich oder Italien gab es ohnehin kaum Reformen. Diese sind aber nötig, um die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. Auch auf politischer und institutioneller Ebene gibt es viele Baustellen.

"Wir haben Mängel in der Bankenregulierung, der Durchsetzung der Schuldenregeln für Staaten und verfügen über keine guten Rettungsmechanismen", sagt Clemens Fuest vom Münchner Ifo-Institut. Damit Europa für weitere Krisen gewappnet ist, müsse sich einiges ändern (siehe Interview auf Seite 5).

Die Chance dafür ist da. Mit Macron ist in Frankreich nun ein überzeugter Reformer mit ambitionierten Plänen für eine engere europäische Zusammenarbeit an der Macht. Und in den wichtigen Euro-Staaten Italien und Deutschland wird demnächst ebenfalls gewählt. Setzen sich dort die Pragmatiker gegen die Protestparteien durch, könnten die Verhandlungen über die Struktur Europas frischen Wind bekommen - auch weil der EU-Austritt der Briten die Europäer zwingt, sich über die künftige Gestaltung der EU mehr Gedanken zu machen.

Dennoch wird es für Europas Politiker ein langer Weg, bei dem Investoren jeden Schritt genau beobachten werden. Begonnen hat die Krise des Kontinents übrigens vor genau sieben Jahren. Damals entzogen Anleger dem überschuldeten Griechenland das Vertrauen und Athen bekam im Mai 2010 seinen ersten Hilfskredit. Es folgten weitere Milliardenhilfen, Bankenkrisen, Rettungspakete für Irland, Spanien und Portugal, viele Schicksalswahlen sowie das britische Referendum über den EU-Verbleib.

"Erfolgsgeschichten sehen anders aus", sagt Karsten Junius, Chefökonom der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin. Trotzdem ist er erstmals seit Jahren für Europa optimistischer als für die USA: "Die sieben mageren Jahre mögen nun hinter Euroland liegen", sagt Junius und verweist auf die anziehende Wirtschaft und die gesunkenen politischen Risiken. "Es ist nur zu hoffen, dass die folgenden Jahre nun besser genutzt werden als jene vor der Schuldenkrise."

Auf Seite 5: Interview Clemens Fuest





Interview Clemens Fuest, Ifo-Präsident: "Wir sind nicht auf die nächste Krise vorbereitet"



In seinem neuen Buch "Der Odysseus-Komplex" schlägt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo zahl-reiche Reformen der Eurozone vor

BÖRSE ONLINE: Herr Fuest, Frankreich hat pro Europa gewählt, die Konjunktur der Eurozone zieht an, warum ist die Währungsunion dennoch "krank", wie Sie meinen?


Clemens Fuest: Die größten politischen Gefahren für den Zusammenhalt sind erst einmal gebannt und das Wachstum zieht etwas an. Aber im Zuge der Finanzkrise wurden die grundlegenden Probleme der Eurozone aufgedeckt. Die sind nicht überwunden. Und deshalb sind wir auch nicht auf die nächste Krise vorbereitet.

Warum?


Die Eurozone ist kein perfekter Währungsraum, das wissen wir. Aber dieses Defizit ist mit guten Institutionen auszugleichen. Wir haben Mängel in der Bankenregulierung, der Durchsetzung der Schuldenregeln für Staaten und verfügen über unzureichende Stabilisierungsmechanismen für Krisen.

Ist das Problem nicht grundsätzlich, nämlich dass völlig verschiedene Volkswirtschaften und Mentalitäten nicht in eine Währungsunion zusammenzupressen sind?


Nein. Unterschiedliche Mentalitäten in Süd- und Nordeuropa sind nicht das Problem. Eine Währungsunion kann das aushalten, wenn sie die richtigen Institutionen hat.

Was bedeutet "richtig"?


Die Institutionen in der Eurozone müssen dafür sorgen, dass Haftung und Kontrolle zusammenbleiben. Wenn Staaten zum Beispiel solidarisch Garantien oder Geld geben, müssen sie eigentlich auch Kontrolle über die Wirtschaftspolitik des Krisenlandes haben. Das ist aber nicht der Fall.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?


Bei der Bankenregulierung plädiere ich für mehr Eigenkapital als Risikopuffer und die Bündelung der Aufsicht für alle Banken in einer neuen, unabhängigen Behörde außerhalb der EZB. Darüber hinaus muss die gegenseitige Abhängigkeit von Banken und Staaten sinken, damit eine Bankpleite nicht eine Staatspleite verursacht und umgekehrt.

Wie das?


Ich schlage vor, dass Banken nur noch bis zu einer gewissen Grenze Staatsanleihen des Heimatlandes halten dürfen. Außerdem sollten sie diese mit Eigenkapital unterlegen müssen. Denn auch Staatsanleihen können in einer Währungsunion ausfallen - der Beweis ist der Schuldenschnitt Griechenlands.

Was schlagen Sie zur Kontrolle der Staatsverschuldung vor?


Hier sieht man am deutlichsten, dass es derzeit keine wirksame Kontrolle gibt. Fast alle Staaten haben die Schuldenregeln verletzt und sind ohne Sanktionen davongekommen. Man kann souveräne Staaten nicht daran hindern, sich über Schuldenregeln hinwegzusetzen. Aber man könnte vorsehen, dass sie das nur mit speziellen Bonds tun dürfen. Wie bei Nachranganleihen würden die Investoren im Fall einer Staatspleite hier als Erstes verlieren. Der Markt würde solche Bonds akzeptieren, aber nur zu höheren Zinsen. Schuldenregeln zu verletzen wäre teurer. Dass diese Bonds wirklich verwendet werden, können die europäische Bankenaufsicht und die EZB durchsetzen.

Und wenn die Staaten sich trotzdem überschulden?


Man sollte den Stabilitätsfonds ESM zu einem europäischen IWF weiterentwickeln, ihn technokratischer und politikferner ausrichten. Im Krisenfall könnte er dann automatische Hilfen und Auflagen in Gang setzen, die existenziellen Bedürfnisse der Bürger garantieren und gleichzeitig sicherstellen, dass nicht die Steuerzahler anderer Länder einspringen müssen.

Wenn Investoren erkennen, dass starke Länder wie Deutschland im Zweifel nicht einspringen, werden sie das Risiko der Südländer neu bewerten und höhere Zinsen verlangen.


Das ist zumindest für neue Schulden gewollt, denn auch das Risiko ist ja größer. Wenn Investoren das Risiko wieder richtig bepreisen, sinkt der Anreiz, übermäßig Schulden zu machen, und das systematische Risiko von Staatspleiten sinkt.

Und falls die Pleite unvermeidbar ist?


Ich schlage ein Insolvenzverfahren für Staaten mit klaren Regeln vor. Ein transparentes Verfahren für den schlimmsten Fall hilft auch den Investoren, diese Risiken besser einzuschätzen und zu bepreisen. Der Markt würde effizienter, die systematische Krisenanfälligkeit wiederum gesenkt.

Und welche Rolle soll die Notenbank EZB spielen, die in der Krise einzig wirklich handlungsfähige Institution?


Handlungsfähig war die EZB. Aber sie hat dabei ihr Mandat ohne demokratische Legitimation überschritten. Ich würde die EZB weiter in ihrer Unabhängigkeit stärken, dafür ihr Mandat einengen. Würden die anderen Maßnahmen umgesetzt, wäre das Währungs- und Finanzsystem stabil und die EZB müsste auch nicht mehr den Retter spielen.

Auf Seite 6 bis 10: Fonds und ETFs





Fonds und ETFs: Europas Stars



An Europas Börsen geht es oft turbulent zu. Für die Manager europäischer Aktienfonds ist das ein Vorteil. Sie können ihre Expertise hier gewinnbringend einsetzen.

Fondsmanager haben nicht gerade den besten Ruf. Obwohl sie sich akribisch durch Wirtschafts- und Unternehmensdaten arbeiten und stundenlang Anlagestrategien diskutieren, lassen ihre Ergebnisse oft zu wünschen übrig. Erhebungen zeigen, dass nur wenige aktiv gemanagte Fonds ihren Vergleichsindex schlagen. Laut einer Auswertung des Indexanbieters S & P Dow Jones hinkten in den vergangenen drei Jahren zum Beispiel ernüchternde neun von zehn Fonds für US-Aktien dem S & P 500 hinterher.

Bei Fonds für europäische Aktien ist das anders. Hier scheint sich der aufwendige - und teure - Rechercheaufwand tatsächlich zu lohnen. Laut S & P Dow Jones lieferte in den vergangenen drei Jahren immerhin jedes vierte aktiv gemanagte Produkt für europäische Aktien eine bessere Performance ab als sein Vergleichsindex. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine neue Analyse von Scope, wonach in den vergangenen fünf Jahren sogar jeder dritte Europa-Fonds den MSCI Europe hinter sich ließ. Zudem schlafen Anleger mit aktiven Fonds auf europäische Aktien besser: Zwei Drittel dieser Fonds vermieden starke Abstürze und schwankten spürbar weniger als der Markt, so Scope.

Der Hauptgrund dafür ist naheliegend: die großen wirtschaftlichen und politischen Gegensätze auf dem Kontinent. Sie zwingen europäische Fondsmanager fast schon dazu, einen aktiveren Ansatz als Kollegen in anderen Regionen der Welt zu wählen und einzelne Länder und Branchen zu meiden, in andere dafür stärker zu investieren. Das zahlte sich in den vergangenen Jahren aus. Wer etwa während der Schuldenkrise weder in Banken noch besonders stark in Aktien aus Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien oder Italien investiert war, umschiffte die größten Kursabstürze und machte damit schon vieles richtig.

Schnäppchenjagd



Die Kurskapriolen und Crashs schufen aber auch Chancen. Egal ob bei der Beinahepleite Griechenlands, der Wirtschafts- und Regierungskrise in Spanien oder dem Votum der Briten über den EU-Ausstieg: Warfen Anleger panisch europäische Aktien aus ihren Portfolios, zog das auch die Papiere solider Unternehmen in Mitleidenschaft - obwohl deren Geschäfte oft kaum unter den Problemen des Kontinents litten. Fondsmanager, die diese Titel unter Wert aufsammelten, machten mitunter lukrative Schnäppchen.

Die New Yorker Investmentgesellschaft Keppler Asset Management ist der Meinung, dass es nach wie vor solche Schnäppchen in Europa gibt. Ihre Spezialität ist es, Bewertungskennziffern wie Unternehmensgewinne oder Buchwerte der Konzerne eines Landes ins Verhältnis zu den dortigen Aktienkursen zu setzen und daraus Renditepotenziale zu errechnen. Im Moment hält Keppler Südeuropas Aktienmärkte für besonders günstig bewertet und erwartet dort hohe Erträge. Inklusive Kurssteigerung und Dividenden geht die Investmentgesellschaft bei spanischen Aktien in den kommenden drei bis fünf Jahren von 5,9 Prozent Rendite pro Jahr, bei französischen von 7,3 Prozent und bei italienischen von 8,0 Prozent pro Jahr aus.

Diese Zahlen sind jedoch nur grobe Orientierungswerte, das räumt auch Keppler ein. Anlegern sollte bewusst sein, dass sich längst nicht jeder Aktienmarkt gut entwickelt, nur weil er günstig bewertet ist. Wenn Aktien billig sind, zeigt das auch, dass sie riskant sind. Und in Staaten wie Italien oder Spanien kann die Krisenstimmung schnell wieder Oberhand gewinnen und die schönsten Prognosen zunichtemachen.

Anleger sollten daher nur kleine Teile ihres Vermögens in Aktienmärkte einzelner Länder investieren. Bei französischen Aktien eignen sich dafür sogenannte Indexfonds, die das Auf und Ab der dortigen Börse einfach abbilden, statt wie aktive Fondsmanager nach besonders günstigen und guten Aktien zu suchen. In Spanien und Italien haben sich hingegen aktiv gemanagte Fonds bewährt, weil sie Risikopapiere wie etwa Bankaktien abbauen und ihren Kassenbestand hochfahren können, sobald es brenzlig wird.

Geeignete Exemplare finden Sie in den Tabellen am Ende der Porträts über Frankreich, Italien und Spanien auf den kommenden Seiten. Zudem finden Sie in der Tabelle unten einen Aktienfonds, der nur in Titel aus Südeuropa investiert. Der brachte seit seiner Auflage 2013 rund 35 Prozent Rendite, schwankte jedoch stark. Sollten Südeuropas Börsen aber durchstarten, dürfte er zu den größten Gewinnern zählen.



Risiken streuen



Weniger riskant ist es, in breitere Europa-Fonds zu investieren und so Risiken über mehrere Länder zu streuen. Das geht mit ETFs, die Indizes für europäische Aktien abbilden. Allerdings müssen sich Anleger hier entscheiden, welche Länder sie Europa überhaupt zurechnen. Nur der Euro Stoxx 50 beschränkt sich auf die Eurozone. Im Stoxx Europe 600 und im MSCI Europe sind hingegen Nationen wie Großbritannien hoch gewichtet, die nicht mit Euro zahlen oder - wie im Fall der Schweiz - nicht mal Mitglied der EU sind.

Angesichts der immer wieder aufkeimenden Unsicherheit legen wir Anlegern jedoch eher aktiv gemanagte Fonds ans Herz. Wie bereits beschrieben, liefern manche bei geringeren Schwankungen vergleichbare oder sogar höhere Renditen als ETFs. Grundsätzlich haben wir uns auf Produkte konzentriert, die ihren Fokus auf Kerneuropa und die Eurozone legen. Dort sind Papiere aus aussichtsreichen Märkten wie Frankreich und Spanien oft hoch gewichtet - obwohl die Fondsmanager gern darauf verweisen, dass sie Titel ausschließlich auf Grundlage von Unternehmenskennzahlen und Unternehmensbewertungen und nicht auf Länderbasis selektieren.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Comgest Growth Europe Fund, der seit Jahren hohe Erträge bei geringen Schwankungen bringt. "Wir spekulieren nicht auf politische Ereignisse und investieren auch nicht über eine Länderauswahl", sagt Franz Weis, der den Fonds zusammen mit zwei Kollegen leitet. Rund 30 Titel hat er im Portfolio, er hält sie oft zehn Jahre und länger. Das Team kann in der Eurozone, der Schweiz und Skandinavien anlegen. Im Moment sind aber mehr Titel aus Frankreich und Spanien im Portfolio als etwa aus Deutschland.

Der Grund: Weis wählt die Unternehmen für den Comgest European Growth strikt nach Kriterien wie hohem und berechenbarem Umsatzwachstum, starker Preissetzungsmacht und soliden Bilanzen aus. Um in den Fonds aufgenommen zu werden, müssen die Aktien zudem auch unter Wert gehandelt werden.

Das war zuletzt bei französischen und spanischen Papieren häufiger der Fall als bei deutschen oder britischen. Den spanischen Modehändler Inditex - die größte Position des zwei Milliarden Euro schweren Fonds - hat Weis während der Eurokrise ins Portfolio genommen. "Inditex hat seinen Verwaltungssitz in Spanien, macht dort aber nur 20 Prozent seines Umsatzes", erklärt er. Trotzdem wurde der Kurs mit nach unten gezogen, als 2011 in Madrid die Börse einbrach. Die Krise des Landes belastete das Unternehmen nicht. Es wuchs weiter und sein Börsenwert erholte sich entsprechend.

Das Vorgehen anderer Fonds, die in Europa erfolgreich sind, ist ähnlich. Der DB Platinum CROCI Euro, einer der besten Fonds für Aktien aus der Eurozone, legt sogar noch systematischer an. Rund 50 Analysten graben sich dort tief in die Bilanzen der Unternehmen und ermitteln so deren Wert. Wer gemessen an dieser Kennzahl besonders günstig ist, kommt automatisch ins Portfolio - egal aus welcher Branche oder aus welchem Land er stammt. Nur Banken bleiben außen vor. Derzeit sind vor allem französische Konzerne wie LVMH, Airbus und Sanofi im Portfolio. Auch im besonders renditeträchtigen, dafür aber schwankungsanfälligeren Nebenwertefonds von Baring sind Papiere aus Frankreich und Italien hoch gewichtet.

Der Crash als Chance



Aber was ist, falls die Krise in Europa doch wieder hochkocht und die Kurse fallen? Die Fondsmanager wollen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen lassen - im Gegenteil. "In Verwerfungen wie der Eurokrise oder dem Brexit ergeben sich immer gute Möglichkeiten", sagt Fondsmanager Franz Weis von Comgest, in dessen Fonds neben Inditex die Aktien von Amadeus IT aus Spanien sowie Essilor, Sodexo und L’Oréal aus Frankreich zu den fünf größten Positionen gehören. "Wenn wir dann wieder ein starkes Unternehmen zu einem günstigen Preis bekommen, schlagen wir sicher zu."





Französische Renaissance



Emmanuel Macron will als Frankreichs neuer Präsident die Wirtschaft endlich in Schwung bringen. Schafft er es, dürften ihm die Wähler dankbar sein. Und Anleger können dann in eine starke Volkswirtschaft mit erstklassigen Unternehmen investieren

Hohe Arbeitslosigkeit, eine schwache Wirtschaft und politische Eliten, die laufend Skandale produzieren: Dass in Frankreich erstmals kein Vertreter der großen Volksparteien die Stichwahl um das Präsidentenamt erreicht hat, war wenig überraschend. Dass sich dort nun aber Emmanuel Macron gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen durchgesetzt hat, ist ein gutes Zeichen. Macron könnte die Grande Nation, die sich viel zu lange in altem Glanz gesonnt hat, wieder in Schwung bringen.

Die Startbedingungen für den 39-jährigen Ex-Banker sind gar nicht schlecht. Das billige Geld und der schwache Euro geben auch Frankreichs Wirtschaft kräftigen Rückenwind und die ökonomische Struktur des Landes passt. Als ehemalige Kolonialnation und zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist Frankreich global bestens vernetzt; zudem finden sich im französischen Leitindex CAC 40 Weltkonzerne aus verschiedensten Branchen - vom Luxusgüterhersteller LVMH und dem Kosmetikkonzern L’Oréal über die Banken BNP Paribas und Société Générale bis zum Energieriesen Total, dem Pharmakonzern Sanofi, dem Flugzeugbauer Airbus oder dem Lebensmittelunternehmen Danone. Dass Frankreichs Wirtschaft trotzdem seit der Finanzkrise schwächelt, liegt an ihrer zurückgehenden Wettbewerbsfähigkeit. Die möchte Macron mit Reformen erhöhen. In seinem Wahlprogramm stehen eine Anhebung der Wochenarbeitszeit (derzeit 35 Stunden), die Lockerung des Kündigungsschutzes und ein Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Diese Härten will er über eine Senkung der Einkommen- und Unternehmensteuer und milliardenschwere Investitionsprogramme abfedern.

Um seine Vorhaben umzusetzen, braucht Macrons Bewegung En Marche! neben einem guten Ergebnis bei den Parlamentswahlen im Juni noch die Unterstützung der Gewerkschaften. Schafft er den Kurswechsel, sollte das die Börse in Paris weiter anschieben. Dort gab es schon Vorschusslorbeeren für den europabegeisterten Sozialliberalen. Trotzdem hat Frankreichs Aktienmarkt - ganz ähnlich wie Frankreichs Wirtschaft - noch Luft nach oben. Denn anders als der deutsche DAX, der auf Rekordniveau notiert, liegt der CAC 40 noch etwa 20 Prozent unter seinem Allzeithoch aus dem Jahr 2000.





Spanischer Lichtblick



Auf dem Höhepunkt der Eurokrise stauten sich über der iberischen Halbinsel die dunklen Wolken, heute scheint dort wieder die Sonne. Über Spanien ist der Rettungsschirm längst zugeklappt, die Wirtschaft wächst kräftig. Nun muss die Arbeitslosigkeit weiter sinken

Die Lage hätte düsterer kaum sein können: 2012 steckte Spanien tief in der Krise, die Immobilienpreise brachen ein, die Wirtschaft schrumpfte, Investoren liehen dem Land kein Geld mehr. Im Juni kam dann der Offenbarungseid. Weil die Regierung in Madrid Milliarden brauchte, um Banken zu retten, beantragte sie Hilfsgelder aus dem europäischen Rettungsschirm.

Heute, ziemlich genau fünf Jahre später, hat sich der Himmel über der iberischen Halbinsel aufgehellt. Unter Ministerpräsident Mariano Rajoy hat das Land eine Rosskur durchgezogen, unter anderem den Arbeitsmarkt reformiert und den Rettungsschirm schnell wieder verlassen. Spaniens Banken stehen heute stabiler da, der Immobilienmarkt hat sich nach dem Platzen der Blase gefestigt und 2016 wuchs die Wirtschaft des Landes um drei Prozent und damit dynamischer als die Volkswirtschaften in den USA oder in Deutschland. Weil auch die politische Instabilität abgenommen hat - nach zwei Wahlen und monatelangen Verhandlungen steht der Reformer Rajoy nun einer Minderheitsregierung vor -, belohnen auch die Finanzmärkte den Reformkurs. Seit der Regierungsbildung im Herbst stieg der spanische Leitindex IBEX 35 um knapp 30 Prozent. Selbst die vielen Aktien von Finanzhäusern im Index wie jene der Banco Santander oder der Banco Bilbao zogen kräftig an. Und auch die Papiere von anderen Indexschwergewichten wie der Modekette Inditex (Zara), des Pharmakonzerns Grifols oder von Telefónica steigen seither - obwohl diese Unternehmen ohnehin einen Großteil ihrer Geschäfte außerhalb Spaniens machen.

Bleibt die politische Lage stabil, sollte sich Spaniens Wirtschaft - und damit auch die Börse - weiter erholen. Potenzial hat sie, doch die Arbeitslosigkeit ist mit 18 Prozent noch sehr hoch. Sinkt diese weiter, machen auch die Banken und der Immobilienmarkt Fortschritte, was Spaniens Politikern helfen würde. Und Spaniens Wirtschaftsleistung wird laut einer Schätzung des Internationalen Währungsfonds erst in diesem Jahr das Niveau erreichen, das sie im Jahr 2008 hatte, als die dortige Immobilienblase platzte. Auch der Rekord des IBEX 35 stammt übrigens aus dieser Zeit. Heute ist er von diesem Hoch noch rund 30 Prozent entfernt.





Italienische Wette



Ein maroder Bankensektor, ein schwaches Wirtschaftswachstum und womöglich bald riskante Neuwahlen: In Europa steckt Italien derzeit noch am tiefsten in der Krise. Wer hier Geld anlegt, setzt darauf, dass es eigentlich nur besser werden kann

D iese gigantische Zahl kann einem schon Sorgen machen: Über 2200 Milliarden Euro Staatsschulden hat Italien angehäuft. Das sind über 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes, mehr als in jedem anderen Staat der Eurozone - von Griechenland mal abgesehen. Und die Schulden sind bei Weitem nicht das einzige Problem Italiens. Die Wirtschaft wächst weniger stark als in anderen Ländern der Eurozone, die Arbeitslosigkeit ist mit elf Prozent noch ähnlich hoch wie auf dem Höhepunkt der Krise und die Banken sitzen auf 349 Milliarden Euro an faulen Krediten, schätzen die Währungshüter von der Banca d’Italia. Die große Frage: Kann Italien - ähnlich wie Spanien - aus diesen Problemen herauswachsen?

Was das Bankwesen betrifft, haben gerade drei Ökonomen in einem vom Internationalen Währungsfonds veröffentlichten Papier eine Prognose gewagt. Ihre Einschätzung: Es wird schwierig, ist aber machbar. So bräuchte Italien jährlich 1,2 Prozent Wirtschaftswachstum, um den Berg an faulen Krediten langsam abzutragen. Um dies zu erreichen - derzeit liegt das Wachstum knapp unter einem Prozent -, seien aber Wirtschaftsreformen nötig. Italiens Politiker sind also gefordert. Und im Moment tut sich in Rom auch wieder einiges. Ende 2016 war der ambitionierte Reformer Matteo Renzi wegen eines gescheiterten Verfassungsreferendums als Ministerpräsident zurückgetreten. Weshalb heute sein Parteikollege Paolo Gentiloni den Posten bekleidet. Anfang Mai wurde Renzi aber mit großer Mehrheit zum Parteichef gewählt. Nun arbeitet er möglicherweise darauf hin, dass die Italiener schon vor 2018 ein neues Parlament wählen und ihn dabei zurück in den Amtssitz im Palazzo Chigi befördern. Wann auch immer die Abstimmung stattfindet, es hängt viel von ihr ab - auch für die Mailänder Börse, wo die Kurse angesichts der politischen und ökonomischen Krise über 50 Prozent unter dem Hoch aus der Zeit vor der Finanzkrise stehen. Der Urnengang wird ein erneutes Votum über den Reformkurs werden.

Denn in Umfragen liegt die europakritische Protestbewegung Fünf Sterne des Komikers Beppe Grillo etwa gleichauf mit Renzis solzialliberaler PD. Auf die Reformer wartet also noch viel Überzeugungsarbeit.



Auf Seite 11 - 19: Aktien





Aktien: Europäische Sternchen



Wenn die Wirtschaft im Euroraum wächst, profitieren vor allem Unternehmen, die in Euroland stark sind. Welche vielversprechenden Aktien Anleger sich jetzt ins Depot legen sollten

Die Analysten überschlagen sich derzeit geradezu mit Lob für europäische Aktien. "Dieses Jahr markiert den Wendepunkt für Europa", sagt etwa Britta Weidenbach, zuständig für europäische Aktien bei der Deutschen Asset Management. Sie meint damit, dass die Gewinne der Unternehmen auf dem alten Kontinent wieder wachsen werden.

Das korreliert mit aktuellen Daten des Sentix-Stimmungsbarometers, das die Stimmung der Investoren misst: Es notiert auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. "Anleger erwarten offensichtlich eine Abnahme der politischen Unsicherheiten in der Eurozone", sagt Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner.

Steigender Druck auf EZB. Im Gegensatz zur allgemeinen Euphorie hält sich die Europäische Zentralbank (EZB) noch bedeckt. Dabei ziehen die positiven Konjunkturdaten aus vielen Euroländern auch an der Notenbank nicht unbemerkt vorbei. Schon jetzt nimmt der Druck auf die EZB zu, eine Wende ihrer Zinspolitik einzuleiten und die Leitzinsen - aktuell bei null Prozent - zu erhöhen. Tut die EZB das, wirkt sich das auch auf Anleihen mit festem Zinskupon aus, die dann im Kurs sinken.



Vor allem für Anleger, die auf regelmäßige Erträge wie eben Zinsen von Anleihen setzen, trübt sich damit die Perspektive ein. Es sein denn, sie setzen auf Aktien aus der Eurozone, die neben Kursgewinnen auch regelmäßige Dividenden ausschütten.



Acht spannende Aktien



Wir haben uns in der Eurozone nach attraktiven Aktien umgesehen. Wesentliches Merkmal musste dabei sein, dass ein Großteil der Umsätze innerhalb der Eurozone erzielt wird. So profitieren die Unternehmen nämlich am stärksten von der sich verbessernden Konjunktur in der Währungsunion. Und gleichzeitig haben sie einen natürlichen Schutzschild gegen die wachsenden Abkoppelungstendenzen der USA.

Sollten die USA Handelsschranken errichten, wären diese Unternehmen viel weniger betroffen als Firmen mit einem hohen Exportanteil in Länder außerhalb der Eurozone, allen voran in die USA.

Deswegen finden sich unter den ausgewählten Aktien weder Autohersteller noch Chemieunternehmen, weil beide Branchen stark exportorientiert sind.

Bis auf die italienische Großbank Unicredit schütten zudem alle Unternehmen attraktive Dividenden aus. Außerdem achteten wir darauf, dass die Aktien - gemessen an fundamentalen Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - nicht zu teuer sind. Die Spannbreite der Papiere reicht von Small Caps bis zu spekulativen Anlagen - eben der Unicredit-Aktie.



Coca-Cola European Partners-Aktie



Vor genau einem Jahr, Ende Mai 2016, ging Coca-Cola European Partners an die Börse. Das Unternehmen mit Sitz in einem Vorort von London entstand aus der Fusion der drei großen Coca-Cola-Abfüller in Europa: Coca-Cola Erfrischungsgetränke GmbH, Coca-Cola Enterprises und Coca-Cola Iberian Partners. Es füllt neben Coca-Cola auch andere Erfrischungsgetränke und Säfte ab und ist ausschließlich in Europa tätig. Der Abfüller agiert relativ unabhängig und wird vom US-Mutterkonzern in Atlanta mit Konzentraten versorgt. Er beliefert rund 300 Millionen Konsumenten und machte zuletzt einen Jahresumsatz von elf Milliarden Euro.

Die Aktie hat sich seit dem Börsengang nicht sonderlich entwickelt und notierte lange unter dem Ausgabepreis von 33,26 Euro. Erst zuletzt hat das Papier etwas an Schwung gewonnen. Gemessen an den fundamentalen Kennzahlen ist die Aktie günstiger bewertet als die des Mutterkonzerns. Zudem bietet das Papier eine Dividendenrendite von 2,3 Prozent. Die Aktie eignet sich vor allem für weniger risikobereite Anleger, die Wert auf regelmäßige Dividenden legen.





Metro-Stammaktie

Dieses Jahr wird für den Handelsriesen Metro Group historisch werden. Der Konzern will sich aufspalten in die Sparten Elektronik (Media-Saturn und Redcoon) sowie Lebensmittel (Real und Metro C & C). Die Anteilseigner der "alten" Metro sollen für jede Metro-Stammaktie eine neue Aktie des Lebensmittelhändlers erhalten (da es von Metro auch Vorzugsaktien gibt, sollten Anleger darauf achten, die Stammaktien zu kaufen). Bei der bisherigen Metro verbleibt die Elektronik unter dem Namen Ceconomy. Die Hauptversammlung hat den Plänen Anfang Februar ihren Segen erteilt.

Die Düsseldorfer sind so etwas wie der Supermarkt Europas. Im Jahr 2016 setzte Metro 22,6 Milliarden Euro in Deutschland um, in Westeuropa (ohne Deutschland) kamen nochmals 19,1 Milliarden dazu. Aber auch in Osteuropa ist das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 12,5 Milliarden Euro stark vertreten. Läuft es rund in Europa, spürt das die Metro Group besonders, weil die Verbraucher dann mehr Geld ausgeben. Die Aktie ist günstig bewertet und bietet eine attraktive Dividendenrendite von 3,3 Prozent.





Ohb-Aktie



Das Thema Raumfahrt ist von hoher strategischer Bedeutung. Deswegen betreiben die Europäer ihr eigenes Weltraumprogramm und haben mit der ESA eine eigene Weltraumbehörde. Viele der ESA-Aufträge landen in Bremen bei OHB. So hat die ESA gerade erst das Unternehmen für den Bau und Test von acht weiteren Satelliten für das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo ausgewählt. Das ist kein Wunder, OHB ist schließlich schon bisher der Hauptauftragnehmer für den Bau von Satelliten des Systems. Galileo ist so etwas wie der europäische Gegenentwurf zum US-amerikanischen Navigationssystem GPS.

OHB ist das einzige börsennotierte Technologie- und Raumfahrtunternehmen in Deutschland und voll auf Europa konzentriert. Dabei arbeiten die Bremer nicht selten mit anderen europäischen Unternehmen zusammen, etwa mit dem italienischen Konzern Leonardo (ehemals Finmeccanica). Wächst Europa weiter zusammen, dürfte auch die OHB-Aktie durch die noch engere Zusammenarbeit der Europäer bei der Raumfahrt profitieren.





Prysmian-Aktie



Egal ob in Deutschland, in Italien oder in Frankreich: Der Ausbau der Infrastruktur steht in den meisten Ländern der Eurozone ganz weit oben auf der ökonomischen Prioritätenliste. Dabei geht es aber nicht nur um Straßen oder Schienen, sondern vor allem auch um den Ausbau der Netze für Telekommunikation und Energie. "Wir müssen vernetzt sein. Unsere Wirtschaft ist darauf angewiesen und die Bürger sind es auch. Deshalb müssen wir jetzt in diese Vernetzung investieren", sagt Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission. Dafür braucht es vor allem eines: Kabel. Und die stammen oft vom italienischen Weltmartkführer Prysmian. Zwar ist das Unternehmen global tätig, sein geschäftlicher Fokus liegt aber auf Europa. Damit befinden sich die Mailänder in der Poleposition für die Verkabelung des anstehenden Netzausbaus in der EU. Prysmian blickt auf eine lange Tradition zurück und verlegte bereits im Jahr 1925 Telegrafenkabel zwischen Italien und Südamerika.

Die Aktie bietet eine Dividendenrendie von 1,7 Prozent. Pro Euro Umsatz müssen an der Börse nur 0,70 Euro bezahlt werden.





Red Eléctrica-Aktie



Energie und Strom werden aufgrund der technologischen Entwicklung immer wichtiger. In Deutschland aber hat die Energiewende gezeigt, wie schnell große Versorger in die Bredouille kommen, wenn die Politik Stromerzeugung anders gewichtet und erneuerbare Energien die konventionelle Erzeugung (Kohle, Gas) sowie die Atomkraft immer mehr ersetzen. Aber egal wie der Strom erzeugt wird - transportiert werden muss er so oder so zum Verbraucher.

Der spanische Konzern Red Eléctrica ist bei seiner Gründung im Jahr 1985 das erste Unternehmen weltweit gewesen, das sich ausschließlich dem Transport von Strom gewidmet hat. In Spanien genießt der Konzern mit Sitz in Madrid dank zweier Gesetze aus den Jahren 1997 und 2007 eine Ausnahmestellung: Die Madrilenen haben das Monopol auf die Hochspannungsnetze des Landes (einschließlich der Kanaren und der Balearen). Da die Konjunktur in Spanien zuletzt deutlich an Fahrt gewonnen hat, steigt der Stromverbrauch - und damit steigen auch die Erlöse des Konzerns. Neben dem Hauptmarkt Spanien setzt der Konzern auf Südamerika.





Saint-Gobain-Aktie



Saint-Gobain ist weltweit eines der ältesten Unternehmen. Vor rund eineinhalb Jahren feierte der französische Baustoffkonzern sein 350-jähriges Jubiläum mit futuristisch anmutenden Pavillons auf der Place de la Concorde in Paris. Vor allem bei Glas haben die Pariser eine europaweite Vormachtstellung und produzieren vom Flachglas über Isolierglas bis hin zu Glasbehältern so ziemlich alles, was mit dem durchsichtigen Werkstoff zu tun hat. Daneben stellen sie aber auch Industriekeramik und Hochleistungskunststoffe her.

Saint-Gobain ist weltweit präsent, erzielt aber rund zwei Drittel des Umsatzes in Westeuropa. Und die Baubranche in Europa gewinnt immer mehr an Fahrt. Vor allem in Deutschland wird eifrig neu gebaut, aber auch Spanien findet langsam aus der langjährigen Baukrise heraus. Und der wichtige französische Heimatmarkt könnte durch den Wahlsieg von Emmanuel Macron zusätzlichen Rückenwind bekommen. Die moderat bewertete Aktie hat gute Perspektiven und zudem eine Dividendenrendite von 2,5 Prozent.





Total-Aktie



Die Tankstellen des französischen Mineralölgiganten Total finden sich in ganz Europa. Im vergangenen Geschäftsjahr setzte der Konzern mit Sitz in Courbevoie bei Paris in Europa 95 Milliarden Euro um, was rund zwei Dritteln seines gesamten Umsatzes entspricht. Das Unternehmen betreibt Tankstellen, fördert aber rund um den Globus auch selbst Öl und Gas. Daneben ist Total auch ein bedeutender Hersteller von chemischen Produkten.

Mit all seinen Geschäftsbereichen hängt der Konzern am Tropf der Konjunktur - Experten sprechen von einem zyklischen Geschäftsmodell. Deshalb profitiert das Unternehmen von den sich verbessernden wirtschaftlichen Perspektiven in Euroland auch besonders stark. Das gibt dem Kurs der Aktie Rückenwind. Diese ist im Vergleich etwa zu US-Ölgiganten deutlich günstiger bewertet: So notiert das Papier nur knapp über dem Buchwert. Zudem werden an der Börse pro Euro erzielten Umsatz gerade mal 0,90 Euro bezahlt. Außerdem punktet das Papier mit einer hohen Dividendenrendite von 5,1 Prozent.





Unicredit-Aktie



Für Jean Pierre Mustier, den neuen Chef der italienischen Großbank Unicredit, läuft alles nach Plan: Die Geschäftszahlen zum ersten Quartal 2017 fielen deutlich besser aus als erwartet. Der Nettogewinn stieg gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresquartal um 40 Prozent auf 907 Millionen Euro. Die Gründe: Zum einen zeigen die von Mustier eingeleiteten Sparmaßnahmen Wirkung, zum anderen fielen die Wertberichtigungen im Kreditgeschäft als Folge fauler Darlehen um zwölf Prozent geringer aus als erwartet. Erst im März dieses Jahres hat Mustier es zudem geschafft, über die größte Kapitalerhöhung in der italienischen Wirtschaftsgeschichte 13 Milliarden Euro einzusammeln. Aktionäre, die sich daran beteiligt haben, dürfen sich freuen: Die neuen Aktien kosteten 8,09 Euro, mittlerweile sind sie rund das Doppelte wert. Die Unicredit mit Sitz in Mailand (Foto) ist neben Italien auch in anderen europäischen Ländern präsent, vor allem in Deutschland über ihre Tochter HypoVereinsbank. Die Aktie ist spekulativ, aber niedrig bewertet. Bleiben die Italiener in der Erfolgsspur, bietet sie noch viel Aufholpotenzial.