Noch steht das Comeback auf tönernen Füßen. Anfang November war es dem Textilfilialist zwar gelungen, die Gläubiger von Schuldscheinen in Höhe von 31 Mio. Euro zu einer Stundung bis Ende Januar zu bewegen. Auch die Banken hielten ihre Kreditlinien so lange offen, teilte Gerry Weber mit, damit werde die "angespannte Finanzierungssituation" stabilisiert. Allerdings tickt die Uhr weiter. Und ohne harte Einschnitte wird es nicht gehen.

Bereits Anfang des Monats hatte der Vorstand in einer Mitarbeiterversammlung erklärt, dass rund 900 der 6.500 Mitarbeiter im Februar die Kündigung bekommen werden. Weitere 170 bis 200 der rund 1300 Filialen werden geschlossen. Um Geld in die Kasse zu bekommen, hatte das Unternehmen kürzlich das Düsseldorfer Orderzentrum "Halle 29" für 36 Millionen Euro an die Bremer Zech-Gruppe verkauft.

Wie eng es um die Finanzen von Gerry Weber bestellt ist, zeigt ein Schreiben von Beginn dieser Woche. Da teilte der neue Vorstandsvorsitzende Johannes Ehling den Mitarbeitern mit, dass die Ankündigung aus der Betriebsversammlung, die zum 30. November fällige "Jahressonderleistung", sozusagen das Weihnachtsgeld, zu streichen, tatsächlich umgesetzt werde. Die Einhaltung des Sanierungsplans sei "nicht denkbar", wenn die tarifvertraglich festgeschriebenen Zahlungen ausgeschüttet würden, stellte Ehling klar. Ob er damit durchkommt, ist allerdings ungewiß. Der Betriebsrat hatte in der Mitarbeiterversammlung zwar versichert, man werde die Sanierung des Unternehmens mittragen. Einem Verzicht auf die Sonderzahlungen werde man sich aber widersetzen. Nun wird wohl prozessiert.

Ehling appelliert an die Mitarbeitervertreter, Einsicht zu zeigen. Das Sanierungskonzept verlange eine deutliche Reduzierung der Personalkosten. Anders sei eine positive Prognose für das Unternehmen hinfällig. Die kreditgebenden Banken hatten auf die Erstellung eines Sanierungsgutachtens gepocht, andernfalls hätten sie die Kreditlinien gestrichen. Die Banken sollen auch darauf drängen, neue Kräfte in den Aufsichtsrat zu holen. Treffen Gerüchte aus dem Markt zu, hat eine Bielefelder Anwaltskanzlei zu verschiedenen Wunschkandidaten Kontakt aufgenommen.

Dazu sollen auch der sanierungserprobte Vorstandsvorsitzende von Francopostalia, Rüdiger Günther, und der gerade beim Augsburger Roboterhersteller Kuka im Streit mit den chinesischen Eigentümern ausgeschiedene Till Reuter gehören. Beide waren für eine Stellungnahme allerdings nicht zu erreichen. Einstweilen bevölkern Sanierungsberater die Hauptverwaltung in Halle. Folgt man dem Betriebsrat, wird die Sanierung zweispurig betrieben. Einerseits in Richtung Sanierung und Erhalt, anderseits in Richtung Komplettverkauf.

Bis Ende Januar sind es nur noch gut zwei Monate. Der Umschwung muss beherzt angegangen werden. Sonst könnte sich der jüngste Kursaufschwung als Blase herausstellen, die mit einem genauso großen Knall platzt, wie der, den der Pförtner der Gerry Weber Verwaltung am 22. November um kurz nach 19.00 Uhr hörte, als der Fahrer einer Spedition aus Versmold in einer Linkskurve offenbar die Kontrolle über seinem Laster samt Anhänger verlor und auf die Seite krachte.

Sollte in den nächsten Tagen tatsächlich die Berufung von dem in Ostwestfalen verwurzelten Günther (er war 13 Jahre in der Geschäftsleitung von Claas), Reuter oder einer ähnlichen Persönlichkeit erfolgen, wäre das ein gutes Signal, um sich (weiter) in der Gerry-Weber-Aktie zu engagieren. Ansonsten sollte man angesichts des Damoklesschwertes der Schuldscheindarlehen einstweilen lieber die Finger von dem Titel lassen.

rtr