Der Aufstieg des Safra-Clans zum mächtigsten Bankhaus des Osmanischen Reichs begann vor über hundert Jahren. Joseph Safras Ururgroßvater finanzierte damals Kamelkarawanen und den Handel im Mittleren Osten, vor allem zwischen den Städten Alexandria, Aleppo und Istanbul, er mischte Im Goldhandel mit und galt als Pionier des "Global Banking". Safra ist übrigens die arabische Bezeichnung für Gold.

Joseph Safra wurde 1938 in Beirut als jüngstes von neun Kindern in eine Familie orientalischer Juden geboren. Beirut wurde nun zum neuen Sitz des Banken-Imperiums. Später ließ sich die Familie in Brasilien nieder, wo Joseph die Banco Safra gründete, aus der später eine der größten Privatbanken Brasiliens wurde.

Während sich Joseph in Brasilien um die Banco Safra kümmerte, baute sein Bruder Edmond auf eigene Faust in Europa und in den USA eine weltweit agierende Bankengruppe auf. Der 24-Jährige gründete in Genf mit gerade einer Million Dollar die Trade Development Bank und zehn Jahre später die Republic Bank of New York.

Edmond wurde nach dem Tod des Vaters in 1963 der "Golden Boy" des Familien-Clans. Seine Republic Bank war extrem erfolgreich, zu Beginn der achtziger Jahre verwaltete sie Assets im Wert von über fünf Milliarden Dollar und wurde später hinter Citibank und Chase Manhattan die drittgrößte Bank in New York.

Edmond, damals schon Multimilliardär, wurde zum Privatbankier und Vermögensverwalter der Superreichen, und man sagte von ihm, dass er all die Geheimnisse der Finanzwelt kannte. Er wusste, dass er in dieser Welt des Geldadels auch Feinde hatte. So wurde er zum Opfer einer weltweiten Verleumdungskampagne von American Express, die dazu führte, dass American Express sich öffentlich entschuldigen und acht Millionen Dollar an eine Wohltätigkeitsorganisation bezahlen musste.

Edmond, ein untersetzter, kahler Gentleman, der sich in den Nervenzentren der Finanzwelt sichtlich wohler fühlte als auf dem gesellschaftlichen Parkett, war bereits über 40, als er heiratete. Seine Brüder hatten ihn immer dazu gedrängt, sich eine Frau zu nehmen, Kinder zu haben und so die Safra-Dynastie weiterzuführen. Aber Edmond, der als der brillanteste Banker seiner Zeit galt und den Forbes zu den 200 Reichsten der Welt zählte, lebte in ständiger Angst, nur wegen des Geldes geheiratet zu werden. Schließlich verliebte er sich in die brasilianische Milliardenerbin und Society-Lady Lily Monteverde, die er 1976 ehelichte - sehr zum Leidwesen seiner Brüder. Diese fanden nämlich, dass Lily nicht zu ihm passe und zudem zu alt sei, um noch Kinder gebären zu können.

Am 3. Dezember 1999 starb Edmond, der an Parkinson litt, in Monte Carlo im Badezimmer seiner Penthouse-Wohnung, das er zu einer Art Bunker ausgebaut hatte. In dem Penthouse war Feuer ausgebrochen, Edmond starb zusammen mit einer seiner Krankenschwestern an einer Rauchvergiftung. Die Nachricht erschütterte die Finanzwelt, und bald wurden Spekulationen laut, dass palästinensische Terroristen oder die russische Mafia den Brand gelegt hätten. Schließlich gestand einer seiner Krankenpfleger, ein ehemaliges Mitglied der US-Special Forces, das Feuer, das schließlich auf die ganze Wohnung übergriff, in einem Abfalleimer absichtlich entfacht zu haben. Der Polizei erzählte er später: "Ich wollte meinen Boss aus dem Feuer retten und so seine Dankbarkeit gewinnen."

Der Krankenpfleger wurde zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Aber viele Fragen blieben nach Edmonds Tod unbeantwortet. Wo waren zum Beispiel seine vielen Leibwächter in dieser Nacht?

Joseph Safra wurde nach dem Tod seines Bruders zum Chef des Clans. Seit 2006 ist er Alleinherrscher über die J. Safra Group. Kernstück des Clan-Vermögens sind Finanzdienstleister in 19 Ländern, darunter in Brasilien, in den USA und in der Schweiz. Dort hält Safra seit 2000 mit dem Kauf der Uto-Bank eine Banklizenz. Außerdem übernahm Joseph Safra für 1,1 Milliarden Dollar die ehemalige Rabobank-Tochter Sarasin, die Basler Traditionsbank, die jetzt als Bank J. Safra Sarasin firmiert.

Ein großes Portfolio mit über 100 Immobilien in der ganzen Welt gehört dem Familien-Clan, etwa Grundstücke in den USA oder der in London vom Star-Architekten Norman Foster für die Swiss Re erbaute Wolkenkratzer, vom Volk spöttisch "The Gherkin" (die "Gurke") genannt. Über eine Milliarde Franken soll ihn dieses Londoner Wahrzeichen gekostet haben. Auch ein Anteil von 50 Prozent am multinationalen Agrarkonzern Chiquita Brands International zählt zu Joseph Safras Investitionen. Die Beteiligung an der brasilianischen Mobilfunkgesellschaft BCP - zusammen mit dem amerikanischen Telekommunikationskonzern BellSouth - erwies sich dagegen als Flop. Die verlustreiche BCP wurde schließlich an den mexikanischen Tycoon Carlos Slim verkauft.

Joseph Safra ist verheiratet und hat vier Kinder. Seine Söhne haben heute leitende Management-Funktionen in der J. Safra-Gruppe.