Albert Frère, 1926 im belgischen Fontaine-l’Evêque geboren, wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater besaß einen Kleinbetrieb, der mit Eisenwaren handelte. Der kleine Albert musste schon sehr früh in der Firma mitarbeiten. Ab 1941, nachdem die deutsche Wehrmacht Belgien erobert hatte, die Eisenbahnen beschlagnahmt waren und es für Lastwagen kein Benzin mehr gab, lieferte Albert die Ware zum Teil mit der Straßenbahn und später mit dem Fahrrad aus. Nachdem sein Vater früh verstorben war, musste Albert als Siebzehnjähriger seiner Mutter helfen, das kleine Unternehmen zu führen.

Nach Kriegsende verkaufte Albert Metallschrott aus den zerbombten Häusern an Stahlwerke und stieg mit seinem kleinen Unternehmen ins Exportgeschäft für Metallwaren und Rohstoffe ein. Er kaufte größere Mengen an Stahl zusammen und warb in der ganzen Welt um Käufer. Sein erster großer Deal: Venezuela orderte bei ihm 1000 Tonnen. Bei der Wahl seiner Kunden war der Jungunternehmer nicht zimperlich - er lieferte den begehrten Rohstoff auch ins kommunistische China. Als 1950 der Koreakrieg ausbrach, ahnte Frère, dass die globale Nachfrage nach Stahl bald massiv anziehen würde. Er erwarb mit dem verdienten Geld Beteiligungen an Walzwerken und Schmieden und wurde zum Stahlbaron. Auf seinem Zenit als Unternehmer Ende der 70er-Jahre kontrollierte er die komplette Stahlindustrie der Region Charleroi. Die Geschäfte florierten, Frère wurde sehr reich. Aber als einer der Ersten erkannte er die heraufziehende Stahlkrise, verursacht durch weltweite Überkapazitäten und den ruinösen Wettbewerb. Er stieß seine Beteiligungen 1983 rechtzeitig an den belgischen Staat ab und baute mit dem Verkaufserlös ein Investment-Imperium auf.

1981 gründete er zusammen mit dem kanadischen Investor Paul Desmarais die Genfer Finanzholding Pargesa SA. Sein erstes Übernahmeziel war eine andere Holding, nämlich die belgische Groupe Bruxelles Lambert (GBL), die bereits seit 1956 im belgischen Leitindex BEL20 vertreten ist. Zum Zeitpunkt der Übernahme war GBL an Banken, Versicherungen, Ölkonzernen und Medienunternehmen beteiligt. Frère reihte jetzt Deal an Deal. "Er folgt seiner Spürnase, die ihn noch nie im Stich gelassen hat", zitiert das Handelsblatt einen Mitarbeiter. Seine bevorzugte Investmentstrategie: Er erwarb Anteile an lokalen Unternehmen, die er gegen Anteile an multinationalen Konzernen eintauschte. Aus einem Anteil am belgischen Versorger Electrabel entstand etwa GDF Suez (heute Engie), aus der belgischen Petrofina nach Fusionen mit Total und Elf der französische Ölmulti Total.

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Cleverer Schachzug



Der erfolgreichste Deal nach diesem Muster gelang ihm übrigens in Deutschland. Er tauschte 30 Prozent seiner Anteile an RTL gegen 25 Prozent der Stimmrechte an dem nicht börsennotierten Medienkonzern Bertelsmann. Anschließend setzte er die Inhaberfamilie Mohn unter Druck, indem er einen Börsengang forcierte. "Dem damaligen CEO Thomas Middelhoff schwatzte Frère eine Klausel ab, die ihn berechtigte, seine Aktien ab Mai 2006 an die Börse zu bringen", schrieb das "Manager Magazin". Die Familie stemmte sich aber gegen einen Börsengang und kaufte dem unbequemen Teilhaber die Anteile für rund 4,5 Milliarden Euro wieder ab - der Belgier machte dabei einen Gewinn von 2,4 Milliarden Euro. Zwei deutsche Unternehmen gehören zur Zeit zum Portfolio von Albert Frère: Adidas (er besitzt einen Anteil von 7,5 Prozent) und der Anlagenbauer Gea (5,3 Prozent). Einen ersten Adidas-Anteil von drei Prozent hatte er 2015 gekauft, nachdem der Sportartikelhersteller die Anleger mit einer Gewinnwarnung geschockt hatte. Später stockte er seine Beteiligung auf 7,2 Prozent auf und konnte sich über satte Kursgewinne freuen.

Ein ähnliches Potenzial sieht der Investor wohl auch bei Gea. Er kaufte im August 2017 drei Prozent der Stimmrechte, nachdem der Anlagenbauer zwei Gewinnwarnungen herausgegeben hatte, und erhöhte die Beteiligung Ende des Jahres auf 5,3 Prozent. Gea sei die Nummer 1 oder 2 auf vielen Märkten weltweit und profitiere von langfristigen Wachstumstrends, erklärte Frères Holding GBL.

Frère gilt als aktivistischer Investor. Er habe seinen eigenen "Gentleman Activism" geprägt, so das "Manager Magazin": weniger krawallig als Carl Icahn, geduldiger und freundlicher als Elliott-Patriarch "Paul Singer", der Gegner durch Privatdetektive ausforschen lasse. Er investiert nur in Firmen, in denen er sich willkommen fühlt - der Belgier gilt damit als das europäische Pendant zu Warren Buffetts Investmentholding Berkshire Hathaway, die ebenfalls feindliche Übernahmen und Konflikte meidet. Auch Privatanleger können sich an seiner Groupe Bruxelles Lambert (GBL) beteiligen. Im Gegensatz zu anderen prominenten Beteiligungsgesellschaften steht GBL nicht nur einer vermögenden Kundschaft offen, jeder kann die Aktie kaufen. In den vergangenen 20 Jahren brachte die GBL-Aktie 7,5 Prozent Rendite pro Jahr, rechnete das "Manager Magazin" vor. Der europäische Leitindex Stoxx 600 schaffte nur gut fünf Prozent, beides einschließlich reinvestierter Dividenden.

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Der Letzte macht das Licht aus



Albert Frère gilt als geizig. Er gibt gern zu, dass er noch immer das Licht ausschaltet, wenn er einen Raum verlässt. Er hatte selbst als mehrfacher Millionär Wutausbrüche, wenn er erfuhr, dass eine Lampe in seinen Büros die ganze Nacht gebrannt hatte. "Meine Mutter schimpfte immer: ‚Mach das Licht aus - wir sind nicht die Familie Rothschild‘".

"Understatement bis zur Selbstverleugnung und ans Absurde grenzende Sparsamkeit", stellte die Presse bei Albert Frère fest. Wenn Frère das Logo von Adidas entworfen hätte, gäbe es wohl nur einen einzigen Streifen ...

2015 hat sich der Milliardär offiziell aus der Führung seines Unternehmens zurückgezogen. Co-CEO von GBL ist sein Schwiegersohn Ian Gallienne, Mitbegründer der Private-Equity-Firma Ergon Capital und verheiratet mit Frères Tochter Ségolène. Am liebsten verhandelt Frère, der 1994 vom belgischen König zum Baron ernannt worden war, auf dem Golfplatz oder bei einem Glas Wein, denn er hat eine Vorliebe für gutes Essen und gute Weine. Er besitzt zusammen mit dem Louis-Vuitton-Eigner Bernard Arnault das berühmte Weingut Château Cheval Blanc in Saint-Émilion. Dort hat er sogar schon den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Weinprobe empfangen. Die Auktionspreise für eine Flasche dieses Bordeaux-Weins liegen übrigens im Bereich von 2500 bis 3000 Euro.