Die Coronavirus-Krise belastet auch den Versicherer Allianz. Allein die Schäden durch den Ausfall großer Veranstaltungen, geschlossene Fabriken, Zahlungsausfälle von Lieferanten und abgesagte Reisen dürften sich auf bis zu 1,1 Milliarden Euro summieren und den Gewinn im Konzern um zehn Prozent drücken, wie Finanzvorstand Giulio Terzariol am Dienstag mitteilte.

Bislang schlägt die Pandemie bei den Münchenern mit 700 Millionen Euro zu Buche. Die größte Sparte des Konzerns, die Schaden- und Unfallversicherung, leidet mit rund 400 Millionen besonders stark unter den Auswirkungen der Pandemie: Abgesagte Großveranstaltungen und Policen gegen Stillstand in Betrieben kosteten die Münchener jeweils rund 200 Millionen Euro. Ausfälle beim Kreditversicherer Euler Hermes und in der Reiseversicherung kommen zusammen auf 100 Millionen Euro. Ein Plus von 100 Millionen Euro hingegen in der Autoversicherung - durch die Ausgangsbeschränkungen kam es zu weniger Unfällen.

Die hohen Ausgaben im Zuge der Coronavirus-Pandemie zeigen sich bei der Schaden-Kosten-Quote. Diese stieg im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr von 93,7 auf 97,8 Prozent. Ohne Naturkatastrophen und Corona-Schäden hätte sie bei 94 Prozent gelegen, erklärte Terzariol in einer Telefonkonferenz. Diese Kennzahl gibt an, wie profitabel eine Versicherung arbeitet. Dabei wird das Verhältnis zwischen Aufwendungen für Schäden, Verwaltung und Abschlusskosten einerseits und den Prämieneinnahmen auf der anderen Seite dargestellt. Je geringer die Schaden-Kosten-Quote, desto profitabler ist die Versicherung.

In der Schaden- und Unfallversicherung sank das operative Ergebnis um 29 Prozent auf eine Milliarde Euro. Für das Gesamtjahr rechnet Terzariol in dieser Sparte damit, dass das versicherungstechnische Ergebnis um 15 bis 20 Prozent unter den geplanten 5,6 Milliarden Euro liegen dürfte.

Gewinn bricht ein


Im Gesamtkonzern fiel der operative Gewinn wie angekündigt um 22 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Der Überschuss brach um 29 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro ein. Analysten hatten dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge mit 1,6 Milliarden Euro gerechnet. Der Gesamtumsatz legte allerdings um 5,7 Prozent auf 42,6 Milliarden Euro zu. Hier hatten Experten mit nur 40,5 Milliarden gerechnet.

Eine neue Gewinnprognose für das laufende Jahr gibt es immer noch nicht. Der Konzern geht weiterhin nicht davon aus, das ursprüngliche Ziel von 11,5 bis 12,5 Milliarden Euro zu erreichen. Das operative Ergebnis dürfte damit zum ersten Mal seit 2011 sinken. Ein neues Ziel werde es erst geben, wenn sich die Folgen der Pandemie besser abschätzen ließen, erklärte der Versicherer. Bereits Ende April hatte die Allianz die Prognose gestrichen. Berenberg-Analyst Michael Huttner hält einen operativen Gewinn von 10,3 Milliarden Euro für erreichbar

Auch in den Kapitalanlagen hinterlässt die Pandemie Spuren. Die Solvenzquote der Allianz sank von Ende Dezember bis Ende März unerwartet stark auf 190 (Vj.: 212) Prozent. Die Quote, der Maßstab für die Kapitalpuffer in der Bilanz, könne in den nächsten Monaten auch unter die interne Mindestschwelle von 180 Prozent fallen, räumte Terzariol ein. Das Polster unrealisierter Gewinne in den Bilanzen schmolz binnen drei Monaten um sechs Milliarden auf 11,7 Milliarden Euro zusammen.

BaFin sieht Versicherer in der Krise stabil


Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) macht sich um die Widerstandskraft der Versicherer keine allzu großen Sorgen. "Die Krise setzt den Unternehmen in der Kapitalanlage zusätzlich zu, existenzbedrohend ist die Situation aber aus heutiger Sicht nicht", sagte BaFin-Chef Felix Hufeld. Das könne sie nur werden, falls die Bewertungen an den Märkten über längere Zeit im Keller blieben. Die Allianz habe Aktien für fünf Milliarden Euro verkauft, um nicht in den Abwärtsstrudel gezogen zu werden, sagte Terzariol.

Heftig umstritten ist in der Krise, ob Versicherer für Produktionsausfälle und geschlossene Restaurants zahlen müssen. Sie sind eine Folge der behördlich verfügten Schließungen, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Die Branche steht auf dem Standpunkt, dass ein solches Szenario in den meisten Policen ausgeschlossen ist und sie daher nicht einstehen muss. "Es wäre naiv zu denken, dass Versicherer eine Pandemie abdecken können", sagte Terzariol. Das würde sie überfordern. Sie bräuchten Hilfe der Regierungen, um ein solches Risiko zu tragen.

BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund springt den Versicherern bei: Dass die Betriebsschließungs-Policen nicht für den Schutz vor einer Pandemie konzipiert seien, lasse sich eigentlich schon an den Tarifen ablesen. Allerdings seien viele Verträge unklar formuliert. Grund sprach sich deshalb für Kulanzlösungen aus, um teure Verfahren zu vermeiden und die Kunden nicht zu verprellen. In Bayern hatten sich einige Versicherer um die Allianz mit dem Hotel- und Gaststättenverband geeinigt; einigen Gastronomen reicht das aber nicht.

Marktturbulenzen belasten


Von den bislang 700 Millionen Euro Corona-Kosten fielen 300 Millionen in der Lebens- und Krankenversicherung an. Die Sparte werde vor allem durch die Entwicklung an den Kapitalmärkten belastet, sagte Terzariol. Mit einer höheren Sterblichkeit habe das nichts zu tun. Das operative Ergebnis sank um 25 Prozent. "Die Neugeschäftsmarge in unserem Geschäftsbereich Lebens- und Krankenversicherung hat sich im ersten Quartal 2020 sehr gut behauptet, und der Umsatz konzentrierte sich auf unsere bevorzugten Geschäftsfelder", sagte Giulio Terzariol. "Andererseits spiegelt unser operatives Ergebnis die Turbulenzen auf dem Finanzmarkt wider."

In der kleinsten Sparte, der Vermögensverwaltung, konnte die Allianz den operativen Gewinn um knapp 19 Prozent steigern. Doch auch hier sind die Aussichten nicht besonders rosig. So verwalteten die beiden Fondsgesellschaften Pimco und Allianz Global Investors für externe Kunden nur noch 1,56 Billionen Euro, 129 Milliarden weniger als noch Ende Dezember. Kunden zogen vor allem im März 46,6 Milliarden Euro an Geldern aus den Fonds ab. "Wir haben gegen Ende des ersten Quartals 2020 Gegenwind von den Finanzmärkten beobachtet, der in den kommenden Quartalen anhalten kann", sagte Terzariol. Die Sparte werde "ein bisschen" unter den für 2020 geplanten 2,7 Milliarden Euro Gewinn liegen. "Aber das kann sich alles schon in einer Woche ändern", schränkte der Finanzchef ein.

Einschätzung der Redaktion


Die Coronavirus-Krise hinterlässt bei der Allianz schwere Schäden. Die Quartalszahlen, und insbesondere die überraschend niedrige Solvenzquote, kamen am Dienstag am Markt nicht gut an. Die Allianz-Aktie fiel mehr als drei Prozent auf den niedrigsten Stand seit Anfang April.

Im Zuge des Corona-Crashs ließ auch das Papier der Münchener deutlich Federn. Von in der Spitze 226 Euro Mitte Februar fiel der Kurs bis auf 117 Euro knapp einen Monat später. Damit zählt die Aktie zu den größten Verlierern im deutschen Leitindex. Seitdem erholte sich der Kurs nur leicht.

Mit einem Börsenwert von zuletzt rund 66 Milliarden Euro gehört der Allianz-Konzern aber immer noch zu den Schwergewichten im Dax. In unsicheren Zeiten eignet sich die Allianz-Aktie - nicht zuletzt wegen der hohen Dividende - als solides Basisinvestment. Kaufen.

Mit Material von Reuters und dpa-AFX