"In einem Umfeld historisch niedriger Zinsen und volatiler Kapitalmärkte ist eine Anpassung der Überschussbeteiligung unumgänglich", begründete die Stuttgarter Allianz-Tochter den unerwartet großen Schritt. Viele Versicherer warten vor der Festlegung ihrer Verzinsung auf den Marktführer.

"Wir haben eine Überschussbeteiligung herausgelegt, die sich im Marktumfeld sehen lassen kann", sagte Allianz-Leben-Produktvorstand Alf Neumann der Nachrichtenagentur Reuters. Mit 3,1 Prozent dürfte sie über dem Marktdurchschnitt liegen, wie Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata glaubt. "Branchenweit dürfte die laufende Verzinsung auf 2,9 bis 3,0 Prozent sinken", sagt der Branchenexperte. Im laufenden Jahr hatte sie noch bei 3,15 Prozent gelegen.

Der Schritt nach unten könnte bei Allianz Leben anders als in den Vorjahren größer ausfallen als bei vielen kleineren Rivalen. "Die Absenkung bei der Allianz werte ich als bewusste Vorsichtsmaßnahme", sagte Heermann. Für viele Anbieter bringe eine stärkere Reduzierung der Überschussbeteiligung kaum mehr Vorteile. Sie müssen Kunden mit Altverträgen aus den Jahren bis 2003 ohnehin mehr Zinsen zahlen, weil der Garantiezins bis dahin bei 3,25 Prozent und mehr lag. Drei Prozent seien eine Schwelle, die viele nicht unterschreiten wollten. "Dann gilt es den Nutzen gegen den drohenden Imageverlust abzuwägen."

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DIE VIER VOR DEM KOMMA IST GEFALLEN



Mit der Überschussbeteiligung werden die Kunden an Gewinnen beteiligt, die ein Lebensversicherer durch die Anlage der Beiträge erwirtschaftet. Einschließlich des Schlussüberschusses, der erst am Ende der Laufzeit des Vertrages fällig ist, und der Beteiligung an den Bewertungsreserven bietet Allianz Leben für 2016 eine Gesamtverzinsung von 3,7 Prozent auf den Sparanteil der Police, der 80 bis 85 Prozent der Beiträge ausmacht. 2015 hatte sie die Vier vor dem Komma gehalten, für 2014 hatte sie noch 4,2 Prozent gezahlt.

Der Abwärtstrend bei den Renditen dürfte auch an den neuen Eigenkapitalregeln für die Branche ("Solvency II") liegen, die in der EU im Januar in Kraft treten. Sie machen langfristige Garantien noch teurer. Dabei schaffen viele Versicherer es schon jetzt nur mit Mühe, den Garantiezins von 1,25 Prozent abzusichern, da die Renditen auf sichere Staatsanleihen darunter liegen. Die EU-Versicherungsaufsicht EIOPA macht die niedrigen Zinsen als das größte Problem der Branche aus. Denn im Schnitt liegt der Garantiezins in den Vertragsbeständen noch bei 3,05 Prozent, bei Allianz Leben sind es 2,9 Prozent.

Viele Versicherer versuchen den Kunden deshalb vorzugsweise Versicherungen zu verkaufen, die ohne lebenslange Garantien auskommen. Bei Allianz Leben macht die neue Produktgeneration ("Perspektive") laut Neumann in diesem Jahr mehr als ein Drittel des Neugeschäfts aus und hat die klassischen Garantieverträge überholt. Für "Perspektive" liegt die Gesamtverzinsung nächstes Jahr bei 4,0 (2015: 4,3) Prozent und damit wie versprochen 0,3 Prozentpunkte höher als bei konventionellen Verträgen.

Mit den neuen Produkten würden unterschiedliche Anbieter für die Kunden schwerer vergleichbar, sagt Assekurata-Experte Heermann. "Die Überschussbeteiligung wird als Marketing-Instrument an Bedeutung verlieren, weil viele Anbieter klassische Policen nur noch sehr zurückhaltend verkaufen. Als Maß für die Stärke des Anbieters ist sie für die Kunden aber immer noch wichtig, zumal auch die Rendite 'neuer klassischer' Produkte und die von Index-Policen davon abhängt."

Reuters