Herr Schneider, die Griechenland-Krise spitzt sich weiter ungelöst. Nun hoffen die Verhandlungspartner auf eine Lösung beim Euro-Finanzministertreffen am Montag. Wenn es auch da keine Einigung geben soll: Wie schlimm kann es noch werden?

Griechenlands Wirtschaft war 2014 auf dem Weg der Besserung. Die Konjunktur erholte sich, die Arbeitslosigkeit ging sogar bereits leicht zurück. Das alles steht jetzt auf dem Spiel. Die Sparer ziehen ihr Geld ab, Investitionsentscheidungen werden mit Sicherheit aufgeschoben. Eine neue Rezession droht. Wenn es zwischen den Geldgebern und Griechenland zu keiner Einigung kommt, werden die Folgen für Griechenland immens sein. Die Folgen würden wahrscheinlich über die Einschnitte, die die Bevölkerung Griechenlands in den letzten Jahren zu ertragen hatte, noch weit hinausgehen.

Die neue griechische Regierung fordert mehr Zeit und drängt dabei auf zahlreiche Zugeständnisse, darunter einen Überbrückungskredit, um eine mögliche Staatspleite abzuwenden. Außerdem soll offenbar das Sanierungsziel des Staatshaushalts aufgegeben werden. Sollte die EU diesen Forderungen nachkommen?

Die EU sollte weiterhin darauf bestehen, dass Griechenland die getroffenen Vereinbarungen einhält. Um weitere Kredite an Griechenland zu geben - sei es zur Überbrückung oder auf längere Sicht -, bedarf es einer klaren Bereitschaft Athens den Reform- und Konsolidierungskurs fortzusetzen. Die Zielmarke des Primärüberschusses um 3 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent zu senken, würde mit Haushaltsdefiziten (einschließlich Zinszahlungen) von 2 bis 3 Prozent einhergehen. Dabei hatte Griechenland schon in diesem Jahr recht gute Aussichten auf einen völligen Ausgleich des Haushalts. Ein Abbau der hohen Staatsschuldenquote kann mit einem Primärüberschuss von 1,5 Prozent nur langsam vorankommen.

In den vergangenen Wochen ist auch die Diskussion um einen Grexit wieder hochgeschwappt. Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Austritt der Griechen aus der Eurozone?

Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro ist nach meiner Einschätzung nach wie vor wenig wahrscheinlich. Zu gewaltig wären die Kosten für Griechenland. Ich erwarte, dass die griechische Politik wieder einen pragmatischeren Kurs einschlagen wird.

Auf Seite 2: Wie es jetzt an den Börsen weitergeht


Welche Entwicklung erwarten Sie an den Börsen für die kommenden Wochen: Wird die politische Entwicklung in Griechenland sowie der Ukraine die Berichtssaison weiter überlagern?

Angesichts der Turbulenzen um Griechenland und des schwerwiegenden Konflikts in der Ukraine haben die Börsen bisher noch überraschend mäßig reagiert. Das kann sich natürlich in den nächsten Wochen ändern und bei einer weiteren Zuspitzung der Lage zu erheblichen Schwankungen an den Märkten führen. Allerdings haben sich die konjunkturellen Aussichten in Europa durch den Ölpreissturz und die Abwertung des Euro deutlich verbessert, was in der Tendenz für weiter aufwärtsgerichtete Börsen spricht.

Sollte es zu einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone kommen: Was würde das für die Börsen bedeuten: Müssten sich Anleger dann auf einen knallenden Crash einstellen?

Einen Crash außerhalb des griechischen Marktes sehe ich nicht, mit zeitweiligen Rückschlägen an den Börsen und einer hohen Marktvolatilität ist aber zu rechnen. Zu Ansteckungseffekten wie in der Krise 2011/2012 dürfte es angesichts der inzwischen installierten Schutzmechanismen und des Vertrauens der Märkte in die Tatkraft der EZB nicht kommen.

Auf Seite 3: Was ein Grexit für die Eurozone bedeuten könnte



Was würde ein möglicher Grexit für die Zukunft des Euro bedeuten: Wäre die Gemeinschaftswährung dann überhaupt noch zu retten?

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass andere Länder einem Austritt Griechenlands aus dem Euro folgen würden, zumal sehr schnell sichtbar würde, welche Konsequenzen dies für die Wirtschaft Griechenlands hat. Spätestens nachdem Irland und Portugal die Rückkehr an den Kapitalmarkt geschafft haben, ist Griechenland ein Einzelfall. Der Euro ist nicht gefährdet.

Sollte Griechenland die Eurozone verlassen: Wie schlimm wären die Folgen einer solchen Entscheidung für die griechische Wirtschaft und die Bevölkerung auf Sicht von drei bis fünf Jahren?

Die extrem scharfe Rezession, die Griechenland nach einem Euro-Austritt insbesondere infolge einer Insolvenzwelle bei Unternehmen und des zu erwartenden Staatsbankrotts erleiden würde, wäre auf Sicht von drei bis fünf Jahren kaum aufzuholen. Die eingetretenen Vermögens- und Einkommensverluste blieben erhalten. Die Arbeitslosigkeit wäre vermutlich noch weitaus höher als heute. Belasten dürften auch die Unklarheiten über die politischen Beziehungen Griechenlands zu Europa. Griechenland müsste sich auch bei einem Verbleib in der EU neu orientieren.