Darf ein Unternehmen, das Staatshilfen in Millionen-Höhe bezogen hat und noch beziehen wird, Dividende und Boni ausschütten? Mit dieser Frage beschäftigt sich gerade dieser DAX-Konzern. Der Vorstand steckt nun in einer Zwickmühle. Die Aktie fällt...

Der Gesundheitskonzern Fresenius untersucht, ob er wegen der erhaltenen Staatshilfe für das laufende Jahr möglicherweise keine Dividenden oder Boni zahlen darf. Das entsprechende Gesetz sei "komplex und teilweise unklar", sagte Fresenius-Chef Michael Sen in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS). "Das führt zu erheblichen Auslegungsunsicherheiten." 

Fresenius prüfe die entsprechenden Regelungen und die Rechtsfolgen gegenwärtig sehr sorgfältig, ergänzte ein Sprecher. Dabei werde man sich auch mit der jüngst eingerichteten Prüfbehörde austauschen. "Erst auf der Grundlage einer solchen sorgfältigen Prüfung wird Fresenius die erforderlichen Entscheidungen – auch zur Frage der Ausgleichszahlungen im zweiten Halbjahr 2023 – treffen."

Größte Krankenhausgruppe Deutschlands bezieht Staatshilfen

Zu Fresenius gehört der Krankenhaus-Betreiber Fresenius Helios – mit 87 Krankenhäusern, mehr als 30.000 Betten und zuletzt sieben Milliarden Euro Umsatz die größte Krankenhausgruppe in Deutschland. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat Fresenius bereits 88 Millionen Euro an Staatshilfe zum Ausgleich für gestiegene Energiekosten eingestrichen. Die Regelungen der Energiehilfen sehen indes höchstens Werte von 25 Millionen Euro für die Auszahlung von Boni an Manager und 50 Millionen für die Ausschüttung von Dividenden vor. Laut Geschäftsbericht könnte der Konzern im zweiten Halbjahr weitere Ausgleichszahlungen in Anspruch nehmen.

Nach Berechnungen vom Handelsblatt stehen der Kliniktochter für den Zeitraum Oktober 2022 bis April 2024 geschätzt noch mehr als 300 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen zu. Auch konzernintern wird mit dieser Summe kalkuliert, bestätigen Konzernkreise.

Entscheidung "im Sinne unserer Aktionäre"

Der Fresenius-Vorstand ist nun in einer Zwickmühle. Im Raum steht die Frage, ob das Unternehmen wegen der Staatshilfe für 2023 keine Boni und keine Dividenden zahlen darf. Oder ob auf weitere Staatshilfen verzichtet werden soll. Fresenius-Chef Michael Sen schloss nicht aus, möglicherweise vor Gericht zu ziehen: "Wir werden uns das am Ende sehr genau anschauen und auf der Grundlage einer sorgfältigen Abwägung die erforderlichen Entscheidungen treffen, und zwar im Sinn der Wertsteigerung des Unternehmens und unserer Aktionäre", sagte er der FAS auf eine entsprechende Frage. 

Für das vergangene Jahr hatte Fresenius eine unveränderte Dividende von 92 Cent je Aktie gezahlt und dabei insgesamt 518 Millionen Euro ausgeschüttet. Daraus ergibt sich mit Schlusskurs vom Freitag eine Dividendenrendite von 3,1 Prozent. Erklärtes Ziel des Managements ist es, die Dividende am währungsbereinigten Wachstum des Gewinns je Aktie zu orientieren, mindestens aber das Vorjahresniveau zu halten.

Zudem hat der US-Finanzinvestor KKR Interesse am Kauf der Kinderwunsch-Klinikkette Eugin von Fresenius. Eine mögliche Übernahme würde Eugin mit rund 500 Millionen Euro bewerten, berichtete die spanische Zeitung Cinco Dias am Montag unter Berufung auf Finanzkreise. KKR würde die Kliniken zusammen mit einem spanischen Partner kaufen, hieß es weiter.

Die Aktie von Fresenius ist am Montag-Vormittag in freundlichem Umfeld mit einem Kursabschlag von fast vier Prozent auf 28,32 Euro Schlusslicht im DAX.

Fresenius (WKN: 578560)

Rutsch unter 50-Tage-Durchschnitt

Mit dem aktuellen Kursrutsch unter die 50-Tage-Line (bei 29,23 Euro) hat sich auch das kurzfristige Chartbild für Fresenius eingetrübt. Doch bereits bei 27,80 Euro trifft die Fresenius-Aktie auf technische Unterstützung. Sollte diese nicht halten, würde der GD200 bei 27 Euro eine weitere Stütze darstellen.

Zwei Analysehäuser bleiben derweil optimistisch. Zum einen hat die US-Bank Citigroup Fresenius nach einer hauseigenen Branchenveranstaltung am Donnerstag auf "Buy" mit einem Kursziel von 38 Euro belassen. Laut Aussagen des Konzernchefs gebe es weitere Fortschritte bei der Vereinfachung der Unternehmensstruktur durch den Verkauf von Aktivitäten, schrieb Analystin Veronika Dubajova in einer aktuellen Studie. Das daraus resultierende Potenzial für den Gesundheitskonzern werde am Markt immer noch großteils unterschätzt.

Auch die Privatbank Berenberg hält Fresenius weiterhin für kaufenswert und hat ein Kursziel von 44,50 Euro ausgegeben. Das Diagnostik-Geschäft im Medizintechnik-Sektor nähere sich einem stabilen Zustand, und in der Bioprozesstechnik sehe er mit Blick auf die sinkenden Gewinnschätzungen Licht am Ende des Tunnels, schrieb Analyst Sam England am Donnerstag in einer Branchenstudie. Zudem erholten sich die Preise für medizintechnische Produkte. Fresenius zähle zu den bevorzugten Werten und profitiere über die Sparte Kabi vom zunehmend wichtigen Wachstumsthema Biosimilars – also Nachahmer-Präparate von Biopharmazeutika.

BÖRSE ONLINE ist ebenfalls optimistisch, dass Fresenius längerfristig seinen Aufwärtstrend fortsetzen wird und hat ein Kursziel von 40 Euro für die Fresenius-Aktie ausgegeben.

(Mit Material von Reuters und dpa-AFX)

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