von Dirk Elsner

Im Oktober 2014 ist mit großen Vorschusslorbeeren das neue Bezahlsystem des Computergiganten Apple gestartet unter der Bezeichnung Apple Pay. Das Versprechen: Kinderleichtes Bezahlen im Geschäft mit dem Smartphone oder der Apple Watch. Die Geräte arbeiten mit der kontaktlosen Near Field Communication (NFC). Seit einem Jahr ist also das System verfügbar. Das ist der richtige Augenblick, um erneut auf die Erwartungen an das mobile Bezahlen zu schauen, das in Europa und den USA weiter auf den Durchbruch wartet. Mit Apple, so die Erwartungen vieler Marktbeobachter, sollte sich das nun ändern.

Ältere Semester werden sich vielleicht an ewigen Hype um das mobile Bezahlen erinnern. In einem Archiv fand ich eine Meldung von vor 15 Jahren, nach der der Durchbruch kurz bevorstehen sollte. Die folgenden Zeilen standen in "Bild der Wissenschaft" unter dem Titel "Trend: Das Handy als Geldbörse":
"Das britische Marktforschungsunternehmen Durlacher Research prophezeit dem mobilen Handel - kurz M-Commerce - in Europa einen Boom: Von knapp 650 Millionen Mark im Jahr 1998 würden die Umsätze bis 2003 auf rund 46 Milliarden Mark hochschnellen. Damit dürften Systeme für den mobilen Handel den reinen Internet-Zahlungsverfahren, insbesondere der Kreditkarte, gehörig das Wasser abgraben."

Geht es nach aktuellen Studien, dann steht das mobile Bezahlen per Smartphone in Deutschland, Europa und den USA mal wieder vor großem Wachstum. Gerade vergangene Woche konnte man wieder lesen:
"Zwei in diesem Jahr von Visa in Auftrag gegebene repräsentative Studien sagen voraus, dass man das Smartphone oder Tablet in fünf Jahren bereits täglich zum Bezahlen nutzen wird. Das würde bedeuten, dass sich Mobile Payment bis 2020 verdoppeln wird. Sechs Milliarden Euro pro Monat soll das Volumen aller mit mobilen Endgeräten getätigten Transaktionen in Deutschland dann betragen."

Solche Studien sind mit Vorsicht zu genießen, denn hier wurde nicht das tatsächliche Benutzerverhalten ermittelt, sondern die Nutzungsabsicht abgefragt. Und tatsächlich wären sechs Milliarden Euro Transaktionsvolumen im Jahre 2020 eine enttäuschend niedrige Zahl für die in der Studie betrachteten Länder Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Polen, und Spanien.

Schafft Apple nun als großer Heilsbringer den Durchbruch? Nach den USA startet der Apfel-Konzeren im Sommer in Großbritannien. Die Popularität der Marke nutzend sollte das mobile Bezahlen nun endlich bekannter werden. Und wie steht es nun nach einem Jahr damit?

Nach einer Meldung von Bloomberg unter Berufung auf Marktforscher der Aite Groupe sollen angeblich 1% aller Einzelhandelstransaktionen in den USA per Apple Pay bezahlt werden. Sollten diese Daten stimmen, dann wäre das eine Sensation. Geht es nach dem World Payments Report, dann wurden 2013 in den USA 123 Mrd. Transaktionen ohne Bargeld abgewickelt. Rechnet man dazu noch etwa ⅓ Bargeld Transaktionen, dann kommt man auf etwa 165 Mrd. Transaktionen. Würde Apple 1,65 Mrd. Transaktionen abwickeln, dann hätten wir mit Sicherheit bereits etwas davon gehört, denn dann würde Apple Pay einen signifikanten Anteil am Rohertrag des Computerriesen haben. Apple hat bisher aber überhaupt noch gar keine Zahlen zur Akzeptanz seiner Bezahlmethode veröffentlicht. In einer E-Mail gegenüber Bloomberg schrieb Apple lediglich: "We’re off to a great start and we are seeing continued, double-digit monthly growth in Apple Pay transactions since launch."

Die Bemerkung lässt die Leser im Unklaren darüber, ob mit der Wachstumszahl "double-digit monthly growth" eine Prozentzahl gemeint ist oder das absolutes Wachstum. Für eine Prozentzahl wäre es extrem niedrig, denn weil die Basiszahl bei neuen Produkten sehr niedrig ist, wäre hier eher dreistelliges Prozentwachstum pro Monat zu erwarten. Gemeint haben könnte man auch eine monatlich Steigerung mindestens um das zehnfache. Das wäre dann wiederum eine sehr hohe Zahl, die nicht plausibel ist. Vielleicht könnte man aus der Tatsache, dass sich Apple hier vergleichsweise unklar und bedeckt äußert, den Schluss ziehen, dass der Dienst noch deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurückliegt.

Nach meiner eigenen Beobachtungen aus dem Frühjahr diesen Jahres stehen die US-Bürger weiter auf der (zunehmend konktaktlosen) Bezahlung per Karte (siehe dazu Warum mobile payment per Smartphone ein Rohrkrepierer bleibt). Und dies stellt auch das ibi Research in seiner Studie zu den Erfolgsfaktoren und Hindernissen beim M-Payment fest: "Die Konkurrenz von Mobile-Payment-Verfahren ist in erster Linie nicht das Bargeld, sondern primär die kontaktbehaftete Karte."

In Deutschland sieht es im Grunde nicht anders aus. Das ibi Research der Uni Regensburg schrieb in einer Analyse zum Zahlungsverhalten, dass aufgrund der hohen Akzeptanz von Karten und Bargeld sich die Frage stellt, ob MPayment-Verfahren sich durchsetzen können: "Um mit Bargeld konkurrieren zu können, muss die Zahlung ebenso schnell wie mit Bargeld abgewickelt werden können. Außerdem sollten insbesondere auch Kleinstbeträge bezahlt werden können."

Aber Apple ist um sein Zahlungssystem sehr bemüht. Die Zahl der Banken und Akzeptanzstellen steigt stetig weiter. Und vor allem die Zahl der Smartphone, mit denen Apple Pay genutzt werden kann, wächst stark an. Andererseits verweigern in den USA Einzelhandelsgiganten wie Walmart, Best Buy, CVS and Lowe’s den Einzug der Zahlung per Apfel.

Ich bin sicher, Apple Pay liegt in den Geschäften deutlich unter den Erwartungen. Mobiles Bezahlen mit dem Smartphone hat es sehr schwer gegen das kontaktlose Bezahlen mit Karte. Man sollte Apple Pay aber nicht vorschnell zum Flop abschreiben und nicht auf das Bezahlen im Geschäft reduzieren. Entwickler anderer Apps können Apple Pay in ihre mobilen Anwendungen integrieren, wenn es um das Bezahlen geht. Hier ergeben sich ganz andere Möglichkeiten und soll es auch beachtliches Wachstum geben. Daneben hat Apple bekanntlich ein Patent für Person-zu-Person Zahlungen (P2P-Payment), mit der Privatpersonen untereinander sich einfach Geld überweisen können. Beide Anwendungen bergen mit einer starken Marke im Hintergrund so viel Potenzial, dass ich sicher bin, dass Apple Pay trotz des beschränkten Nutzerkreises kein Flop wird.