Oktober ist historisch ein Crash-Monat. Wall-Street-Strategen warnen: Hohe Bewertungen, China-Spannungen und politische Risiken machen den Markt anfällig.
Der Oktober hat an der Wall Street einen berüchtigten Ruf. Mehrfach in der Finanzgeschichte war die zweite Oktoberhälfte der Ausgangspunkt für massive Korrekturen – man denke an 1929, 1987 oder 2008.
Auch in diesem Jahr mehren sich die Warnsignale: Nach einem kurzen Rücksetzer am Freitag kehrten die Dip-Käufer zwar rasch an den Markt zurück. Doch mehrere Strategen großer US-Banken mahnen zur Vorsicht. Die Lage sei „fragiler, als viele wahrhaben wollen“, wie es ein Analyst formuliert.
Scheinbar stabile Rallye – aber Risse im Fundament
Der S&P 500 erholte sich zwar seit Wochenbeginn und machte einen Teil der Verluste vom vergangenen Freitag wett, als die Wall Street den massivsten Ausverkauf seit dem Frühjahr erlebte. Auslöser des Rücksetzers war die Eskalation im Handelsstreit mit China, nachdem Donald Trump neue Strafzölle in Höhe von 100 Prozent auf Importe aus der Volksrepublik angedroht hatte. Die Märkte reagierten nervös – und die Rallye, die seit April fast 36 Prozent nach oben geführt hat, zeigte erstmals deutliche Risse.
Paisley Nardini, Chefin für Multi-Asset-Lösungen bei Simplify Asset Management, sieht die Märkte deshalb in einer besonders sensiblen Phase: „Politische und fiskalische Nachrichten sowie die Fed-Politik werden in den kommenden Monaten für zusätzliche Volatilität sorgen“, sagte Nardini gegenüber Bloomberg. Die Reaktionen auf Nachrichten seien derzeit überdurchschnittlich heftig – ein Ausdruck der gestiegenen Nervosität. Tatsächlich hat der S&P 500 mittlerweile 97 Handelstage ohne eine Korrektur von mindestens 5 Prozent hinter sich – ein deutlich längerer Zeitraum als der historische Durchschnitt von 59 Tagen. Ein solcher Streak endet statistisch gesehen selten sanft.
Bankenstrategen erwarten Korrektur – nicht Crash, aber Druck
Michael Wilson, Chefstratege von Morgan Stanley, gehört seit Jahren zu den eher vorsichtigen Stimmen an der Wall Street. In einer Research-Note schreibt er, Anleger sollten kurzfristige Rückschläge als langfristige Kaufgelegenheit sehen. Aber: „Sollten die US-China-Verhandlungen bis zur November-Frist scheitern, könnte der S&P 500 im Bärenfallszenario auf 5.800 Punkte abrutschen.“ Das entspräche einem Minus von rund 13 % gegenüber dem gegenwärtigen Niveau.
Auch Evercore ISI rät Anlegern aktuell zu mehr Umsicht und hält weitere Rücksetzer wie am am Freitag ebenfalls für nicht ausgeschlossen. „Wir glauben nicht, dass es das schon war“, sagt Julian Emanuel, Chefstratege für Aktien und Quant bei Evercore ISI, gegenüber dem Nachrichtendienst. "Die erhöhte Unsicherheit und Volatilität dürfte viele aktive Manager zu Positionsabbau zwingen – insbesondere systematische Fonds" so Emanuel weiter.
Ein nervöser Herbst steht bevor
Aus technischer Sicht ist die Lage ebenfalls angespannt. Laut Mark Newton, Chefstratege bei Fundstrat Global Advisors, testete der S&P 500 am Freitag eine wichtige Aufwärtstrendlinie. Sollte dieser Support brechen, sei ein Rücksetzer "von rund 5 Prozent nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich – und womöglich sogar gesund für den weiteren Jahresverlauf", erklärte Newton in einer Research-Note an Kunden.
Die Botschaft der Wall Street ist deutlich: Auch wenn die strukturellen Treiber des Bullenmarktes – robuste Gewinne, Liquidität, KI-Euphorie – intakt sind, könnte der Herbst volatil werden. Oktober ist historisch ein Crash-Monat, und die Kombination aus geopolitischer Unsicherheit, überdehnten Bewertungen und überfüllten Positionen macht die Märkte anfälliger denn je. Kurzfristig ist deshalb Vorsicht geboten. Wer den Dip blind kauft, könnte diesmal auf dem falschen Fuß erwischt werden. Langfristig orientierte Anleger sollten sich jedoch nicht von Panik treiben lassen – sondern darauf vorbereitet sein, Qualitätswerte zu günstigeren Preisen einzusammeln.
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