Jeden Tag kann die entscheidende kurstreibende Nachricht kommen. Geht alles glatt, könnte Biontech für den Impfstoff BNT162 bis zum Jahresende die Zulassung zur Behandlung des Coronavirus bekommen. Bis Juli sollen die Ergebnisse aus der ersten klinischen Studie vorliegen, die seit April in Europa und den USA läuft. Bei einem positiven Verlauf soll das Projekt mit dem Namen "Lightspeed" in die zulassungsrelevante Studie mit 7600 Patienten übergehen und in den nächsten drei bis vier Monaten Resultate liefern.

Die Entscheidung von Mitte März, zusammen mit Partner Pfizer einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, katapultierte die Mainzer Biotechfirma ins öffentliche Licht. Branchenkennern sind die führenden Köpfe hinter Biontech ein Begriff. Seit knapp 20 Jahren entwickelt das Forscherehepaar Ugur Sahin und Özlem Türeci neue Behandlungsformen gegen Krebs. Zuerst mit der 2016 von Astellas Pharma übernommenen Biotechfirma Ganymed und seit 2008 mit Biontech.

Vereinfacht gesagt zielen die Therapieansätze der seit Oktober 2019 an der Nasdaq gelisteten Gesellschaft darauf ab, menschliche Immunreaktionen gegen Krebszellen und Krankheitserreger auszulösen. Die mRNA-Technologie greift dabei auf genetische Botenstoffe zurück. Diese leiten menschliche Zellen dazu an, Immunantwort auslösende Proteine zu bilden. Auch bei anderen Krankheiten wie Grippe und HIV eröffnet dieser Ansatz neue Behandlungsoptionen. Elf Wirkstoffe von Biontech sind in der klinischen Phase I, eine Monotherapie gegen metastasierenden Hautkrebs durchläuft gerade die Wirksamkeitsstudie in Phase II.

Eigene Produktion geplant

Weltweit ist noch kein Heilmittel auf Basis der mRNA-Technologie zugelassen. Wie bei den Wettbewerbern Moderna und Curevac bleibt deshalb auch im Fall einer schnellen Zulassung die Frage offen, wie hoch der Wirkungsgrad ist und wie lange die Wirkung anhält. Dass Biontech vom Erfolg überzeugt ist, zeigt sich darin, dass die Firma sich Anfang Juni 100 Millionen Euro an Fremdfinanzierung durch die Europäische Investitionsbank sicherte, um eigene Produktionskapazitäten aufzubauen. Zudem stieg gerade Singapurs Staatsfonds Temasek mit 250 Millionen Euro bei Biontech ein. Neben Pfizer hat die Gesellschaft mit Fosun Pharma auch einen Partner für den chinesischen Markt.

Angesichts der breiten Pipeline würde sich der Börsenwert von Biontech auch nicht pulverisieren, wenn BNT162 floppt. Sollte die Firma mit dem Impfstoff aber den Durchbruch schaffen, dürfte der Aktienkurs durch die Decke gehen. Wer auf den Erfolg setzt, steigt ein. Die hochspekulative Aktie, ein an der Nasdaq hinterlegtes ADR, ist an den deutschen Börsen reichlich liquide.