Von wegen Frühlingsgefühle: Angesichts der dritten Corona-Infektionswelle und des Desasters mit der Impfkampagne wollen diese nicht wirklich aufkommen. Und auch beim Blick auf die makroökonomischen Rahmenbedingungen sprechen immer mehr Indizien dafür, dass sich die wirtschaftliche Erholung in Europa ins zweite Halbjahr bis weit ins Jahr 2022 verschieben wird.

Ein ganz anderes Bild zeichnen dagegen die Finanzmärkte. Dort hat sich in den letzten zwei Monaten ein Branchenwechsel vollzogen. Am meisten davon betroffen sind die Überflieger des Vorjahres, die Technologietitel. Der Nasdaq als globaler Leitindex für die IT-Sektoren hat in der Spitze um zehn Prozent korrigiert. Kräftig nach oben geht es dagegen mit Aktien aus zyklischen Branchen. Dasselbe gilt für Sektoren wie Energie oder Rohstoffe, die im Vorjahr als Verlierer der Corona-Krise Ertragseinbrüche verzeichneten.

Europas Börsen geben Gas …

Grund für den rasanten Kursanstieg sind vor allem die sich wieder füllenden Auftragsbücher und die zuletzt deutlichen Gewinnanpassungen nach oben. Alles deutet darauf hin, dass die zyklischen Branchen bei Umsatz und Gewinn bis 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen könnten. Insbesondere die Sektoren Auto, Industrie, Maschinenbau oder Chemie, allesamt Herzstücke der europäischen Wirtschaft, werden verstärkt vom Aufschwung profitieren.

Dass sich die Erholung in Europa Corona-bedingt verzögern wird, färbt für Robert Halver, den Kapitalmarktstrategen der Baader Bank, auf die Unternehmen selbst nur geringfügig ab: "Die europäischen Zykliker blicken aktuell nach Asien und die USA, wo die Erholung schon in vollem Gange ist. Europäische Nebenwerte werden dann noch stärker als die DAX-Konzerne von einer wirtschaftlichen Erholung in Europa profitieren, weil deren Umsatzanteil in diesem Markt noch höher ist."

Wie stark die europäischen Aktienmärkte von diesem Schwenk zu den Zyklikern profitieren, verdeutlicht der Blick auf die entsprechenden Leitindizes. Der S & P 500 hat in diesem Jahr um gerade einmal sieben Prozent zugelegt, nachdem er 2020 ausgehend vom März-Crash eine phänomenale Performance von 63 Prozent schaffte. Der Stoxx 600 und der Euro Stoxx 50 haben demgegenüber in diesem Jahr bislang besser abgeschnitten.

… und die Bewertungen steigen

Mit den teils kräftigen Kursgewinnen sind auch die Bewertungen deutlich gestiegen. Peter Kraus, Fondsmanager der Berenberg Bank, sieht auf den aktuellen Bewertungsniveaus das Erholungspotenzial vieler zyklischer Aktien schon eingepreist: "Der Markt wirft schon einen Blick auf 2022, wo wir - nach einem sehr starken Jahr 2021 - mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sich abschwächende Wachstumsdynamik sehen werden." Umso mehr komme es bei der Titelauswahl auf die Gewinner langfristiger Wachstumstrends an. Für Kraus stellt sich vor allen Investmententscheidungen die Frage, ob Firmen vom Umsatz her innerhalb der nächsten fünf Jahre doppelt so groß werden können wie aktuell.

Der Finanzsektor zählt zu den Branchen, die weiterhin niedrig bewertet sind. Für die klassischen Banken eröffnet sich die Chance, gegenüber der Fintech-Konkurrenz wieder Boden gutzumachen, wenn bei konjunktureller Erholung wieder Kreditfinanzierungen gefragt sind. Kommen noch leichte Zinserhöhungen hinzu, wäre dies umso besser. Deutlich spekulativer sind Firmen aus der Freizeit- und Touristikbranche oder Flughafenbetreiber als große Verlierer der Pandemie.

Für Franz Weis, Fondsmanager bei Comgest, sind die jüngsten Kurskorrekturen in den Wachstumsbranchen und bei den Corona-Gewinnern nicht fundamental bedingt: "Die Aktien von Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell mit langfristigen Trends wachsen, bieten jetzt eine gute Chance zum Nachkaufen." Den neuen Wirtschaftsaufschwung bezeichnet Weis als "K-Erholung", in der sich die Spreu weiter vom Weizen trennt: "Unternehmen, die rechtzeitig strukturelle Trends wie künstliche Intelligenz und Digitalisierung erkannt haben und auch von den Kosten her wettbewerbsfähig sind, gehen gestärkt aus dieser Krise hervor."

Auf Qualitätsführer setzen

Bei der richtigen Titelauswahl kommt es zum einen darauf an, nicht ausschließlich auf einzelne zyklische Branchen zu setzen. Technologie und Industrie bieten eine breite Auswahl an spannenden Firmen, aber auch in der Konsum- und Finanzbranche werden Anleger bei der Suche nach Wachstumswerten fündig. Zum andern müssen die Aktien von Zyklikern den richtigen Mix aus nachhaltigem Wachstum, Marktführerschaft und robusten Bilanzen mitbringen. Eine solche Bilanzqualität zeichnet sich durch eine hohe und nachhaltige Kapitalrendite sowie einen stabilen positiven Cashflow aus. Nur so lässt sich unabhängig von Fremdkapital und Kapitalerhöhungen das Geschäft finanzieren - neue Technologien, Produktionsstätten und Akquisitionen inklusive.

Beim Geschäftsmodell kommt es wiederum darauf an, sich über hohe Markteintrittsbarrieren, Technologieführerschaft, Preissetzungsmacht und breit diversifizierte Absatzmärkte vom Wettbewerb zu diff

 


Auf einen Blick

Konjunkturerholung

Fonds: Der richtige Mix ist entscheidend

Die besten Chancen auf eine hohe Rendite mit dem Fokus Zykliker bieten Fondsprodukte, die zu den langfristigen Outperformern zählen und bereits im vergangenen Jahr Aktien aus zyklischen Branchen höher gewichtet und im Gegenzug den Anteil von gut gelaufenen Technologietiteln reduziert haben.

Zu den Klassikern unter den Europafonds zählt der bereits 1985 aufgelegte DWS European Opportunities LD. Die durchschnittliche Zehnjahresperformance von zwölf Prozent kann sich sehen lassen. Bei den Branchen geben Zykliker ganz klar den Ton an: Unternehmen aus der Industrie, den zyklischen Konsumgütern und dem Finanzsektor bilden gut 70 Prozent des Fondsportfolios ab.

Im Comgest Growth Europe Smaller Companies Acc sind Titel aus der Gesundheitsbranche mit einem Anteil von 40 Prozent am höchsten gewichtet. Mit einigem Abstand folgen Konsum-, Technologie- und Industriewerte. Entscheidend bei der Titelauswahl ist, dass das Geschäftsmodell der Unternehmen hohe Markteintrittsbarrieren, Preissetzungsmacht und ein nachhaltig profitables Wachstum aufweist. Der Threadneedle Pan European Small Cap Opportunitis AE hebt sich hingegen zum einen durch einen hohen Anteil an britischen Titeln und zum anderen durch eine relativ gleichmäßige Gewichtung von Industrie, Technologie, Konsum und Gesundheit ab.

Der im Oktober 2018 aufgelegte und von Peter Kraus gemanagte Berenberg European Small Cap R hat sich zur Aufgabe gemacht, "die Hidden Champions unter dem Radarschirm zu finden", ehe der breite Markt diese Überflieger entdeckt und deren Bewertungen ansteigen lässt. In den zurückliegenden neun bis zwölf Monaten hat sich der Fonds stärker in Richtung Industrietitel verändert. Der breite Anlagefokus ist auf Nischenplayer in den Sektoren Technologie, Medizintechnik, Industrie und Konsum ausgerichtet.

Im Warburg D Small & Midcaps Europa R, einem, was das Volumen angeht, noch kleinen Fonds, stellen Industrie- und Technologietitel mehr als die Hälfte der Gewichtung. Auf Länderebene besteht das Fondsportfolio zu mehr als 40 Prozent aus Unternehmen aus Staaten außerhalb der Eurozone.

Aixtron: Neuer Investitionszyklus


Die Aktie des Anlagenbauers für Verbindungshalbleiter hat ein neues Fünfjahreshoch erreicht. Betrachtet man die Auftragslage des MDAX-Unternehmens, ist das noch lange nicht das Ende. Die Endkunden von Aixtron aus der Halbleiterindustrie befinden sich in einem neuen Investitionszyklus. Ins Spiel kommen die Anlagen bei der Entwicklung von Lasern für optische Datenübertragung oder bei Spezial-LEDs für Displays - Technologien, die bei Elektromobilität oder superschnellen 5G-Mobilfunknetzen eine Schlüsselrolle spielen.

Aixtron schaffte 2020 ein leichtes Umsatz- und Gewinnplus. Und das starke Schlussquartal signalisiert bereits, wie dieses Jahr laufen sollte. Die 92 Millionen Euro beim Auftragseingang bedeuten den höchsten Wert seit 2011. Für 2021 geht Aixtron von einem Umsatzzuwachs von 30 Prozent aus, und die operative Marge soll von 13 auf 16 Prozent klettern. Branchenexperten erwarten für die nächsten drei Jahre ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 40 Prozent, was der Aktie Spielraum für eine deutlich höhere Bewertung gibt.

Atlas Copco A: In Position für den Konjunkturaufschwung


Beim schwedischen Industriekonzern hat das Geschäft im Schlussquartal 2020 wieder kräftig angezogen. Vor allem in den beiden größten Geschäftsbereichen, der Kompressortechnik und der Vakuumtechnik, hat sich die Auftragslage deutlich verbessert. Aber auch bei der robotergeführten Bildverarbeitung für die Qualitätsinspektion läuft es wieder. Hier hat sich Atlas Copco im Februar 2020 mit der Übernahme der Darmstädter Isra Vision verstärkt. Im September folgte mit Peceptron aus den USA ein Spezialist für automatisierte Messtechnik. In Bezug auf Absatzmärkte und Produktsortiment ist Atlas Copco breit diversifiziert und wird damit von der globalen konjunkturellen Erholung profitieren. Für die nächsten zwei Jahre erwarten die Analystenschätzungen ein durchschnittliches Umsatz- und Gewinnwachstum von sieben beziehungsweise 14 Prozent.

BASF: Breit diversifizierter Ertragsmix


Nach einem schwachen Vorjahr im Zeichen der Corona-Pandemie verdichten sich in der Chemiebranche die Anzeichen einer Erholung. Mit seinen insgesamt sechs Unternehmensbereichen ist BASF für den nächsten globalen Aufschwung gut aufgestellt. Der weltgrößte Chemiekonzern wird nach dem Verlustjahr 2020 einen kräftigen Gewinnsprung hinlegen und auch in den kommenden zwei Jahren zweistellig wachsen. Neben den verschiedenen Chemiesparten und der Agrochemie läuft dank der steigenden Erdölpreise und niedrigen Produktionskosten das Öl- und Gasgeschäft bei Wintershall DEA wieder. Geht DEA dieses Jahr an die Börse, ist ein größerer Buchgewinn drin. Das laufende Restrukturierungsprogramm und die angesichts der Nullzinsen sinkenden Kapitalkosten stützen die Profitabilität weiter. Vor diesem Hintergrund bietet die BASF-Aktie auch nach dem jüngsten Kursanstieg ein sehr gutes Risiko-Rendite-Profil. Zudem kommen Anleger in den Genuss einer üppigen Dividende. Wir ziehen Ziel- und Stoppkurs nach.

BNP Paribas: Günstig bewerteter Banktitel


Frankreichs größtes Geldhaus zählt zu jenen europäischen Banken, deren Ertragslage sich mit der wirtschaftlichen Erholung am schnellsten wieder verbessern kann. Für den Zeitraum 2020 bis 2022 erwarten die Analystenschätzungen ein durchschnittliches jährliches Gewinnplus von zehn Prozent. Zugute kommen der Bank auch staatliche Finanzhilfen für die französische Wirtschaft, etwa bei drohenden Kreditausfällen. Dabei erreichte der Konzernumsatz 2020 mit knapp 44,3 Milliarden Euro fast das Vorjahresniveau. Ein wichtiger Faktor dafür ist, dass die Einnahmen aus dem Investmentbanking wieder sprudeln. Der Gewinn schrumpfte dagegen um 13,5 Prozent auf 7,1 Milliarden Euro. Die Aktie notiert auch nach den strammen Kursgewinnen von 50 Prozent seit dem Herbst noch deutlich unter ihrem Buchwert.

Elmos Semiconductor: Wieder auf Hochtouren


Verbaut werden die Chips und Sensoren des Dortmunder Unternehmens fast ausschließlich in Autos. Dementsprechend hängt die Auftragslage an den Wachstumszyklen der Autoindustrie. Trotz des Nachfrageeinbruchs schaffte es Elmos Semiconductor über Kosteneinsparungen, im Geschäftsjahr 2020 ein positives operatives Ergebnis von 8,7 Millionen Euro zu erzielen. Der Umsatz schrumpfte um 9,3 Prozent auf 232,6 Millionen Euro. An die Aktionäre will Elmos ungeachtet des Ertragseinbruchs mit 0,52 Euro je Aktie dieselbe Dividende ausschütten wie im Jahr 2019. Die anziehenden Umsätze im Schlussquartal signalisieren die positive Trendwende bei den Abnehmern in der Autoindustrie. Für das erste Quartal 2021 rechnet Elmos mit 76 Millionen Euro Umsatz und damit fünf Prozent mehr als im Vorquartal. Auch die Ebit-Marge soll mit 14,5 Prozent um 1,5 Prozent höher ausfallen. In Zukunft will sich Elmos stärker als Systemanbieter inklusive Hard- und Softwarekomponenten positionieren - und damit die Margen dauerhaft weiter nach oben schrauben.

GEA Group: Comeback-Story aus dem MDAX


Der Anlagenbauer hat 2020 die Rückkehr in die Gewinnzone geschafft. Unter dem neuen Firmenchef Stefan Klebert hat das MDAX-Unternehmen in den letzten zwei Jahren seine Konzernstruktur verschlankt und weniger profitable Geschäftsfelder wie die Stall- und Milchkühltechnik verkauft. Dieser Umbau beginnt sich auszuzahlen: 2020 schaffte es die Gea Group, bei fünf Prozent weniger Erlösen den operativen Gewinn um elf Prozent auf 532,5 Millionen Euro zu steigern. Bis 2022 will der Konzern die operative Marge vor Restrukturierungsaufwendungen von zuletzt 11,5 Prozent auf 12,5 bis 13,5 Prozent steigern. Vor allem bei den Kunden in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zieht die Auftragslage wieder kräftig an. Die zuletzt gut gelaufene Aktie hat deshalb ihr Kurspotenzial noch lange nicht ausgereizt.

NXP Semiconductors: Wieder volle Auftragsbücher


In Europa ist der niederländische Chiphersteller einer der größten Wettbewerber von Infineon. Beide Konzerne profitieren von der kräftigen Erholung der Halbleitermärkte. Bereits 2020 zogen die weltweiten Erlöse der Chipindustrie um 6,5 Prozent auf 439 Milliarden US-Dollar an. Bei NXP Semiconductors läuft das Geschäft wieder, weil vor allem die Nachfrage aus der Auto- und Smartphone-Produktion rasant anzieht. Die zwei wichtigsten Abnehmer des Chipherstellers waren 2020 von der Corona-Pandemie besonders schwer betroffen. Dementsprechend groß sind die Nachholeffekte. Führend ist die Firma unter anderem bei den Chips für Fahrassistenzsysteme und bei Batteriemanagementsystemen. Für das traditionell schwache erste Quartal rechnet das Management mit einem Umsatzwachstum im unteren einstelligen Bereich. Branchenexperten erwarten, dass das Unternehmen beim operativen Gewinn nach einem zweijährigen Durchhänger dieses Jahr das Vorkrisenniveau deutlich übertrifft. Zudem wird NXP als heißer Übernahmekandidat gehandelt.

Wienerberger: Grüne Produkte, höhere Margen


Die Wienerberger-Aktie hat sich längst vom Kurseinbruch zu Beginn der Corona-Krise erholt, ebenso das operative Geschäft. Bereits im zweiten Halbjahr 2020 hat der österreichische Bauzulieferer bei Umsatz und Gewinn wieder zum Vorjahresniveau aufgeschlossen. Für 2021 erwartet Wienerberger einen operativen Gewinn in der Bandbreite von 600 bis 620 Millionen Euro - was einem Zuwachs um gut zehn Prozent entspricht. Ungeachtet der aktuell steigenden Rohstoffpreise könnte die Marge in diesem Jahr wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Auch bei der Nachhaltigkeit setzt Wienerberger Akzente: Bis 2023 sollen alle Produkte wiederverwertbar oder vollständig recycelbar sein. Zugleich sollen die CO2-Emissionen weltweit um 15 Prozent gesenkt werden. Die Aktie bleibt bei höheren Kursmarken einer der spannendsten Austro-Mid-Caps.