Um rund 30 Prozent legte Brasiliens Aktienindex Bovespa seit Mitte vergangenen Jahres zu. Auf den ersten Blick eine erstaunliche Entwicklung für den unter zahlreichen Problemen leidenden Amazonasstaat. In den vergangenen Jahren litt das Land politisch unter Korruptions- und Schmiergeldskandalen, weshalb der einst gefeierte Präsident Lula inzwischen im Gefängnis sitzt.

Experten verweisen zudem auf strukturelle Schwächen wie zu hohe Steuern, Überregulierung, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit oder Handelsbarrieren. Dazu kommt, als wichtigster Punkt, das immens hohe Haushaltsdefizit, das im vergangenen Jahr nach Angaben des Datenanbieters Statista bei mehr als acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag. Zudem war die größte Volkswirtschaft Südamerikas laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in den Jahren 2015 und 2016 mit einem Wachstumsrückgang um jeweils 3,5 Prozent tief in die Rezession gerutscht.

Darüber hinaus belasteten gerade im vergangenen Jahr externe Faktoren die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. So brachten steigende US-Zinsen und der starke Dollar Emerging-Market-Währungen insgesamt und damit auch den brasilianischen Real unter Druck. Gleichzeitig schwächte sich das Wirtschaftswachstum in China ab, dem wichtigsten Handelspartner Brasiliens. Und auch die Rohstoffpreise und insbesondere die Ölnotierung waren im vergangenen Jahr zeitweise stark nach unten gegangen, was der sehr von ihren Rohstoffexporten abhängigen Volkswirtschaft ebenfalls nicht in die Karten spielte.

Angesichts dieser mannigfaltigen Probleme ist es mehr als erstaunlich, dass der Aktienmarkt in Brasilien eine solche Rally hinlegte. Der Leitindex Bovespa notiert derzeit nahe an seinem Allzeithoch und erscheint mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 20 keineswegs mehr als günstig. Zum großen Teil spiegeln sich darin die Hoffnungen wider, die an den neuen Präsidenten Jair Bolsonaro geknüpft sind. Er gilt zwar als ultrarechts und populistisch, für Investoren ist aber entscheidend, dass er marktfreundlich ist und unter anderem Ausgabenkürzungen, Steuersenkungen und Privatisierungsmaßnahmen angekündigt hat. So soll eine Rentenreform dazu beitragen, das hohe Haushaltsdefizit zu reduzieren.



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Wirtschaftswachstum zieht an



Aus Anlegersicht gibt es über diese reine Hoffnung hinaus einige positive wirtschaftliche Ansätze. Die Wirtschaft soll etwa nach Schätzung des IWF in diesem Jahr weiter auf Erholungskurs bleiben. Das Wachstum soll sich nach 1,4 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,4 Prozent beschleunigen. Dazu kommt eine erwartete Inflationsrate von 4,2 Prozent für dieses Jahr, weshalb die Notenbank des Landes vorerst in der Lage sein dürfte, den Leitzins auf dem aktuell für Brasilien recht niedrigen Niveau von 6,5 Prozent zu belassen. Zudem gehen nicht wenige Experten davon aus, dass sich Chinas Wirtschaft 2019 stabilisieren wird. Auch die Zinspause in den USA und der zuletzt etwas schwächere US-Dollar dürften dem brasilianischen Real helfen.

Sollte nun Präsident Bolsonaro seine angekündigten Vorhaben tatsächlich erfolgreich in die Tat umsetzen, könnte der brasilianische Aktienmarkt noch Luft nach oben haben. Für risikofreudige Investoren, die starke Kursausschläge aushalten, könnte sich ein Investment in den Gesamtmarkt lohnen. Interessant ist etwa ein ETF auf den MSCI Brazil wie der von Xtrackers. Der Index ist, anders als der Bovespa, noch ein gutes Stück von seinem Allzeithoch entfernt und hat mit mehr als 40 Prozent eine etwas größere Allokation in der Finanzindustrie, die von der anspringenden Binnenwirtschaft und der damit verbundenen steigenden Kreditaufnahme in diesem Jahr profitieren könnte.

Dagegen sind Rohstoffunternehmen eher mit Vorsicht zu genießen. Zum einen ist dieser Sektor in stärkerem Maße vom Weltmarkt abhängig. Dort aber ist in diesem Jahr tendenziell mit einer Abschwächung zu rechnen. Zum anderen plagen die Branche individuelle Probleme. Beispielsweise wirkt beim Ölkonzern Petrobras noch der Korruptionsskandal aus dem Jahr 2015 nach. Das Bergbauunternehmen Vale wiederum ist für die jüngst ausgelöste Schlammlawine verantwortlich, die mehr als 150 Menschen das Leben kostete und nach der noch über 180 Menschen als vermisst gelten.

Stärkster Bovespa-Einzeltitel war zuletzt die Aktie des Papierherstellers Suzano Papel e Celulose, die in den vergangenen zwölf Monaten um gut 140 Prozent zulegte. Mit Blick auf das laufende Jahr könnte es sich nun auszahlen, Unternehmen aus Branchen zu bevorzugen, die stärker binnenwirtschaftlich orientiert sind, etwa Finanzdienstleister. Aussichtsreich ist Itaú Unibanco. Das Kreditinstitut ist gut positioniert und günstig bewertet. Von einer stärkeren Binnenkonjunktur dürfte TIM Participações, drittgrößter Mobilfunkanbieter des Landes, profitieren. Dessen Umsatzwachstum lag zuletzt bei 5,3 Prozent, das operative Ergebnis legte um 9,3 Prozent zu und die operative Gewinnmarge beträgt aktuell 38 Prozent. Bei den Einzeltiteln sollten Anleger allerdings beachten, dass an deutschen Börsen der Handel sehr dünn ist.

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