Hintergrund ist der Anstieg der Inflationserwartungen in den USA auf den höchsten Stand seit zehn Jahren. "Erfüllen sich diese Prognosen, dürfte die Notenbank Fed eher früher als später gezwungen sein, den Fuß vom geldpolitischen Gaspedal zu nehmen und auf die Bremse zu treten", sagte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets.

Wie zuvor bereits an der Wall Street und in Asien kamen auch in Europa vor allem Technologiewerte unter die Räder. "Der große Ausverkauf am Aktienmarkt, auf den die Händler schon seit einiger Zeit gewartet haben, ist da", sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Der europäische Tech-Index fiel um mehr als zwei Prozent auf den niedrigsten Stand seit sechs Wochen.

Nach den Kursgewinnen zum Wochenanfang nahmen Anleger auch bei Rohstofftiteln Gewinne mit. Thyssenkrupp-Aktien notierten sechs Prozent im Minus. Ein Händler führte dies auch auf die enttäuschenden Zahlen beim freien Cashflow zurück, die eine Prognose-Anhebung überschatteten.

Selbst überraschend positive Konjunkturnachrichten konnten dem Verkaufsdruck nichts entgegensetzen. Angesichts der sinkenden Zahl an Corona-Neuinfektionen blicken Börsianer so optimistisch auf die deutsche Konjunktur wie seit über 21 Jahren nicht mehr.

ÖFFNUNGEN SETZEN CORONA-PROFITEUREN ZU


Die ersten Öffnungsschritte angesichts der sinkenden Corona-Infektionszahlen setzten den Kursgewinnern der Pandemie zu. So führten die Aktien des Lieferdienstes Delivery Hero mit Kursverlusten von knapp vier Prozent die Dax-Verliererliste an. Die Titel des im SDax notierten Online-Möbelhändlers Home24 brachen sogar rund 15 Prozent ein. Zugleich schlugen Investoren jedoch auch Einzelhandelswerte los, weil sie sich von den Öffnungsschritten mehr erwartet hatten, erläuterte ein Händler.

Ceconomy-Aktien gaben in der Spitze um 16 Prozent nach. Die Elektronikhandelsholding steuert in der Corona-Krise mit sinkenden Umsätzen und steigenden operativen Verlusten auf ihren Chefwechsel zu. Die Lockdowns in Deutschland seien ein wenig irrational und sorgten weiter dafür, dass der Konzern keine Jahresprognose abgeben könne, sagte Interimschef Bernhard Düttmann. Der E.ON-Manager Karsten Wildberger wird im August die Führung der Holding und ihrer Elektronikhandelskette Media Markt und Saturn übernehmen.

Zu den wenigen Kursgewinnern gehörte der britische Onlinehändler THG, der an der Börse in London rund zwölf Prozent zulegte. Das Unternehmen, das früher unter dem Namen The Hut Group bekannt war, erhält eine Milliarde Dollar frisches Geld. Fast drei Viertel davon kommt vom japanischen Technologieinvestor Softbank, der im Gegenzug einen Anteil von knapp zehn Prozent übernimmt.

Frisches Geld will sich Insidern zufolge auch die von der Corona-Krise schwer getroffene Lufthansa besorgen. Mindestens drei Milliarden Euro plant der MDax-Konzern über die Ausgabe neuer Aktien aufzunehmen, wie die Agentur Reuters am Vorabend von drei Insidern erfahren hatte. Lufthansa-Aktien gaben bis zu 3,3 Prozent nach. Die Titel des British Airways-Eigentümer IAG büßten 5,5 Prozent ein, nachdem der Konzern die Ausgabe von Wandelanleihen im Wert von 800 Millionen Euro angekündigt hatte. Anleger trennten sich auch von weiteren Reise- und Freizeitaktien. Der Branchenindex büßte rund vier Prozent ein.

rtr