"Vor der Wirtschaft liegt ein sehr unsicherer Weg", warnte Fed-Chef Jerome Powell. Ein "erheblicher Teil" der Menschen werde auf längere Zeit arbeitslos bleiben. "Die Theorie einer V-förmigen Konjunkturerholung ist damit gestorben", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Dies schickte die Reise- und Touristikwerte auf Talfahrt, die in den vergangenen Wochen überdurchschnittlich von den Hoffnungen auf eine rasche Überwindung der Pandemie profitiert hatten. Der europäische Branchenindex rutschte um fünf Prozent ab.

Nach Einschätzung von Folker Hellmeyer, Chef-Analyst des Vermögensverwalters Solvecon-Invest, habe Powell gar kein optimistischeres Bild malen können, ohne eine Exit-Strategie aus der aktuellen, ultra-lockeren Geldpolitik zu präsentieren. Stattdessen habe sie die klare Ansage geliefert, die Konjunktur mit allen Mitteln zu stützen. "Mehr konnte und mehr kann nicht erwartet werden." "Diese 'Sicherheitsnetz' der Fed reduziert die Gefahr eines zweiten Börsencrashs deutlich, selbst wenn die Konjunkturdaten im nächsten Quartal noch einmal schlechter ausfallen", sagte Nigel Green, Gründer und Chef des Anlageberaters deVere.

ZWEITE WELLE ODER TEIL DER ERSTEN WELLE?

Sorgen bereiteten Börsianern die wieder steigenden Corona-Infektionszahlen in den USA. "Ich würde aber nicht von einer zweiten Welle sprechen, da die Situation nie unter Kontrolle war", mahnte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. "In den Staaten, die die Pandemie-Restriktionen lockern, nachdem sie das Virus unter Kontrolle gebracht hatten, sehen wir bislang keine Anzeichen für eine Rückkehr des Erregers." Die Industriestaaten-Organisation OECD warnte, eine zweite Infektionswelle könne die wirtschaftliche Erholung deutlich verlangsamen.

Der Konjunkturpessimismus der Investoren spiegelte sich auch am Rohstoffmarkt wider. Das wichtige Industriemetall Kupfer verbilligte sich um 1,5 Prozent auf 5818 Dollar je Tonne. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee büßte fast fünf Prozent auf 39,68 Dollar je Barrel (159 Liter) ein. Hier laste das Rekordhoch der US-Lagerbestände zusätzlich auf den Preisen, sagten Börsianer.

Einige Anleger flüchteten in "sichere Häfen" wie Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf minus 0,400 von minus 0,331 Prozent. Die Schweizer Währung war ebenfalls gefragt. Dadurch fiel der Kurs des Dollar zeitweise auf ein Drei-Monats-Tief von 0,9396 Franken. Die "Antikrisen-Währung" Gold konnte ihre jüngsten Kursgewinne dagegen nicht halten und verbilligte sich um 0,4 Prozent auf 1729,68 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Nach Einschätzung von Craig Erlam, Marktanalyst des Brokerhauses Oanda, handelte es sich um Gewinnmitnahmen.

DROHENDER JOB-KAHLSCHLAG BEI LUFTHANSA

Bei den Unternehmen stand die Lufthansa im Rampenlicht. Wegen des weitgehenden Stillstands des Luftverkehrs muss fast jeder Fünfte Mitarbeiter der Fluggesellschaft um seinen Job bangen. Lufthansa-Aktien fielen um mehr als acht Prozent.

Die Titel der Fusionspartner Fiat Chrysler und Peugeot büßten jeweils etwa sieben Prozent ein. Insidern zufolge droht den beiden Autobauern eine langwierige Prüfung ihres milliardenschweren Zusammenschlusses durch die EU.

rtr