Minus 35 Prozent innerhalb von zwei Tagen: Nach dem Kursrutsch vom Donnerstag ist der Kurs der Delivery Hero-Aktie am Freitag weiter eingebrochen. Mit einem Minus von zeitweise mehr als 13 Prozent ging es für das Papier des Essenslieferdienstes in Richtung der Marke von 40 Euro nach unten. Zuletzt konnte sich die Aktie etwas erholen, kostete aber am Nachmittag mit knapp 43 Euro immer noch sieben Prozent weniger als am Donnerstag.

Ein schwacher Ausblick hatte am Vortag die Anleger ernüchtert. Das Minus von gut 30 Prozent innerhalb eines Tages war in der Geschichte des Dax einer der größten prozentualen Tagesverluste einer Aktie. Das aktuelle Börsenumfeld gebe keinen Spielraum für Fehler, schrieb Analyst Manuel Mühl von der DZ Bank in einer aktuellen Studie. Delivery Hero habe im Schlussquartal vor allem bei den Aufträgen enttäuscht: "Die Anzahl der Bestellungen wuchs zwar um 28 Prozent, verfehlte aber mit 755 Millionen den Konsens von 850 Millionen deutlich", urteilte Mühl. Der Konzern müsse nun unbedingt einen klaren Pfad zur Profitabilität aufzeigen und das Vertrauen am Markt zurückgewinnen.

Ob dies gelingt, darf angezweifelt werden. Analyst Adrien de Saint Hilaire von der Bank of America (BofA) gab sich bereits pessimistisch. Er habe das Vertrauen in die operative Gewinnentwicklung von Delivery Hero verloren, schrieb er in seiner aktuellen Studie.

Etliche Analysten senkten am Freitag ihre Kursziele für die Titel des Dax-Konzerns, liegen damit aber teils immer noch erheblich über dem aktuellen Kurs. Das US-Analysehaus Bernstein Research etwa kappte das Kursziel von 160 auf 95 Euro, lies die Einstufung aber auf "Outperform". Das vierte Quartal sei düster gewesen und der Ausblick auf das Jahr 2022 verändere die "Aktienstory", schrieb Analyst William Woods in einer am Freitag vorliegenden Studie. Fundamental gefalle ihm das Unternehmen aber nach wie vor mit seinen differenzierten Märkten, einer höheren Marktdurchdringung und einer guten Übernahmehistorie. Delivery Hero sei der am schnellsten wachsende Akteur weltweit und sein bevorzugter Essenslieferant in Europa.

Dieser Einschätzung mochten sich die Anleger vor dem Wochenende jedoch nicht anschließen. Denn die Expansionspläne des Essenslieferdienstes und die damit verbundenen Ausgaben zwingen die Marktbeobachter dazu, ihre Schätzungen kräftig nach unten anzupassen, wie Experte Mühl erläutert. Er sieht den fairen Wert der Papiere nun bei 50 Euro und votiert weiter mit "Halten". Nach dem jüngsten Ausverkauf spiegele der Aktienkurs die vorhandenen Risiken angemessen wider.

Nicht mehr zum Kauf rät zudem die Bank of America (BofA) und kappte das Kursziel von 150 auf 56 Euro. Analyst de Saint Hilaire verwies auf das sogenannte Quick-Commerce-Geschäft mit in die Höhe schießenden Verlusten. Bei anderen Branchenwerten wie Deliveroo, Just Eat Takeaway und auch HelloFresh rät er indes weiter zum Kauf.

Nach dem jüngsten Ausverkauf bringt es Delivery Hero an der Börse nur noch auf einen Börsenwert von etwas mehr als zehn Milliarden Euro. Blickt man nur auf die tatsächlich frei handelbaren Aktien, ergibt sich ein Wert des sogenannten Streubesitzes, der für die Dax-Mitgliedschaft relevant ist, von weniger als sieben Milliarden Euro. Damit droht dem Unternehmen im März auch der Abstieg in den MDax. So könnte Daimler Truck dann via Fast Entry in den deutschen Leitindex aufsteigen. Im Gegenzug müsste dann der beim Streubesitz-Marktwert kleinste Dax-Konzern absteigen.

Beim Aufstieg von Delivery Hero in die erste deutsche Börsenliga im Sommer 2020, als das Unternehmen den Zahlungsabwickler Wirecard ersetzt hatte, hatten viele Experten den Schritt kritisiert. Der Grund: Der Lieferkonzern hatte noch nie seit der Gründung 2011 im laufenden Geschäft einen Gewinn erzielt. Auf Basis der aktuellen Regeln der Deutschen Börse würde Delivery Hero auch gar nicht mehr in den Dax aufsteigen können. Denn dafür muss ein Kandidat zwei Jahre infolge einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erzielt haben.

Einschätzung zur Delivery Hero-Aktie


Die Aussichten für Delivery Hero sind trüb. Wir empfehlen die Aktie daher vorerst nicht zum Kauf.

fh/dpa-AFX/rtr