Sie möchten Ihr Depot wechseln, aber Sie sorgen sich wegen Kosten oder Steuern? BÖRSE ONLINE erklärt, was Sie wissen müssen. Von B. Watermann und M. Schreiber

Billigbroker schießen derzeit wie die Pilze aus dem Boden. Kein Wunder, dass mancher Anleger einen Depot­umzug erwägt. Doch der will gut überlegt sein. Erstens nimmt nicht jeder Anbieter überhaupt Depotüberträge an. Zweitens sollte man an das Thema Abgeltungsteuer denken. BÖRSE ONLINE beantwortet die wichtigsten Fragen.


Wie läuft ein Depotübertrag eigentlich ab - gibt es da ähnlich wie bei Girokonten einen Wechselservice?
Anders als beim Girokontenwechsel gibt es beim Depotübertrag kein gesetzlich vorgegebenes Standardverfahren. Der Kunde kann entweder das Depot bei seiner alten Bank kündigen und dort die Daten seines neuen Depots angeben. Oder er kann die neue Bank beauftragen, für ihn das Depot bei der alten Bank zu kündigen. Wichtig: Während der Übertrag läuft, können Sie zeitweise nicht über Ihre Papiere verfügen.

Dürfen Depotüberträge etwas kosten? Und macht es einen Unterschied, ob man ein Depot komplett umzieht oder nur Teile überträgt?
Der Übertrag von Wertpapieren ist in Deutschland grundsätzlich kostenlos, egal ob das ganze Depot oder nur Teile davon übertragen werden. Die Herausgabe verwahrter Wertpapiere ist eine gesetzliche Pflicht, der Übertrag daher kostenlos. Der Bundesgerichtshof hat das schon vor vielen Jahren entschieden (Az.: XI ZR 200/03 und XI ZR 49/04). Doch wie das Wörtchen "grundsätzlich" schon impliziert: Gewisse Kosten können für Anleger trotzdem anfallen, wie der Bundesverband deutscher Banken mitteilt. Und zwar dann, wenn mit dem Übertrag auch die Inhaberschaft an Wertpapieren wechselt. Denn bei Namensaktien fällt regelmäßig ein Entgelt zur Umschreibung an, das einige Institute berechnen. Auch bei Lagerstellenwechseln von ausländischen Wertpapieren können Fremdkosten anfallen, die Kunden tragen müssen.

Ich würde gern mein Depot zu einem neuen Broker umziehen, aber der nimmt gar keine Wertpapierüberträge an. Darf der das?
Manche neuen Broker akzeptieren keine Depotüberträge zu ihnen. Zum Teil liegt das daran, dass bei ihnen nicht alle Arten von Papieren gehandelt werden können - übertragene Papiere könnten dann unter Umständen dort gar nicht veräußert werden.
Eine gesetzliche Pflicht, Wertpapier­überträge anzunehmen, gibt es nach Meinung von Bankenvertretern nicht, anders als bei der Herausgabe. Institute können daher selbst entscheiden, ob sie Überträge annehmen. Manche Häuser werben sogar mit Wechselprämien um neue Depots. Man sollte sich also vor Depoteröffnung auch über die Möglichkeit zum Wertpapierübertrag beim Wunschanbieter schlaumachen.

Ich möchte Wertpapiere auf ein neues, eigenes Depot übertragen. Muss ich Abgeltungsteuer auf Gewinne zahlen?
Die abgebende Bank prüft, ob der Depotwechsel einen Steuerabzug oder eine Mitteilungspflicht an das Finanzamt auslöst. Bei einem Depotübertrag ohne sogenannten Gläubigerwechsel ist das nicht der Fall. Selbst dann nicht, wenn man Vermögenswerte zu einer ausländischen Bank verlagert. Dann müssen Steuerzahler mit deutschem Wohnsitz die Erträge ihres Auslandsdepots allerdings später über die Steuererklärung selbst angeben, denn ausländische Anbieter ziehen keine deutsche Abgeltungsteuer ein. Der deutsche Fiskus treibt fällige Abgeltungsteuer über den Steuerbescheid ein.

Ziehen die Anschaffungsdaten meiner Wertpapiere mit um?
Bereits seit Start der Abgeltungsteuer 2009 müssen inländische Banken der neuen Bank Anschaffungskosten und Kaufdatum der übertragenen Wertpapiere mitteilen. Die Anschaffungskosten werden grundsätzlich erst seit Start der Abgeltungsteuer gespeichert, da dies vorher nicht notwendig war; Ausnahmen gab es für bestimmte Derivate, die früher als Finanzinnovationen galten. Da die Steuerdaten mit umziehen, lassen sich auch abgeltungsteuerfreie Kursgewinne auf den neuen Broker übertragen. Die aufnehmende Bank ist verpflichtet, die Daten bei ihrer Steuerberechnung zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann es Probleme geben, wenn die Wertpapiere kurz nach dem Übertrag ins neue Depot verkauft wurden und die neue Bank erst danach die richtigen Anschaffungsdaten erfährt. Sie muss dann die sogenannte Ersatzbemessungsgrundlage in Höhe von 30 Prozent des Verkaufspreises als Basis für den Abzug der Abgeltungsteuer heranziehen; eine Korrekturabrechnung muss sie nicht machen. In der Steuerbescheinigung weist die Bank aber Steuerabzüge aufgrund der "Ersatzbemessungsgrundlage" gesondert aus.
Anleger können den überhöhten Abzug über die Steuererklärung berichtigen (Eintragung in den Zeilen 7 und 9 der Anlage KAP). Dazu sollte man die Abrechnung der Bank über An- und Verkauf beifügen, das erspart Rückfragen. Sinnvoll ist es, sämtliche Kaufabrechnungen von Wertpapieren so lange aufzubewahren, bis sie verkauft wurden und die Abrechnung mit dem Finanzamt endgültig beendet ist.

Wie schaut es aus, wenn ich mein Depot aus dem Ausland ins Inland übertrage?
Wechselt man aus dem Ausland zu einer inländischen Depotbank, kommt es darauf an, von wo man zuzieht. Unproblematisch sind zum Beispiel alle 27 Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (Norwegen, Island und Liechtenstein). In diesen Fällen dürfen Anleger die Anschaffungskosten ihrer Papiere nur mit einer Bescheinigung der bisherigen Bank nachweisen. Aber Vorsicht: Daten zu Wertpapierverlusten und ausländischen Quellensteuern werden in keinem Fall mit übertragen, der Sparer muss sie selbst in der Steuererklärung abrechnen. Bei Verkauf oder Endfälligkeit der Wertpapiere zieht die Inlandsbank Abgeltungsteuer auf Basis der Ersatzbemessungsgrundlage ab. Und: Das Vereinigte Königreich gilt wegen des Brexits seit 1. Februar 2020 für steuerliche Zwecke von Depotüberträgen nun als Drittland.

Kann ich auch meine Verlustverrechnungstöpfe übertragen?
Noch nicht ausgeglichene realisierte Kursverluste hat die bisherige Bank in Verlustverrechnungstöpfen gespeichert. Für Aktienverluste wird dabei ein Extratopf geführt. Diese Verluste können auf den neuen Anbieter übertragen werden - aber nur, wenn das Depot vollständig umzieht und der Verlust­übertrag auf dem Formular für den Depotwechsel ausdrücklich beantragt wird. Der Antrag kann komplett für alle ungenutzten Verluste gestellt oder auf einzelne Verrechnungstöpfe beschränkt werden. Stellt man keinen Antrag, schließt die alte Bank die bisher geführten Verlusttöpfe und stellt eine Verlustbescheinigung aus. Sie kann man dann in der Steuererklärung geltend machen. Wichtig: Ein Verlusttransfer funktioniert nur zwischen Inlandsanbietern. Die gleichen Spielregeln gelten auch für bisher noch nicht verrechnete, aber grundsätzlich anrechenbare ausländische Quellensteuern, die die bisherige Bank gesondert gespeichert hat.

Was gilt, wenn die Papiere den Eigentümer wechseln?
Wenn der neue Depotinhaber nicht identisch mit dem bisherigen ist - also bei Erbschaften, Schenkungen oder einem Übertrag von Wertpapieren aus einem Einzeldepot auf ein Gemeinschaftsdepot mit dem Ehegatten -, greifen einige Besonderheiten. Hat man Papiere geerbt, informiert die bisherige Depotbank sofort das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt. Das fordert auf den Nachlass unter Umständen Erbschaftsteuer, sofern die Freibeträge (je nach Verwandtschaftsgrad) ausgeschöpft sind. Die Papiere werden mit allen Anschaffungsdaten in ein Depot des Erben übertragen. Abgeltungsteuer fällt darauf nicht an. Auch die Schenkung von Wertpapieren oder der Übertrag in ein Gemeinschaftsdepot lösen keine Abgeltungsteuer aus, wenn man im Wechselformular die bisherige Depotbank ausdrücklich auf die Schenkung hinweist und die gewünschten Infos liefert. Die Bank meldet anhand dieser Infos dem Finanzamt den Vermögenstransfer. Es greifen dieselben Regeln und Freibeträge wie bei Erbschaften, die Freibeträge erneuern sich allerdings alle zehn Jahre. Bei geschickter Gestaltung kann man auf diese Weise langfristig erhebliche Summen steuerfrei auf die Nachkommen übertragen. Liegen weder eine Erbschaft noch eine Schenkung oder ein Depotübertrag zwischen Ehegatten vor, geht die bisherige Depotbank von einer Veräußerung aus und behält Abgeltungsteuer ein.

Welche Besonderheiten gelten bei Fonds?
Nur ganze Fondsanteile lassen sich übertragen. Bruchteilsanteile müssen separat verkauft oder zurückgegeben werden. Seit 2019 versteuern Fondsanleger bei thesaurierenden Fonds jährlich einen Mindestertrag, die Vorabpauschale. Die inländische Depotbank übernimmt das Handling. Bei Auslandsverwahrung müssen sich Anleger selbst kümmern. Bei inländischem Depotübertrag werden seit 2020 die versteuerten Vorabpauschalen der neuen Depotstelle automatisch mitgeteilt. Für Fonds, die im Ausland verwahrt wurden und 2020 ins Inland umziehen, müssen sich Anleger in der Steuererklärung selbst darum kümmern, dass die bereits versteuerten Vorabpauschalen beim Verkauf richtig angerechnet werden.