Den Rekordstand des DAX und anderer Aktienindizes betrachten viele Anleger mit gemischten Gefühlen. Sind die Kurssteigerungen ein Beleg für eine nachhaltige Aktienhausse, an der man sich beteiligen sollte? Oder ist ein Allzeithoch ein Zeichen, dass eine Trendumkehr bevorsteht? Diese Fragen sind interessant, sie führen aber am Kern des Problems vorbei, dem sich viele Privatanleger heute gegenübersehen. Worum es wirklich geht: Das Absinken des Zinsniveaus im Euroraum unter die Inflationsrate stellt einen Paradigmenwechsel dar. Jahrzehntelang hat das Rentensegment eines Wertpapierdepots mit minimalem Risiko eine solide Basisrendite erwirtschaftet. Heute müssen wir akzeptieren, dass man in höherem Umfang als bisher Wertpapierrisiken eingehen muss, um eine Chance auf realen Kapitalerhalt zu haben.

Doch betrachtet man die Fakten, geschieht genau das Gegenteil: Viele haben sich in den vergangenen Jahren von den Kapitalmärkten zurückgezogen. Nach einer Statistik der Deutschen Bundesbank fiel von 2008 bis 2012 der Anteil von Aktien, Anleihen und Fonds am Vermögen der Deutschen um acht Prozentpunkte. In den Jahren davor war dieser stetig gestiegen. Doch in den letzten Jahren wurden Bargeld und Tagesgeld aufgestockt. Da die Inflationsrate über der Verzinsung von Tagesgeld liegt, geht hier Kaufkraft verloren. Die Suche nach dem Einstieg in Wertpapierinvestitionen wird wohl oft frühzeitig aufgegeben.

Viel sinnvoller, als auf das "perfekte Market Timing" zu hoffen, kann es sein, ein breit gestreutes Depot aus mehreren Anlageklassen aufzubauen. Ein Vorschlag vom Institut für Vermögensaufbau (IVA) empfiehlt für einen Anleger mit einer mittleren Risikobereitschaft einen Aktienanteil von 50 Prozent, einen Rentenanteil von 40 Prozent und eine Barreserve von zehn Prozent. Dabei sollte das Portfolio regelmäßig neu ausgerichtet werden. Und es kann sinnvoll sein, kostengünstige, effiziente Instrumente wie börsengehandelte Indexfonds (ETFs) zu wählen, damit die Gebühren so wenig wie möglich auf die Rendite drücken.

Oft war es sogar nachteilig, mit "Market Timing" anzulegen und den "richtigen" Ein- und Ausstiegszeitpunkt zu suchen, wie der Fondsdatenanbieter Morningstar errechnet hat. Die Morningstar- Analysten haben die Rendite von Investmentfonds in verschiedenen Kategorien und Zeiträumen untersucht und auch die Zu- und Abflüsse berücksichtigt. Dabei zeigte sich, dass in den meisten Fällen zum ungünstigsten Zeitpunkt ge- oder verkauft wurde. Über fünf Jahre per Ende Oktober 2013 war die Timing-basierte Rendite in neun von zehn Kategorien schlechter als ein ununterbrochenes Fondsinvestment.

Wer noch keine größere Anlagesumme zur Verfügung hat, kann auch über einen Sparplan Stück für Stück einen Kapitalstock aufbauen, zum Beispiel über ETFs. Es ist in der Regel schon für kleine Raten ab 50 Euro möglich, mit wenigen ETFs ein breit gestreutes Portfolio aus verschiedenen Anlageklassen aufzubauen. Experten des Vermögensverwalters VZ Vermögenszentrum haben ausgerechnet, dass ein ETF-Sparplan sogar gegenüber einer Einmalanlage einen noch höheren Ertrag erbringen kann, wie etwa zwischen 2000 und Ende Oktober 2013, als die Aktienmärkte in Deutschland stark schwankten. In diesen Phasen brachte ein DAX-ETF-Sparplan aufgrund des Durchschnittskosten-Effekts eine um 34 Prozent höhere Rendite als eine Einmalanlage.

Den optimalen Zeitpunkt einer Investition zu finden ist schwierig. Viel wichtiger ist es deshalb, sich sowohl über Investitionshorizont und -ziel als auch über das Risikoprofil im Klaren zu sein. Erst dann sollte man mit dem Aufbau eines breit gestreuten Depots beginnen. Alternativ gibt es auch Produkte, die ein diversifiziertes Portfolio in einem einzigen ETF anbieten, der bereits in mehrere Anlageklassen investiert und dynamisch umschichtet.

Kai Bald

1997 startete Bald bei der Deutschen Bank und leitete ab 2001 das Group-Branding für die Marke Deutsche Bank. Seit Ende 2012 leitet Bald weltweit den Bereich Public Distribution für Passive Produkte wie ETFs, ETCs und systematische Fonds bei der Deutschen Asset & Wealth Management (DeAWM). Mit 934 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen ist das Unternehmen einer der führenden Vermögensverwalter weltweit.