Das Verfassungsgericht hat Teile des Bundeshaushalts für verfassungswidrig erklärt. Was bedeutet das für den deutschen Aktienmarkt? Analysten von Kepler Research gingen der Sache in einer neuen Studie auf den Grund. Welche Konzerne von klaffenden Etatlücken besonders betroffen sein könnten

Die Analysten von Kepler Research haben in einer Studie aufgelistet, welche Branchen und Unternehmen von der Berliner Haushaltskrise und den klaffenden Löchern im Bundeshaushalt besonders betroffen sein könnten. Denn es droht nicht nur ein schärferer Sparkurs, sondern auch eine weitere Verunsicherung von Wirtschaft und Verbrauchern sowie zusätzliche volkswirtschaftliche Wachstumseinbußen.

Die gute Nachricht zuerst: Insbesondere die DAX-Konzerne haben ihren Fokus auf die globale Wirtschaft gerichtet und erzielen nur einen kleinen Teil ihre Wertschöpfung in Deutschland selbst. So entfallen laut Kepler lediglich 20 bis 25 Prozent der Gewinne der DAX-Konzerne auf Deutschland. So heiß das Haushaltsthema politisch diskutiert werde, so überschaubar seien die direkten Folgen für den deutschen Aktienmarkt als Ganzes, heißt es bei Kepler.

Breites Spektrum

Dennoch hat das Kepler-Analystenteam einige kritische Punkte aufgelistet, wo es zu Problemen kommen könnte – die Betonung liegt auf könnte. Das betrifft zunächst den Schutz vor steigenden Energiepreisen. Die vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF bis 2024 vorgehaltenen Mittel für Gas- und Energiepreisbremse würden wegen der stark gesunkenen Energiepreise derzeit allerdings nicht benötigt. So stelle der Wegfall dieses Schutzmechanismus zumindest aktuell kein großes Problem dar – außer es komme zu einem Wiederaufflackern des Preisanstiegs, von dem die chemische Industrie in Deutschland mit Konzernen wie Covestro oder BASF und Produktionsanteilen im Inland von 20 bis 30 Prozent betroffen wäre.

Energiekonzerne wie RWE und Uniper könnten unter eingeschränkten Fördermitteln für erneuerbare Energien leiden, ebenso Siemens Energy, Vestas oder Nordex. Zu Auswirkungen könnte es auch in den Bereichen E-Mobilität und Ladestationen kommen. Nach Befürchtungen in der Autoindustrie stellt das Verfassungsgerichtsurteil sogar die künftige Förderung der Elektromobilität in Frage. Autoverbände fordern deshalb weitere staatliche Anreize zum Kauf von E-Autos ebenso wie  zum Aufbau von Ladeinfrastruktur. 

Laut Kepler-Studie könne die Haushaltsschieflage die Verbraucher weiter verunsichern und zu sinkender Konsumneigung führen - eine Gefahr vor allem für Konsumgüterhersteller. Mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft käme das auch noch zur denkbar schlechtesten Zeit. Die Unsicherheit könne aber auch das Vertrauen in das politische System weiter schwächen, was ebenfalls den Konsum nicht fördere. Besonders betroffen wären davon Konzerne wie Fielmann und Ceconomy.

Unternehmen wie Bechtle und Cancom seien sehr stark von öffentlichen Investitionen in IT-Infrastruktur abhängig, die eingeschränkt werden könnten. Zumindest kurzfristig seien hier aber keine gravierenden Auswirkungen zu erwarten. Bei Bechtle ist Kepler ohnehin schon etwas vorsichtiger in seiner Einschätzung (neutral) geworden, und sieht das jetzt noch mehr gerechtfertigt.

Von möglichen Förderstopps für die Halbleiterindustrie wiederum wäre Intel mit seiner deutschen Fabrik am stärksten betroffen. Infineon, Jenoptik, Pfeiffer Vacuum und VAG hätten nur ein geringes Exposure. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters will die Bundesregierung an der Förderung für die Chipfabriken in Magedburg (Intel) und Dresden (TSMC) indes "mit großer Sicherheit" festhalten. Reuters bezieht sich auf Informationen aus Regierungskreisen. "Die Zusagen für Intel und TSMC bleiben", sagten demnach Insider zu Reuters.

Auswirkungen der Haushaltskrise könnte es laut der Kepler-Studie schließlich auch auf die Bahnindustrie (Vossloh, Siemens) und Banken (indirekt über deren Mittelstandsgeschäft) geben, wenn Unternehmen wegen Förderkürzungen ihre Investitionen zurückfahren.


Hintergrund:


Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hatte vergangene Woche die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite im Volumen von 60 Milliarden Euro zur Finanzierung des sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) für nichtig erklärt. Auch der 200 Milliarden Euro umfassende Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ist von dem Urteil betroffen. Damit klaffen gewaltige Deckungslücken im Bundeshaushalt für 2023 und 2024, über die gerade in der Bundesregierung gerungen wird. Finanzminister Christian Lindner hatte über den KTF bereits eine Ausgabensperre verhängt. Ökonomen und Wirtschaftsverbände haben bereits vor negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum gewarnt.

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