Längst hat Tesla die etablierten Autobauer abgehängt. Die Kalifornier sind mittlerweile mehr wert als sämtliche deutschen Autokonzerne zusammen und auch mehr als Toyota, der weltweit größte Hersteller. Es ist eine fulminante Rally, die der Wert aufs Parkett zaubert. Seit Mitte März legte er um 300 Prozent zu. Entsprechend ist der 18-Prozent-Anteil von Chef Elon Musk gestiegen. Momentan ist dieser mehr als 50 Milliarden Dollar wert. Tesla entspricht dem Zeitgeist. Und da spielt es auch keine große Rolle, ob die Kurszuwächse fundamental begründet sind oder nicht. Viel wichtiger ist das richtige Timing.

Die Tesla-Aktie hat fast etwas Religiöses: Gläubige und Ungläubige stehen sich hier gegenüber. Die "Atheisten" glauben nicht daran, dass der Kurs noch steigt. Sie spekulieren auf fallende Kurse. Aktuell sind knapp zehn Prozent der Aktien, die sich im Streubesitz befinden, leerverkauft. Das heißt, dass vor allem Hedgefonds auf fallende Kurse setzen, weil sie glauben, dass der Titel zu hoch bewertet ist. Gegen eine Gebühr leihen sie sich Aktien, etwa von Fondsgesellschaften, und verkaufen diese über die Börse. Immer in der Hoffnung, dass der Kurs fällt und sie die Titel dann wieder günstiger einkaufen können, um die Differenz als Gewinn einzustreichen.

Gelingt dies nicht, sind sie gezwungen, ihre Positionen zu schließen, um die Verluste zu begrenzen. So setzt sich eine Kursspirale nach oben in Gang, die vehement ausfallen kann und mit herkömmlichen Bewertungskriterien kaum nachzuvollziehen ist. Bei Tesla ist dies sicher einer der Hauptgründe für den steilen Anstieg. Allerdings ist es auch Fakt, dass die Geschäfte gut laufen.

Zwischen April und Juni lieferte der Konzern 90 650 Elektroautos aus und schlug damit die Erwartungen klar. Der Großteil mit mehr als 80 000 Autos entfiel auf das Model 3. Vor allem mit diesem will sich Tesla im Massenmarkt etablieren. Bis 2025 wollen die Kalifornier insgesamt vier Millionen Autos pro Jahr verkaufen.

Obwohl Corona den Markt ausbremste, verringerten sich die Auslieferungen nur um fünf Prozent. Bei Toyota waren es 35 Prozent. Allerdings: Die Japaner lieferten im vergangenen Quartal immer noch mehr Autos aus als Tesla im kompletten Jahr. Kurzfristig ist die Aktie zu teuer, auch wenn Teslas Aussichten insgesamt sehr gut sind.

Steil ist auch der Aufstieg der Aktie von Nikola. Kurz nach dem Börsengang Anfang Juni schnellte der Kurs in die Höhe, der US-Hersteller von wasserstoff- und batteriebetriebene Lkw und Pick-ups war innerhalb kürzester Zeit 30 Milliarden Dollar wert - mehr als einige Wettbewerber, die seit Jahrzehnten am Markt sind. Über einen sogenannten SPAC, eine Art Börsenmantel, ist das Unternehmen an die Börse gekommen. Vorschusslorbeeren und Vorbestellungen sind genug vorhanden, harte Umsätze jedoch frühestens 2021. Nach Firmenangaben gibt es 14 000 Truck-Vorbestellungen.

Wegen der Produkte und des Designs werden häufig Vergleiche mit Tesla gezogen. Allerdings hatten die Kalifornier bei dieser Börsenbewertung schon Autos auf dem Markt. Nikolas Vorstandschef Trevor Milton ist dennoch von sich überzeugt: "Es gibt nur sehr wenige Menschen auf der Welt, die Elon übertrumpfen können, ich bin einer von ihnen." Anleger warten bessere Einstiegsgelegenheiten ab.


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Branche im Wandel


Ein klarer Trend zeigt sich in der Krise: Im Mai wurden auf den wichtigen Märkten deutlich weniger Autos mit Verbrennungsmotor verkauft. In Großbritannien ging der Absatz um 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück. Bei den batteriebetriebenen Autos lag das Minus lediglich bei 28 Prozent. In Deutschland und in Frankreich wurden sogar jeweils knapp 60 Prozent mehr E-Autos verkauft. Die Gründe: Zum einen macht die Infrastruktur deutliche Fortschritte. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) ist die Zahl der Ladestationen 2019 um 60 Prozent gestiegen. Zum anderen sorgen die Förderung der E-Mobilität und der Druck der Politik für einen Schub. Für Pkw soll der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent sinken.

Mit mehr als 900 000 verkauften E-Autos steht China für 60 Prozent aller abgesetzten Stromer weltweit. Bislang teilen sich den Markt zum allergrößten Teil heimische Konzerne auf, allen voran BYD. Nach langem Hin und Her brach der Aktienkurs aus der Seitwärtsbewegung aus und machte sich auf in Richtung Allzeithoch, bevor er dem steilen Anstieg etwas Tribut zollen musste. Mit ein Grund für das Wiedererwachen ist der Launch von vier neuen Modellen. Analysten gehen davon aus, dass es nach einem schwächeren Halbjahr in der zweiten Jahreshälfte kräftig nach oben geht.

Einen großen Satz machte auch der Elektroautoneuling Nio: Um 180 Prozent ging es seit Anfang Juni aufwärts. Ähnlich wie bei BYD kam dann ein Bruch. Die Aktie ist spekulativer als die des Wettbewerbers: Die Chinesen wachsen rasant und haben zuletzt wieder viel Geld eingesammelt. Langfristig ist der Titel interessant, aktuell bleiben Anleger an der Seitenlinie.

Der Beratungsfirma McKinsey zufolge soll Europa künftig zum E-Auto-Eldorado werden. In Deutschland am besten aufgestellt ist Volkswagen. Sukzessive wollen die Wolfsburger die Palette an Elektroautos ausbauen. Seit dieser Wochen können Kunden das erfolgversprechende Modell ID.3 bestellen. Ausgeliefert werden soll es ab September. Auch der Bulli soll als Elektrobus neu belebt werden und als ID BUZZ 2022 auf den Markt kommen. Bei VW erholte sich im Juni vor allem das Geschäft in China wieder etwas. Absatzprobleme hat der Konzern auf dem Heimatmarkt.

Auch Toyota ist elektrisch gut unterwegs. Zudem setzen die Japaner auf den Wasserstoffabtrieb. Und statt großer Elektro-SUV bauen sie massentaugliche Kleinwagen. Vor allem jedoch glaubt Toyota weiterhin an Hybridmodelle, also Misch­linge aus Verbrenner- und Elektrofahrzeugen. Mittelfristig ist der Konzern damit gut aufgestellt.

Auf einen Blick: Elektroautos


Dank großzügiger Förderung und dem Willen, die CO2-Ziele zu erfüllen, legt der Absatz von Eletroautos in den größten europäischen Ländern auch während der Corona-Krise kräftig zu. Herkömmliche Pkw verkaufen sich hingegen deutlich schlechter als früher.