Nachhaltiges Investieren sollte ehrlich sein und nicht der Gewissensberuhigung dienen - und es ist alles andere als eine leichte Aufgabe. Von Michael Reuss, Gastautor für €uro am Sonntag

Der Trend zur grünen Geldanlage gewinnt immer mehr an Bedeutung. Doch ein wirklich nachhaltiges Portfolio zusammenzustellen ist nicht einfach. Nachhaltiges Investieren war lange Zeit eine Nischenthema, für das sich allenfalls spezielle Anleger wie Kirchen interessierten. Das hat sich in den vergangenen Jahren gründlich verändert. Grüne Geldanlage ist zu einem Trend geworden, immer mehr Kunden möchten ihr Erspartes mit gutem Gewissen investieren. Weltweit sollen mehr als 20 Billionen US-Dollar in grünen Invest­mentvehikeln stecken - Tendenz weiter steigend. Dass sich grünes Gewissen und gute Renditen ergänzen, zeigt ein Blick auf die Performance.

So schneidet nach Angaben des Indexanbieters MSCI der MSCI World Socially Responsible Investment-Index, in dem 400 besonders nachhaltig wirtschaftende Unternehmen aus 23 Ländern enthalten sind, auf Drei-, Fünf- und Zehnjahressicht leicht besser ab als der klassische MSCI World. Verwunderlich ist das nicht. Denn Unternehmen, die Ressourcen sparsam einsetzen oder sich um ein gutes Betriebsklima kümmern, wirtschaften meist besser als jene, die unnötig viel Energie verbrauchen oder ihre Mitarbeiter vergraulen.

Doch wie wird Nachhaltigkeit definiert? Eine wichtige Orientierung bietet der Begriff ESG, abgeleitet von den englischen Vokabeln Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). ESG-konfor­me Unternehmen handeln möglichst umwelt- und klimafreundlich, kümmern sich um den Schutz von Menschenrechten und bemühen sich um eine transparente und gute Unternehmensführung. Um nachhaltige Investments zu finden, gibt es unterschiedliche Ansätze.

Das wohl meistverbreitete Konzept ist der Best-in-Class-Ansatz. Hier werden die Konzerne mit den besten Nachhaltigkeitsleistungen ihrer jeweiligen Branche ausgewählt. Im Prinzip ein guter Ansatz, da Unternehmen branchenübergreifend angespornt werden, möglichst nachhaltig zu agieren. Der große Nachteil: Auch Rüstungs- oder Tabakkonzerne, die ressourcenschonender und sozialverträglicher handeln als ihre Wettbewerber, erhalten bei diesem Konzept ein Sustainability-Prädikat. Doch möchte ein betont ethisch denkender Anleger Rüstungs- oder Tabakkonzerne in seinem Portfolio finden? Wohl eher nicht.

Nachhaltigkeit ist letztlich eine Frage der Definition

Andere Ansätze zielen direkt auf das ­Geschäftsmodell ab. Hier werden Firmen als ethisch korrekt eingestuft, die einen Großteil ihres Umsatzes in nachhaltigen Geschäftsfeldern erwirtschaften. Doch auch hier liegt der Teufel im Detail. Nur weil eine Firma etwa Fahrräder produziert, muss sie nicht unbedingt nachhaltig agieren. Möglicherweise verschwendet sie unnötig viel Energie in der Produktion oder hat eine schlechte Mitarbeiterführung.

Ein nachhaltiges Portfolio zusammenzustellen ist also keine einfache Aufgabe. Und letztlich eine Frage der Definition. Aus deutscher Sicht werden zum Beispiel Investitionen in Atomkraftwerke meist nicht als nachhaltig empfunden. In Frankreich schon, da Kernkraftwerke kaum CO2 produzieren.

Inzwischen hat sich die Politik des Themas angenommen. Die EU will dafür sorgen, dass Nachhaltigkeitsthemen in der Asset Allocation stärker berücksichtigt werden. Die Idee: Damit die ­Europäische Union ihre Klimaziele bis 2030 erreichen kann, müssten 180 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich investiert werden. Aus Sicht der EU kommt der Finanzwirtschaft dabei eine Schlüsselrolle zu, da eine bewusste Steuerung von Geldströmen die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft beeinflussen kann. EU-Kommission und Europäisches Parlament arbeiten so an verschiedenen Gesetzgebungsinitiativen.

Viele Vertreter der Finanzbranche sehen die Pläne aber kritisch. Sie befürchten, dass die Aufsichtsbehörden unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit mehr Einfluss gewinnen möchten. Aus Sicht von Huber, Reuss & Kollegen ist die Skepsis berechtigt, da zu befürchten ist, dass ein neues Bürokratiemonster entsteht, das den Spielraum einer verantwortungsvollen Kapitalanlage weiter ein­engt und ad absurdum führt.

Kurzvita

Michael Reuss
Geschäftsführender Gesellschafter der Huber, Reuss & Kollegen Vermögens­verwaltung
Der 50-Jährige ist gelernter Bankkaufmann und Bankfachwirt. Seine berufliche Laufbahn startete er 1986 bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank, später wurde er Abteilungsdirektor Private Wealth Management bei der Münchner Niederlassung der Berliner Bank. 2000 gründete er zusammen mit seinem Partner Friedrich Huber die bankenunabhängige Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen. Als exklusiver Vermögensverwalter mit mehrfach ausgezeichneter Performance-­Historie ist Huber, Reuss & Kollegen für anspruchsvolle Privatkunden, Stiftungen und namhafte Institutionen tätig. Das verwaltete Vermögen liegt bei 2,5 Milliarden Euro.