Zugegeben, auf den ersten Blick ist das Geschäftsmodell von Fielmann nicht so aufregend wie die Visionen von so manchen Hightech-Konzern. Doch der Aktienkurs überzeugt jeden Anleger: In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Preis verfünffacht. Mit dieser Performance stellt die Fielmann-Aktie nicht nur die DAX-Indizes sondern auch zahlreiche andere Werte locker in den Schatten. Zugleich ist die Volatilität eher gering. Während der DAX beim Crash in 2008 und 2009 um rund 55 Prozent absackte, glänzte die Fielmann-Aktie mit einer beeindrucken Relativen Stärke. Wer 2007 zum Top kaufte, musste Anfang 2008 höchstens Buchverluste von kurzzeitig 40 Prozent akzeptieren. Ein Jahr später attackierte der Wert bereits wieder das 2007er-Rekordhoch, kurze Zeit später feierten die Anleger frische Allzeithochs.

Viele Investoren sehen den Wert als einen sicheren Hafen, der neben einem guten Wachstum im Geschäft und einer starken Bilanz besonders mit einer erfreulichen Dividendenentwicklung glänzt. Bei einer Ausschüttungsquote von 88 Prozent erhielten Anleger für das abgelaufene Geschäftsjahr eine von 2,70 Euro auf 2,90 Euro erhöhte Dividende. Für das laufende Jahr rechnet Börse Online mit 3,05 Euro, für 2015 könnten 3,25 Euro je Aktie überwiesen werden. Übertragen auf den Kurs bietet der MDAX-Wert eine attraktive Dividendenrendite von 3,1 Prozent und stellt für viele Investoren ein Bondersatz in ihrem Portfolio dar. Vor allem der Blick in den Rückspiegel beeindruckt. In der Grafik sind alle Dividendenzahlungen seit 1997 abgetragen. Selbst in konjunkturell schwierigen Zeiten wie kurz nach der Jahrtausendwende oder in 2008 / 2009 wurde die Ausschüttung nicht reduziert.

Dazu passt auch die Wachstumsstory der vergangenen Jahre. Nach Angaben des Unternehmens kennen mehr als 90 Prozent aller Bürger den Namen. Gründer Günther Fielmann eröffnete 1972 sein erstes augenoptisches Fachgeschäft in Cuxhaven. Inzwischen stammt jede zweite Brille in Deutschland von den Hamburgern. Zuletzt verkaufte der MDAX-Konzern in 679 Niederlassungen 7,3 Millionen Brillen und erzielte 2013 einen Umsatz von 1,35 Mrd. Euro. In Österreich und der Schweiz ist man mit 34 Niederlassungen vertreten und nimmt gemessen an den Stückzahlen ebenfalls die Position des Marktführers ein. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Hamburger im Brillenmarkt mit fünf Prozent aller deutschen Optikgeschäfte einen Umsatz-Marktanteil von 20 Prozent und einen Stückzahlmarktanteil von mehr als 51 Prozent. Ein klarer Beleg für die Preiswürdigkeit des Konzerns."Die Preise sind bei uns nur halb so hoch; deshalb fallen die Marktanteile bei Absatz und Umsatz auseinander", ließ Vorstandschef Fielmann durchblicken.

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Beeindruckende Marktmacht

Den Trend in der Branche, verstärkt auch über das Internet Brillen anzubieten, erteilte der Firmenlenker eine Absage. "Wenn ich eine optimal eingestellte und gut sitzende Brille verkaufen will, dann kann ich das nur im Kontakt mit dem Kunden", sagte Fielmann. Denn über das Internet lassen sich keine wichtigen Informationen messen, mit der Folge, dass die Brillen schlecht sitzen und der Kunde unzufrieden ist. Auch wenn einige Anbieter im Internet zuletzt kräftige Zuwächse verzeichneten, liegt der Anteil der Onlineanbieter am Umsatz nur bei knapp drei Prozent. Fielmann entzieht sich dem harten Preiskampf im Netz und setzt auf sein bewährtes Konzept: Persönliche Beratung vor Ort in den Filialen.

Und der Erfolg kann sich sehen lassen. Der Durchschnittsumsatz einer Fielmann-Niederlassung in Deutschland liegt bei 1,8 Mio. Euro, in der Schweiz sind es rund fünf Mio. Euro, in Österreich 2,6 Mio. Euro. Zum Vergleich: Nach Angaben des Zentralverbands der Augenoptiker (ZVA) beträgt der Durchschnittsumsatz eines deutschen Optikgeschäfts nur 0,3 Mio. Euro. Fielmann-Niederlassungen verkaufen rund 35 Brillen am Tag, der traditionelle Optiker im Durchschnitt weniger als zwei Brillen. Dank der hohen Stückzahl kann der Konzern seine Produkte zu günstigen Preisen verkaufen, weil mehr Brillen abgegeben werden als alle Optiker in Dänemark, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden zusammen. Die Brillen der Fielmann-Collection liegen nach eigenen Angaben um rund 70 Prozent unter dem Preisniveau von Waren mit einem Markenaufdruck. Kunden erhalten die Produkte somit zum Einkaufspreis des traditionellen Optikers. Zugleich kann der Konzern schnell auf neue Trends reagieren. Normalerweise benötigt die Industrie rund fünf bis neun Monate für die Einführung eines Brillenmodells. Fielmann kann dank der eigenen Produktion in Deutschland Modetrends innerhalb von wenigen Wochen aufnehmen.

Trotz der Erfolge in den vergangenen Jahren bieten die deutschsprachigen Länder nach wie vor viel Potenzial. Deutschlandweit soll je 100.000 Einwohner eine Niederlassung betrieben werden, rund 100 weitere Läden, vornehmlich in Süddeutschland, sind dazu notwendig. Im Norden sollen Absatz- und Umsatzpotenziale durch Umzug in größere Einheiten und bessere Lagen erzielt werden.

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Neuer Gewinn- und Kurstreiber in Sicht

Um weiteres Wachstum zu generieren, setzt der Branchenprimus besonders auf Gleitsichtbrillen, Kontaktlinsen und Hörgeräte. Mittelfristig soll der Anteil von Gleitsichtbrillen am Absatz um mehr als die Hälfte zulegen. Während der Gleitsicht-Anteil bei Fielmann nur bei 23 Prozent liegt, ist branchenweit jede dritte Brille eine mit mehreren Stärken. Die aufwändigeren Gleitsichtbrillen sind bis zu vier Mal so teuer wie die traditionellen Gläser. Umsatz und Gewinn dürften von dieser Entwicklung entsprechend stark profitieren.

Vor diesem Hintergrund sollten auch die Eckdaten zum zweiten Quartal nicht überbewertet werden. Das überraschend hohe Wachstumstempo der ersten drei Monate konnte nicht beibehalten werden. Die seit Jahren bewährten defensiven Qualitäten, dass nahezu fehlende Währungsrisiko, die starke Marktstellung und die hohe Dividendenrendite sprechen eindeutig für die Aktie.

Einziges Manko: Während die Kunden von den günstigen Preisen profitieren, müssen Anleger für die Aktie inzwischen tief in die Tasche greifen. Sowohl das 2015er-KGV von 25 als auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 8,7 zeigen sonnenklar, dass bereits ordentlich Vorschusslorbeeren im Kurs enthalten sind. Zumindest optisch werden die Papiere bald billiger. Im dritten Quartal soll ein Aktiensplit im Verhältnis von 1:2 durchgeführt werden. Dies könnte neue Anleger in den Wert locken, auch wenn sich an der Bewertung nichts ändert.