Neben der Mainmetropole werben auch Paris, Dublin und andere europäische Städte um Unternehmen, die wegen des Brexit-Votums Geschäfte aus London abziehen wollen. Um Banken nach Frankfurt zu locken, denkt Hessen unter anderem über Ausnahmen vom deutschen Arbeitsrecht nach.

An der Sitzung des Finanzplatzkabinetts nahmen Vertreter der Bundesregierung, der hessischen Landesregierung, der Bundesbank, der Finanzbranche sowie der Realwirtschaft teil. Die Mitglieder der Gremiums wollen künftig regelmäßig zusammenkommen und in Brüssel und London für Frankfurt werben, wie Bouffier ankündigte. "Wir müssen unsere Kräfte bündeln."

Einsetzen will sich Bouffier unter anderem für die Ansiedlung der europäischen Bankenbehörde EBA in Frankfurt, schließlich hat sich bereits die EZB-Bankenaufsicht am Main niedergelassen. "Ich bin sicher, dass wir dafür in Summe auch im Konzert der Bundesländer deutliche Unterstützung erhalten." Dass der bayerische Finanzminister Markus Söder kürzlich für einen Umzug der bisher in London beheimateten Behörde nach München warb, beunruhigt Bouffier nach eigenem Bekunden nicht. "Das haben wir auch zur Kenntnis kommen. Aber das ist aus meiner Sicht nicht wirklich ernst zu nehmen."

DERIVATE-CLEARING JA, BÖRSENFUSION VIELLEICHT



Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) machte deutlich, dass sich Frankfurt auch um die Abwicklung von Euro-Derivategeschäften (Clearing) bemühen will, die von London aus künftig wohl nicht mehr möglich ist. "Das ist einer der Punkte, die sehr spannend sein werden." Unmittelbare Auswirkungen auf "die Genehmigungsfähigkeit" der Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) werde diese Frage jedoch nicht haben. Das Votum hänge vor allem davon ab, ob es eine Fortentwicklungsperspektive für die Frankfurter Wertpapierbörse und die Derivatebörse Eurex gebe.

In Al-Wazirs Ministerium ist die hessische Börsenaufsicht angesiedelt, die den rund 25 Milliarden Euro schweren Zusammenschluss untersagen kann. Experten gehen davon aus, dass bei einer Fusion große Teile des Euro-Clearings von London nach Frankfurt wandern würden. Platzt der Zusammenschluss, hat Paris gute Karten, sich das Geschäft zu sichern.

Hessen wünsche sich nach wie vor eine Ansiedlung der fusionierten Börse in Frankfurt, sagte Bouffier. Die Frage des Hauptsitzes der Mega-Börse, der bisher in London geplant ist, werde "allergrößten Einfluss" auf die Entscheidung der Börsenaufsicht haben. Grundsätzlich sieht Bouffier den geplanten Deal positiv. "Die Landesregierung ist der Überzeugung, dass eine Fusion Sinn macht, um eine Börse zu schaffen, die stark genug ist, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten."

KEINE ANGST VOR STEUERWETTBEWERB MIT PARIS



Laut Wirtschaftsminister Al-Wazir gibt es in der Finanzbranche die Sorge, dass bestimmte Verträge von Top-Managern und Händlern "quasi unbezahlbar" würden, wenn man sie ins deutsche Arbeitsrecht mit seinen strengen Kündigungs- und Abfindungsregeln überträgt. "Da wird man über die Frage nachdenken müssen, ob man für diesen kleinen Bereich Übergangsfristen schaffen kann", sagte Al-Wazir. Grundsätzliche Änderungen am deutschen Arbeitsrecht werde es aber nicht geben.

London hat eine Senkung der Unternehmenssteuer angekündigt, um eine Massenabwanderung nach der Brexit-Entscheidung zu verhindern. Aus Sicht von Hessen Finanzminister Thomas Schäfer handelt es sich dabei vor allem um eine symbolische Geste. Auch die Ankündigung aus Paris, Steuervorteile für ausländische Mitarbeiter von fünf auf acht Jahre auszudehnen, sieht Schäfer gelassen. "Den Steuerwettbewerb mit Frankreich brauchen wir unter keinen Umständen zu fürchten."