Zukäufe sind ein wichtiges Element in der Geschäftsstrategie von Fresenius. Kurz vor Weihnachten hat sich der DAX-Konzern die Eugin-Gruppe geschnappt. 430 Millionen Euro bezahlt Fresenius für einen der weltweit führenden Spezialisten für die Behandlung von Kinderlosigkeit, der 2019 einen Umsatz von 160 Millionen Euro und einen operativen Gewinn von 31 Millionen Euro erzielte. Geben die Kartellbehörden grünes Licht, ist der Deal bis Mitte 2021 unter Dach und Fach. Eugin wird bereits in diesem Jahr zum Konzernergebnis beisteuern.

Für Fresenius ist die Eugin-Akquisition eine weitere Schlüsseletappe bei der Rückkehr in die Erfolgsspur der vergangenen Jahre. Dabei hat ein Fehleinkauf die zweijährige Durststrecke seit 2018 verschärft. Die wegen angeblich fehlerhafter Medikamententests abgeblasene Übernahme von Akorn, einem Generikahersteller aus den USA, sorgte für einen Stimmungswechsel bei den Investoren. Es kamen Zweifel auf, ob Fresenius immer ein glückliches Händchen bei seinen Akquisitionen hat.

Zugleich schwächte sich das Wachstumstempo ab, der jahrelange Aufschwung kam ins Stocken. Die Corona-Krise tat ihr Übriges. Vor allem in der Kliniksparte Helios und im Geschäftsfeld Kabi mit seinen Infusionstherapien und Produkten für klinische Ernährung sackten Umsatz und Gewinn ab. An den Finanzmärkten wurde Fresenius nicht mehr als Wachstumswert mit einem breit diversifizierten Portfolio wahrgenommen, sondern als stagnierender Gesundheitskonzern. Das turbulente Börsenjahr 2020 beendete Fresenius mit der zweitschlechtesten Performance unter allen DAX-Titeln. Seit Mitte 2018 hat der Titel rund die Hälfte seines Börsenwerts verloren. Die Geschäftsentwicklung im dritten Quartal 2020 lässt klar erkennen, dass Fresenius die Talsohle durchschritten hat. Die 8,9 Milliarden Euro beim Umsatz bedeuten einen währungsbereinigten Zuwachs um fünf Prozent. Das bereinigte Konzernergebnis lag mit 427 Millionen Euro zwar um vier Prozent unter dem Vorjahr. Aber auch hier hatten Branchenexperten mit einem stärkeren Rückgang gerechnet.

Der um Dividenden und Akquisitionen bereinigte freie Cashflow belief sich auf 2,15 Milliarden Euro - und übertraf damit die Mittelzuflüsse von einer Milliarde Euro aus dem Geschäftsjahr 2019 um mehr als das Doppelte. Für Fresenius ist das ein wichtiges Qualitätssiegel, denn nur mit einem deutlich steigenden Cashflow lässt sich die hohe Nettoverschuldung abbauen: 25,6 Milliarden Euro standen hier Ende September 2020 in der Konzernbilanz.

Trendwende geschafft


Für 2020 erwartet Konzernchef Stephan Sturm ein währungsbereinigtes Umsatzplus von drei bis sechs Prozent. Das Konzernergebnis soll in einer Bandbreite von minus vier bis plus ein Prozent herauskommen. Steigen die Gewinne in den nächsten Quartalen wieder schlagartig an, hat die mit einem 2021er-KGV von 11 günstig bewertete Gesundheitsaktie in diesem Jahr das Zeug zum großen Comeback. Die Rahmenbedingungen dafür stimmen. In Nordamerika, dem mit 46 Prozent Umsatzanteil größten Absatzmarkt, wird der Ausgang der US-Wahlen eher eine Ausweitung der Gesundheitsausgaben beflügeln. Das kommt der Sparte ebenso zugute wie dem Dialysegeschäft der Tochter Fresenius Medical Care: Der Unternehmensbereich, der knapp die Hälfte am Gesamtumsatz stellt, hatte mit seinem starken Gewinnanstieg das verbesserte Ergebnis im dritten Quartal im Wesentlichen getragen.

Fehlt nur noch, dass sich in der Kliniksparte Helios nach Überwindung der Corona-Pandemie die erhofften Aufholeffekte bei den verschobenen Behandlungen von Patienten einstellen. "Einzig der Krankenhausprojektierer Vamed, die kleinste der vier Sparten, ist aktuell deutlich negativ betroffen", meint Sven Kürten, Analyst bei der DZ Bank. "Zugleich haben die Behörden aus der ersten Corona-Welle gelernt, sodass in den Kliniken ein normalerer Betrieb als im Frühjahr möglich ist. Das kommt Helios zugute, aber auch Kabi wird dadurch entlastet. Wir erwarten ab 2021 eine deutliche Erholung und sehen bis 2024 beim Nettoergebnis eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von neun Prozent."

Comebackstory für 2021


Das Gros der Branchenexperten sieht die Unsicherheitsfaktoren in der aktuellen Bewertung der Aktie eingepreist. Die Konsensschätzungen der Analysten gehen mehrheitlich davon aus, dass Fresenius bei der operativen Rendite bereits 2021 wieder die 13 Prozent von 2019 übertrifft. Als größter Unsicherheitsfaktor bleibt, wie sich die Auswirkungen der zweiten Covid-19-Welle in den nächsten Monaten auf das Klinikgeschäft bei Helios mit den Schlüsselmärkten Deutschland und Spanien niederschlagen. Dasselbe gilt für die Medizinsparte Kabi.

Vom Allzeithoch bei 80 Euro aus dem Jahr 2017 ist die Fresenius-Aktie zwar noch weit entfernt. Die fundamentalen Voraussetzungen für die Aufholjagd sind jedoch gegeben. Mit anderen Worten: Auf dem aktuellen Kursniveau überwiegen die Chancen für deutlich höhere Kurse ganz klar die Risiken - und zwar aus der Wachstumsperspektive ebenso wie nach Value-Kriterien. Fresenius ist ein notorisch zuverlässiger Dividendenzahler. 27-mal in Folge hat der Konzern zuletzt die Dividende erhöht. Trotzdem liegt die Ausschüttungsquote gerade einmal bei 25 Prozent. Das lässt reichlich Luft nach oben, wenn das operative Geschäft wieder kräftig anzieht.