BÖRSE ONLINE: Herr Heise, am Montag läuft das dritte Hilfspaket für Griechenland aus. Wie geht es in Griechenland jetzt weiter?


Dass Griechenland ab sofort finanziell wieder auf eigenen Füßen steht, ist sicherlich ein wichtiger Meilenstein, jedoch ist die wirtschaftliche Erholung des Landes damit noch lange nicht abgeschlossen. Griechenland wird noch einige Jahre brauchen, um die Altlasten der Krise wie etwa die nach wie vor sehr hohe öffentliche Schuldenlast und die Arbeitslosigkeit abzubauen. Erfolgsentscheidend ist vor allem, die Schaffung von stabilen Rahmenbedingungen für Investitionen - heimische so wie ausländische -, um das Wachstumspotenzial der griechischen Wirtschaft wieder zu erhöhen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass die griechische Politik auf Reformkurs bleibt.

Welche Reformen muss Griechenland jetzt noch durchlaufen?


Zunächst einmal gilt es, die zahlreichen beschlossenen Reformen konsequent und zügig umzusetzen. Darüber hinaus sehe ich den größten Reformbedarf beim griechischen Steuersystem, welches nach wie vor unausgewogen ist und im Übrigen die Unternehmen übermäßig stark belastet. Darüber hinaus hätte die Politik die Krise stärker nutzen sollen, um die Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist in den vergangenen Jahren zwar zurück gegangen, mit knapp 20 Prozent aber noch immer auf einem sehr hohen Niveau. Wie kann Griechenland die Arbeitslosigkeit bekämpfen?


Die zu erwartende wirtschaftliche Erholung in den kommenden Jahren wird sich positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken. Griechenlands Rückkehr auf den Wachstumspfad im letzten Jahr hat bereits zu einem leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit geführt. Um diesen positiven Trend zu unterstützen und um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sollte die griechische Regierung einen starken Fokus auf Qualifizierung und Umschulung lenken.

Wie finanziert sich Griechenland in Zukunft?


Der griechische Staat hat in den kommenden Jahren einen relativ begrenzten Refinanzierungsbedarf. Dank früherer Emissionen und unerwartet hoher Haushaltsüberschüsse verfügt die griechische Regierung über einen Liquiditätspuffer von rund 24 Milliarden Euro. Dies bedeutet, dass Griechenland bis Ende 2020 eine recht überschaubare Summe von weniger als fünf Milliarden Euro an den internationalen Kapitalmärkten einsammeln muss. Die Zeit bis die Liquiditätsreserve aufgebraucht ist, muss jedoch intensiv dazu genutzt werden, das Vertrauen der Investoren in Griechenland zu stärken, um einen erneuten Anstieg der Refinanzierungskosten zu vermeiden. Das Land hat gezeigt, was viele für nicht möglich hielten, dass es in der Fiskalpolitik umsteuern kann.

Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsschirms, hatte Griechenland am Wochenende in einem Interview dazu gemahnt, die Vereinbarungen mit den Kreditgebern einzuhalten. Wie viel Geld schuldet Griechenland den Kreditgebern und kann Griechenland das zurückzahlen?


Griechenlands Staatsschulden notieren bei über 330 Milliarden Euro oder rund 185 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung. Nachdem die Zinslast auf die Altschulden dramatisch reduziert wurde, bin ich zuversichtlich, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen kann. Natürlich hängt das auch vom Wirtschaftswachstum und der allgemeinen Zinsentwicklung ab. Deswegen ist es wichtig, dass Griechenland wachstumspolitisch auf Reformkurs bleibt und auch bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht nachlässt. Das verlangt Disziplin von Seiten der griechischen Politik.

Mehrere Politiker werten die Hilfsprogramme als Erfolg. Sehen Sie das auch so?


Finanzielle Unterstützung gegen Reformen ist der richtige Weg. Allerdings hat man bei der Umsetzung der Reformen in den Jahren der Krise viel zu wenig Konsequenz an den Tag gelegt. Das hat die Gesundung der griechischen Wirtschaft verzögert und hohe ökonomische und soziale Kosten gefordert.