Großen Versprechungen trauen die Griechen offenbar nicht mehr. Viele Jahre war es bei Wahlkämpfen üblich, dass Poli­tiker das Blaue vom Himmel erzählten. Meistens kamen sie mit dieser Masche auch durch. Doch nach der langen wirtschaftlichen Depression, die die Griechen zu überstehen hatten, bewerten sie Aussagen von Politikern nun ­offenbar kritischer.

Beim Europawahlkampf versprach Ministerpräsident Alexis Tsipras, die Bezüge von Rentnern zu erhöhen und den Strompreis zu senken. Doch es half alles nichts: Sein Linksbündnis verlor die Europawahlen krachend gegen den Herausforderer Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Partei Nea Dimokratia (ND), obwohl dieser eher pragmatisch argumentierte.

Tsipras trat daraufhin die Flucht nach vorn an und zog die erst im Oktober anstehende Parlamentswahl auf den 7. Juli vor - in der Hoffnung, die Erosion noch stoppen zu können. Danach sieht es aber nicht aus. Mitsotakis liegt in den Umfragen klar vorn. Die Griechen sehen in ihm offenbar einen neuen Hoffnungsträger, obwohl er einer Politikerdynastie und Griechenlands elitärer Schicht entstammt. Mitsotakis strebt eine investorenfreundliche Wirtschaftspolitik an. Er plant, Steuern auf Firmengewinne, Dividenden und die Mehrwertsteuer zu senken. Ziel ist es, das Wachstum von gegenwärtig zwei Prozent auf drei bis vier Prozent jährlich zu hieven.

Schwerpunkt auf Investitionen


Erreichen will er dies durch Investi­tionen und Privatisierungen. Vor allem die Sektoren Tourismus, Logistik, Energiewirtschaft und Gesundheitswesen hat er im Visier. "Wir wollen weniger Staat, mehr Investitionen und hochwertige neue Arbeitsplätze", umreißt Mitsotakis seine Pläne.

Ahnung vom Fach hat er. Er studierte Wirtschaft an der Harvard und der Stanford University, arbeitete bei der Unternehmensberatung McKinsey und mehreren Großbanken. Kritiker werfen ihm vor, eine zu unternehmensfreundliche und wirtschaftsliberale Agenda zu verfolgen. Mitsotakis ist aber überzeugt, dass hohes Wachstum das A und O sei. Nur so könnten nachhaltig neue Arbeitsplätze entstehen und die hohen Schulden abgebaut werden. Die Wachstumsraten seien nach der langen Depression viel zu niedrig und die Steuern zu hoch. Daher will er die Verfahren zur Steuer­erhebung verbessern und den Kampf gegen Bestechung mithilfe einer unabhängigen Antikorruptionsbehörde angehen. Beides sind notorische Grund­übel Griechenlands.

Bei den Investoren finden diese Vorhaben Gefallen. Der Leitindex ASE (Athens Stock Exchange) hat seit Jahresbeginn um 38 Prozent zugelegt. Griechenland hatte zuletzt einige Erfolge zu vermelden. Im August 2018 konnte es aus dem Rettungspaket aussteigen. Die Arbeitslosigkeit sank von 27 Prozent auf (immer noch hohe) 18 Prozent. 2018 wurde ein Primärüberschuss von 3,5 Prozent des BIP erzielt; dies ist der Haushaltsüberschuss ohne Zinsdienst. Der Leistungsbilanzsaldo weist nur ein leichtes Minus aus.

Auch die Bereinigung der Bankbilanzen wurde entschlossen angegangen. "Die gute Entwicklung am griechischen Aktienmarkt ist vor allem der Erholung bei den Bankaktien zu verdanken. Ein nachhaltiger Aufschwung in dem Land hängt stark davon ab, ob die schwer angeschlagenen Finanzinstitute in den nächsten Jahren erfolgreich saniert werden können", sagt Gerhard Heinrich, Länderanalyst beim Researchhaus Emerging Markets Trader.

Auch sonst ist nicht alles eitel Sonnenschein. Bis 2022 sollte der von der EU geforderte jährliche Primärüberschuss mindestens 3,5 Prozent betragen. Das gelang zwar 2018, aber schon dieses Jahr dürften nur 2,9 Prozent erreicht werden. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt über 30 Prozent, was zu einer permanent hohen Abwanderung gut ausgebildeter junger Leute ins Ausland führt. Der Brain Drain ist für die heimische Wirtschaft nur schwer zu verkraften. Fehlende Start-up-Förderung tut ein Übriges, um diesen Trend zu verstärken. "Die Beschäftigungsquote ist die niedrigste in der EU, die Staatsverschuldung aber die höchste", bringt es Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, auf den Punkt.

In der Tat ist die Staatsverschuldung mit 181 Prozent des BIP enorm. Allerdings liegen die Rückzahlungsfristen weit in der Zukunft: Der Großteil der Staatsanleihen läuft erst zwischen 2040 und 2060 aus. Nur mit dem boomenden Tourismus und der gut laufenden Agrar- und Schiffsindustrie wird es Griechenland aber nicht gelingen, die Schuldenlast massiv zu reduzieren. Dazu ist es notwendig, dass Hellas wettbewerbs­fähiger wird und deutlich mehr exportiert. Ob dies gelingt, ist fraglich - genauso wie die von Mitsotakis versprochene Reduzierung der Korruption und die höhere Effizienz der Steuerbehörden. Daran haben sich schon viele griechische Politiker die Zähne ausgebissen.

Kurzfristig ist der Aktienmarkt in Athen dennoch attraktiv. Die Bewertung ist mit einem Kurs-Buch-Verhältnis von 0,72 für den ASE günstig, die Aussicht auf den Wahlsieg des reformfreudigen Mitsotakis zieht Anleger an. Daher könnte sich die Hausse durchaus noch einige Monate fortsetzen. Wer sich engagiert, sollte den Markt genau beobachten, um Gewinne rechtzeitig mitnehmen zu können.

Investor-Info

Hellas Opportunities Fonds


Der Hellas Opportunities Fonds, gemanagt von der in Griechenland ansässigen Alpha Trust, richtet den Fokus auf Mid und Small Caps des Landes. Auf Dreijahressicht hat er sich ähnlich entwickelt wie der Leitindex ASE. Erholt sich Griechenlands Ökonomie wieder dauerhaft, dürften mittlere Firmen mehr profitieren als größere Unternehmen. In Letztere können Anleger mit dem ETF auf den MSCI-Greece-Index (ISIN: FR0010405431) von Lyxor investieren, der auf in Athen gelistete Bluechips setzt. Mit 0,45 Prozent Gebühr per annum ist er erheblich günstiger als das aktiv gemanagte Pendant mit 2,74 Prozent per annum Gesamtkosten.
ISIN: LU0920841326