Läuft nicht schlecht auf der Insel: Der vor drei Monaten verhängte Lockdown findet langsam, aber sicher ein Ende. Treffen von bis zu sechs Personen im Freien sind wieder erlaubt, ebenso haben Sportplätze und Freibäder geöffnet. Auch Ausflüge sind wieder gestattet. Und ab 12. April sollen Handel, Pubs und Restaurants unter Auflagen öffnen.

Die Wirtschaft des Landes scheint das alles ganz gut weggesteckt zu haben. Der Einkaufsmanagerindex tendiert deutlich nach oben, und die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen. Hotels, Einzelhändler, Gastronomen: Alle stellen wieder Personal ein. Man bereitet sich vor auf mehr Konsum und mehr wirtschaftliche Aktivität. Ein "fantastischer Aufschwung" sei möglich, findet daher Andy Haldane, Chefvolkswirt der Bank of England - vermutlich auch, weil die Briten während der Lockdown-Monate Ersparnisse von 160 Milliarden Pfund, also fast 190 Milliarden Euro, angehäuft haben.

Der Brexit-Schaden wird ignoriert

Optimismus also, und das, nachdem seit dem Brexit erst rund 100 Tage vergangen sind und die Skepsis eigentlich groß war. Die Europäische Kommission geht bislang von einem Brexit-Schaden für die britische Wirtschaft von mehr als 40 Milliarden Pfund bis Ende 2022 aus. Eine große Summe. "Bei einem Bruttoinlandsprodukt von rund 2,85 Billionen Pfund sind das 2,25 Prozent", erläutert Tobias Burggraf, Portfoliomanager beim Geldverwalter Ethenea. Zum Vergleich: "Für die EU-Staaten sind es nur 0,5 Prozent."

Hauptproblem sind die erschwerten Handelsbedingungen. Das in letzter Minute zustande gekommene Handelsabkommen sorgt zwar für einen weiterhin überwiegend zollfreien Handel, allerdings ist der bürokratische Aufwand enorm gestiegen. So müssen beispielsweise die britischen Unternehmen nachweisen, dass Exporte in die EU überwiegend im eigenen Land produziert wurden. "In einer globalisierten Wirtschaft mit teils komplexen Lieferketten ist dies keine einfache Aufgabe", so Burggraf.

Zeitraubend sind auch neue Aspekte wie Gesundheits- und Sicherheitskontrollen sowie Mehrwertsteuern auf Importe. "Viele Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische, fühlen sich dem nicht gewachsen und haben den Export vorübergehend ganz eingestellt", erläutert Burggraf. Das Volumen der Exporte, die 2021 den Kanal überquerten, ist dadurch im Vergleich zum Vorjahr um etwa zwei Drittel eingebrochen.

Abwanderung nach Amsterdam

Auch die britische Finanzindustrie, lange Zeit das Zentrum für den Wertpapierhandel in Europa schlechthin, strauchelt gewaltig. "Der Aktienhandel hat sich quasi über Nacht nach Kontinentaleuropa verschoben, insbesondere nach Amsterdam und Paris, während der Derivatehandel zum größten Teil nach New York gewandert ist", so Burggraf.

Trotzdem halten sich die Märkte sehr gut. Das britische Pfund legte gegenüber dem Euro sogar deutlich zu. Im Dezember notierte das Pfund noch bei 1,10 Euro, inzwischen ist die britische Währung schon 1,17 Euro wert. Allerdings geht die Erholung von einem historisch extrem niedrigen Niveau aus. Bevor der Brexit überhaupt Thema wurde, waren Kurse im Bereich von 1,40 Euro gängig.

Positiv wirkt sich aus, dass die Impfkampagne gut funktioniert. Jeder vierte Erwachsene hat anscheinend bereits mindestens eine Impfung erhalten. Die Risikogruppe der über 70-Jährigen sei sogar schon komplett durchgeimpft.

Value-Werte sind gefragt

Auch die Börse hält sich gut: vor allem die mittelgroßen und eher kleineren Unternehmen sowie jene Aktien, die dem Value-Bereich zugeordnet werden. Dazu gehört beispielsweise Aviva, der fünftgrößte Versicherer der Welt mit mehr als 33 Millionen Kunden. In Großbritannien ist Aviva größter Schadenversicherer und einer der führenden Lebens- und Rentenversicherer. Zuletzt hat der Verkauf diverser Auslandsgeschäfte an Allianz und CNP für einen Kurssprung gesorgt. Aviva denkt eigenen Aussagen zufolge darüber nach, einen Teil der Einnahmen an seine Eigner auszuschütten. Auch wieder spannend ist Glencore, das zum einen im Bergbau tätig ist und zum anderen als weltweit wichtigster Rohstoffhändler gilt - Letzteres trägt zu drei Vierteln zum Reingewinn bei. Dass der langjährige Vorstandschef Ivan Glasenberg demnächst das Unternehmen verlassen wird, schreckt die Investoren nicht. Sein Nachfolger Gary Nagle genießt das Vertrauen, ist schon lange im Unternehmen und leitete bisher das Kohlegeschäft.

Und last, not least: Kingfisher. Die Baumarktkette steigerte 2020 Umsatz und Gewinnn deutlich. Schon früh hatte man sich in der Corona-Pandemie auf den Onlinehandel konzentriert, führte exklusive Eigenmarken ein und verordnete sich ein Sparprogramm. Das hat perfekt funktioniert: Der Umsatz stieg im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr um mehr als sieben Prozent, während sich der operative Gewinn gar verdreifachte.

Wem Einzelinvestments zu spekulativ sind, der hält sich an den Fidelity United Kingdom. Das Fondsmanagement verfolgt einen Value-orientieren Ansatz und setzt vor allen auf Aktien aus den Bereichen Finanzen und Industrie. Größte Einzelwerte sind aktuell Aviva, der Fortbildungsspezialist Pearson sowie der Finanzdienstleister Legal & General.