"Die Covid-19-Pandemie wird uns auch im kommenden Jahr weiter beschäftigen", sagte Vorstandschef Jean-Jacques Henchoz bei der Vorlage der Quartalsbilanz am Mittwoch in Hannover. Daher hingen die tatsächlichen Aussichten für den weltweit drittgrößten Rückversicherer 2021 vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

An der Börse wurden die Nachrichten nach anfänglicher Ernüchterung positiv aufgenommen. Die Hannover-Rück-Aktie verlor am Morgen zunächst fast drei Prozent. Danach legte der Kurs jedoch zu und die Aktie lag zuletzt im Mittelfeld des MDAX mit 0,84 Prozent im Plus bei 132,60 Euro. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier jedoch immer noch mehr als ein Fünftel eingebüßt.

Im dritten Quartal zehrten bei der Hannover Rück erneut Versicherungsschäden infolge der Pandemie, aber auch Stürme in den USA und die schwere Explosion in Beirut am Ergebnis. Der Gewinn brach im Jahresvergleich um 22 Prozent auf rund 266 Millionen Euro ein. Analysten hatten im Schnitt aber mit einem deutlich stärkeren Einbruch gerechnet.

Wie viele andere Unternehmen hatte die Hannover Rück ihr ursprüngliches Gewinnziel für 2020 wegen der Pandemie im Frühjahr zurückgezogen. "Die Belastungen aus der Covid-19-Pandemie sind nach dem Ende des dritten Quartals besser abschätzbar", erklärte Henchoz.

Dennoch bleiben große Unsicherheiten - auch weil das öffentliche Leben in Deutschland und vielen anderen Ländern gerade zum zweiten Mal in diesem Jahr heruntergefahren wurde. "Es ist noch unklar, wie lange dieser zweite Lockdown wirklich geht und inwieweit er ins neue Jahr hineinragt", sagte der neue Finanzchef der Hannover Rück, Clemens Jungsthöfel, in einer Telefonkonferenz. Dieser Lockdown dürfte aber nicht so hohe Versicherungsschäden auslösen wie der erste, schätzt er.

Unterdessen ist bei vielen Versicherern noch offen, inwieweit sie für die coronabedingte Schließung vieler Betriebe geradestehen müssen. Viele Gastronomen und andere Unternehmer haben Klagen eingereicht, auch in Deutschland. In Großbritannien wurden Versicherer bereits in einem Musterprozess auf breiter Front zur Zahlung verpflichtet.

Im dritten Quartal stockte die Hannover Rück ihre Schadenrückstellungen für die Folgen der Pandemie noch einmal auf - allein im Schaden- und Unfallgeschäft von 600 auf 700 Millionen Euro. Der Großteil der Summe entfällt auf versicherte Schäden durch den Betriebsausfall bei vielen Unternehmen, den Ausfall von Veranstaltungen und die Kredit- und Kautionsversicherung.

In der Lebens- und Kranken-Rückversicherung schlugen die steigenden Todesfallzahlen in den USA ebenfalls teurer zu Buche. Im dritten Quartal erhöhte die Hannover Rück ihre Schadenrückstellungen in diesem Segment um 100 auf 160 Millionen Euro. Im vierten Quartal könne noch einmal ein zweistelliger Millionenbetrag hinzukommen, sagte Jungsthöfel. Auch 2021 erwartet er hier weitere Belastungen.

Der Manager bezifferte die Übersterblichkeit in den Vereinigten Staaten im Zuge der Pandemie auf etwa 20 Prozent. In den USA sind bereits mehr als 230 000 Menschen an Covid-19 gestorben, mehr als in jedem anderen Land der Welt. Anders als etwa in Deutschland müssen Rückversicherer im US-Lebengeschäft vor allem für hohe Todesfallzahlen geradestehen.

Trotz der Pandemie und des absehbar geringeren Jahresgewinns stellte die Hannover Rück ihren Aktionären für 2020 eine Basisdividende von 4 Euro in Aussicht - genauso viel wie im Vorjahr. Gemessen an einem Gewinn von 800 Millionen Euro entspreche dies einer Ausschüttungsquote von rund 60 Prozent, sagte Jungsthöfel. Normalerweise will die Hannover Rück 35 bis 45 Prozent ihres Nettogewinns an die Aktionäre ausschütten. Zudem hat sie ihre Anleger seit Jahren an eine Sonderdividende gewöhnt.

Ob es für 2020 ebenfalls eine solche Sonderausschüttung gibt, will der Vorstand auch davon abhängig machen, wie viel Kapital der Konzern für den erhofften Geschäftsausbau benötigt. Denn die Branche erwartet im Schaden- und Unfallgeschäft zum bevorstehenden Jahreswechsel deutlich steigende Preise für Rückversicherungsschutz. Die Hannover Rück will ihre Bruttoprämieneinnahmen im Jahr 2021 währungsbereinigt um rund fünf Prozent steigern.

dpa-AFX