Allerdings gibt es immer noch kritische Stimmen in Frankfurts Banken-Türmen. Den Grünen wird vor allem vorgeworfen, zu staatgläubig zu sein. Die traditionell konservativen Geldhäuser hoffen darauf, dass die Union am Ende eine Überregulierung verhindern wird.

"Bei der Union findet sich wenig konkretes und gar nichts zum Thema Nachhaltigkeit", sagt Finanzmarkt-Expertin Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur Reuters. "Man hat den Eindruck, dass die Union - und auch die FDP - keine Angriffsflächen bieten wollen. Die Grünen sind dagegen sehr konkret." Sie pochen unter anderem darauf, dass öffentlich-rechtliche Banken bei der "grünen Finanzwende" eine Vorreiterrolle einnehmen, Klima- und Umweltrisiken mit Eigenkapital unterlegt werden müssen, Wirtschaftsprüfer Konzerne nicht gleichzeitig beraten und prüfen dürfen, das Investmentbanking vom Einlagen- und Kreditgeschäft von Banken zu trennen ist und der Bund künftig vollständig für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständig sein soll.

Die Grünen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Teil der nächsten Regierung sein. Umfragen zufolge sind momentan unter anderem eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP und ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP möglich. "Die Grünen haben eine pragmatischere Herangehensweise als früher", sagt Michael Holstein, Chefökonom der genossenschaftlichen DZ Bank. Ihr Wahlprogramm gehe aber in Richtung strengere Regulierung und Staatsgläubigkeit. "Eine grüne Regierungsbeteiligung könnte das Umfeld für Banken noch schwieriger machen." Sollten die Grünen eine Koalition mit der Union oder der FDP eingehen, werde sich vermutlich nicht viel ändern. "Dann könnten sie so weitreichende Änderungen, wie sie im Wahlprogramm enthalten sind, nicht umsetzen."

Grundsätzlich fordern Banken - 13 Jahre nach der globalen Finanzkrise und nachdem sie sich in der Coronavirus-Pandemie bislang als robust erwiesen haben - mehr regulatorische Freiräume. "Wir sind an einem Punkt in Europa, wo wir den Bogen überspannen", klagt Deutsche-Bank-Chef und Bankenverbands-Präsident Christian Sewing. In den USA gebe es etwa im Gegensatz zu Europa keinen Banken-Abwicklungsfonds, der mit milliardenschweren Beiträgen der Geldhäuser aufgefüllt wird, und auch die Vorgaben bei nachhaltigen Finanzierungen seien weniger streng.

Entscheidend sei, die richtige Regulierung zu finden, nicht einfach nur mehr Regulierung, sagt Finanzprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim, selbst FDP-Mitglied. DZ-Bank-Ökonom Holstein ergänzt, insbesondere das von den Grünen geforderte Trennbankensystem mit der Abspaltung des riskanteren Investmentbankings habe sich in den USA nicht bewährt. "Es wäre falsch, ein solches Modell hierzulande einzuführen."

"DER STAAT MUSS ETWAS SCHUBSEN"


Beim Thema Nachhaltigkeit wünscht sich die Finanzbranche mehr Vertrauen der Politik in Initiativen der Banken. So hat sich fast jedes große deutsche Institut Ziele gesetzt, Milliarden an Krediten für Öko-Projekte zur Verfügung zu stellen. Dem DIW geht das aber nicht weit genug. "Der Staat muss etwas schubsen, anders geht es nicht", sagt DIW-Expertin Schäfer. Das gelte vor allem für mehr Nachhaltigkeit bei Finanzprodukten. Das Thema finde sich nur in den Programmen von Grünen und SPD. "Hier wird es Umsetzungsschritte nach der Bundestagswahl geben müssen. Da kommt auch die Union nicht drumherum."

Verbraucherschützer verweisen noch auf einen anderen Punkt - ein mögliches Provisionsverbot für Finanzanlagen. "Verbraucher schließen regelmäßig Finanzprodukte ab, die nicht in ihrem Sinne sind, sondern die vor allem den Verkäufern aufgrund hoher Provisionen nutzen", sagt der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller. Hierzu machten vor allem Grüne und Linke konkrete Vorschläge. "Finden diese Formulierungen Eingang in einen Koalitionsvertrag, wäre das ein echter Fortschritt."

Auch bei der privaten Altersvorsorge sieht Müller Handlungsbedarf. Die Riester-Rente brauche einen Neustart. Gut sei, dass es von Union, SPD, Grünen und FDP Vorschläge gebe, die zwar unterschiedlich seien, aber im Ziel ähnlich. "Die verbraucherfreundliche Reform der privaten Altersvorsorge darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden."

Und welche Punkte in den Wahlprogrammen werden am Ende nur auf dem Papier gestanden haben? "Keine Chance hat sicherlich der Euro-Austritt, den die AfD will", so DIW-Expertin Schäfer. "Auch weitere Verstaatlichungen wird es ohne Finanzkrise nicht geben. Geordnete Staatsinsolvenzen, wie sie sich die FDP vorstellt, haben auch keine Chance auf Umsetzung."

rtr