Mystery Man" nannte die "Handelszeitung" den chinesischen Unternehmer Ren Zhengfei. Und das Nachrichtenmagazin "Time" bezeichnet ihn als einen der einflussreichsten Manager der Welt. Der bescheidene Ex-Offizier der chinesischen Volksbefreiungsarmee meidet die Öffentlichkeit, und über sein Privatleben sind nur wenige Details bekannt. Mit einem Vermögen von 1,9 Milliarden US-Dollar laut "Forbes" gehört er mittlerweile zu den reichsten Chinesen. Dabei wuchs er als ältestes von sieben Kindern in bitterer Armut auf. Im Jahr 1944 kam Ren in Guizhou auf die Welt. Vater und Mutter waren Lehrer.

Der junge Ren besuchte die berühmte Universität von Chongqing und studierte Architektur. Und mithilfe von Büchern brachte er sich selbst das Ingenieurswissen bei. Nach dem Studium schloss er sich der Volksbefreiungsarmee an: Während der berüchtigten Kulturrevolution konnten junge Menschen einzig und allein in der Armee relativ unbehelligt Technik studieren. Dort arbeitete Ren in der Forschungsabteilung des Ingenieurskorps, gründete eine Fabrik für die Herstellung von Kleidern aus Kunstfasern und trat 1978 der Kommunistischen Partei bei. 1982 war er sogar Mitglied des 12. Parteikongresses.

Eine Heimat fand er schließlich in der boomenden Küstenstadt Shenzhen, wo er zunächst für die South Sea Oil Company arbeitete. Er stellte fest, dass dort selbst einfache Arbeiter mehr verdienten als ein höherer Offizier wie er. Obwohl er bereits 44 Jahre alt war, entschloss er sich, eine Karriere als Geschäftsmann zu starten und eine eigene Firma zu gründen. 1987 war es dann so weit: Mit einem Startkapital von rund 51 000 Yuan (damals rund 5000 Dollar) gründete er mit fünf Partnern die Handelsfirma Huawei  - zu Deutsch etwa "China handelt". Damals herrschte im Reich der Mitte Aufbruchstimmung nach dem totalitären System der maoistischen Volksrepublik.

Huawei ist ein Privatunternehmen; das gesamte Aktienkapital gehört den Angestellten. Ren hält heute angeblich 1,42 Prozent der Aktien. Chinas private Unternehmen bilden inzwischen das Rückgrat der chinesischen Wirtschaft. Aber nach wie vor ist der Einfluss der Partei immer da. Zu Beginn hatte Huawei lediglich zwölf Angestellte, heute sind es 180 000 in über 170 Ländern. Das junge Unternehmen verkaufte zunächst Schalteinrichtungen für Telekommunikationsfirmen, die es später selbst produzierte. Diese Teile waren billig, es gab jedoch ein Qualitätsproblem.

Der Durchbruch gelang Huawei 2005. Ren schloss einen Deal mit Vodafone ab, später folgten weitere Verträge mit fast allen großen europäischen Telekomgesellschaften. Mit diesen Firmen betreibt Huawei sogenannte Joint Innovation Centers, in denen gemeinsam entwickelt wird.

Huawei blieb in seinem angestammten Business, der Telekommunikation. Router, Server, Schaltanlagen: Das waren die Produkte, mit denen Huawei groß wurde. Daneben produzierte der Konzern auch Handys, die zunächst vor allem über die Namen von Telefongesellschaften verkauft wurden. 2011 aber fing Huawei an, unter eigenem Namen Mobiltelefone zu vertreiben. Auch das gelang: Innerhalb weniger Jahre wurde man im Handymarkt weltweit die Nummer 2 hinter Samsung und noch vor Apple. Heute ist Huawei ein Unternehmen der Superlative: Chinas bestes Technologieunternehmen, Chinas führender Global Player, Chinas bekannteste Marke. Rund 30 000 Angestellte arbeiten heute auf dem Campus in Shenzhen. Ein Campus vom Feinsten - viel Grün, künstliche Seen, Tennisplätze, Basketballfelder. Zwei Hotels, vier und fünf Sterne, ein Sechs-Sterne-Hotel ist gerade im Bau.

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Unter Spionageverdacht


Huawei hat heute vor allem ein Problem: die USA und Donald Trump. Sie glauben, dass der Technologiegigant lediglich eine Tarnorganisation der chinesischen Volksbefreiungsarmee und des chinesischen Geheimdiensts ist, dass Kunden über die Huawei-Handys ausspioniert werden könnten. Von den amerikanischen Telekommunikationsfirmen bekommt Huawei deswegen trotz massivem Lobbying in Washington keine Aufträge und verkauft in den USA praktisch keine Smartphones. Verschärft hat sich der Streit mit den USA, nachdem Rens Tochter Meng Wanzhou, die Finanzchefin von Huawei, die intern als Kronprinzessin gehandelt wurde, am 1. Dezember 2018 am Flughafen von Vancouver auf Veranlassung der amerikanischen Behörden verhaftet wurde. Später wurde sie gegen Kaution entlassen, wird aber rund um die Uhr von einem Wachdienst beaufsichtigt. Ihr wird vorgeworfen, über eine inoffizielle Tochterfirma Geschäfte mit dem Iran gemacht und gegen Sanktionen verstoßen zu haben.

Die Kontroverse hat auch Auswirkungen auf Deutschland - es geht um den Ausbau des superschnellen mobilen 5G-Netzes, das Deutschland für die nächste technische Revolution fit machen soll. Und kein Unternehmen baut das mobile Internet von morgen schneller auf als Huawei. Doch nicht nur Washington, auch Berlin traut den Chinesen zu, dass sie für ihr Land spionieren. Allerdings hält Huawei rund 80 Prozent aller Patente an der 5G-Technik. "Der Streit darum, wer das mobile Internet von morgen bauen darf, hat mit Sicherheitsfragen, aber auch mit Machtpolitik und geopolitischem Einfluss zu tun", schrieb die "Zeit". Bereits seit einigen Jahren testen die beiden mächtigsten Nationen der Welt, die USA und China, im Netz ihre Kräfte. Es geht um politische und wirtschaftliche Dominanz und um die künftige Kontrolle von Schlüsseltechnologien.

Huawei ist heute der größte Kommunikationsausrüster der Welt. "Amerika kann uns unter keinen Umständen vernichten", sagte Ren in einem Interview mit der BBC. Und Amerika stehe nicht für die Welt. Die Attacken hätten Huawei bloß motiviert, bessere Produkte zu entwickeln. Und dann fügte er seiner Antwort ein Zitat bei: "Wenn das Licht im Westen erlischt, dann wird es im Osten noch immer leuchten." Es stammt vom Ex-Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Mao Tsetung.