Die Boliden von Ferrari lassen nicht nur die Herzen von Motorsportfans höher schlagen. Auch die Aktionäre des Sportwagenherstellers, der zu 22,9 Prozent von Fiat-Chrysler-­Großaktionär Exor kontrolliert wird, können sich freuen. Das Unternehmen, das 2019 einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von 1,3 Milliarden erreicht hat, ist Symbol für ein Italien, das wirtschaftlich erfolgreich ist. Ebenfalls einer der Vorzeigetitel der Börse in Mailand ist die Spirituosengruppe Campari, zu der neben der berühmten Aperitifmarke auch Aperol, Averna, Grand Marnier und viele andere gehören.

Positive Nachrichten gehen häufig unter in der Flut von negativen Berichten über das Land. In diesen geht es um den rechtsnationalen Politiker Matteo Salvini, die weiter steigende Schuldenlast, die 137 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt, die stagnierende Wirtschaft oder die vor allem im Süden hohe Arbeitslosigkeit. Dazu kommen die dramatische demografische Entwicklung und die Abwanderung insbesondere junger und gut ausgebildeter Italiener.

Rund eine halbe Million kehrten ihrer Heimat in den vergangenen zehn Jahren den Rücken. Die Geburtenrate ist mit 1,29 Kindern pro Frau eine der niedrigsten ­weltweit. Der katastrophale Zustand der Infrastruktur, sichtbar geworden beim Einsturz der Autobahnbrücke von Genua, und staatliche Rettungs­aktionen für Banken in Genua und Bari, das Stahlwerk von Taranto oder die Pleitefluglinie Alitalia tun ein Übriges.

"All dies hat dazu geführt, dass sich ausländische Investoren zurückhalten", sagt Eckart Petzold, Präsident der Deutsch-Italienischen Wirtschaftsvereinigung. Der Zustand des Landes ist in vielen Teilen schlecht - und doch ist dies nur ein Teil der Wahrheit.

Wichtiger Handelspartner


Italien ist vor Frankreich das zweitgrößte Industrieland in Europa mit einem Handelsbilanzüberschuss von zuletzt 38,9 Milliarden Euro pro Jahr. Nicht nur Ferrari bringt so manchen zum Träumen. Der zu Audi gehörende Sportwagenproduzent Lamborghini hat die Verkäufe 2019 um 43 Prozent auf 8.205 Einheiten gesteigert.

Überhaupt die Autoindustrie. Zwar steht Fiat Chrysler vor der Fusion mit der französischen Opel-Mutter PSA, womit Italien, abgesehen von Ferrari, über keinen selbstständigen Hersteller mehr verfügt. "Aber BMW ist zu 60 Prozent italienisch", sagt Petzold. Der überwiegende Teil der Komponenten komme aus dem Land. Auch sonst ist Italien einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands. Im Jahr 2018 exportierte das Land Waren und Dienstleistungen für 58 Milliarden Euro nach Deutschland, umgekehrt importierte Italien für 70 Milliarden Euro aus Deutschland. Deutsche Unternehmen haben 1.900 Beteiligungen in Italien und 35 Milliarden Euro investiert, zeigten zuletzt aber eine gewisse Vorsicht.

Anders als etwa Frankreich zählt Italien nur wenige Großunternehmen. Im Mailänder Leitindex FTSE MIB ist der ­Finanzsektor mit den ertragsstarken Banken Intesa Sanpaolo und der HVB-­Mutter Unicredit sowie dem Versicherer Generali übergewichtet. Mit dem Gas- und Ölkonzern Eni und vor allem dem Energiekonzern Enel gibt es nur zwei weitere echte Schwergewichte im Index.

Zu dessen 40 Titeln gehören neben Ferrari und Fiat Chrysler auch der zu 30 Prozent von der Familie Benetton kontrollierte Infrastrukturkonzern Atlantia sowie Exor, die Beteiligungs­gesellschaft der Industriellenfamilie ­Agnelli. Auch Exor war für Anteilseigner eine gute Investition, der Kurs verdreifachte sich binnen vier Jahren. Frühere Großkonzerne wie Olivetti, Falck oder Pirelli sind dagegen verschwunden oder nur noch Schatten früherer Tage.

Der Enel-Kurs dagegen schießt durch die Decke. Der zu 23,6 Prozent staatliche Konzern ist Europas größter Produzent erneuerbarer Energien, stellt Lade­strukturen für Elektroautos zur Verfügung und hält 50 Prozent am Breitbandnetzanbieter Open Fiber. Enel ist das wertvollste Unternehmen des Landes: Der Aktienkurs des Konzerns, der den Anteil erneuerbarer Energien in der Produktion bis 2022 von heute 50 auf 61 Prozent erhöhen will und bis 2050 den Ausstieg aus CO2-basierter Energieerzeugung plant, ist seit Monaten auf Höhenflug. Der Börsenwert durchbrach die 80-Milliarden-Euro-Marke. Trotz gewaltiger Investitionen in den Umbau sollen Gewinn und Dividende steigen.

Bekannte Familienfirmen


Rückgrat der Wirtschaft sind aber Hunderttausende von Mittelständlern, darunter viele Familienunternehmen wie der Lebensmittelriese Ferrero (Nutella, Kinder-Schokolade), Armani oder die Kaffeeproduzenten Illy, Segafredo und Lavazza. Italien ist der weltgrößte Hersteller von Sportschuhen mit Marken wie Nordica, Lotto, Diadora, Scarpa oder Geox, stark im Maschinenbau (Sacmi, IMA, Marchesini Group) und in der Modebranche. Moncler, Prada, Tod’s oder Brunello Cucinelli sind börsennotiert, andere gehören französischen Konzernen. Auch die Möbelbranche (Artemide, Natuzzi, Cassina, B & B, Flos) und der Lebensmittelsektor (Barilla, Loacker) sind Aushängeschilder.

Bedeutender Pharmasektor


Kaum jemand weiß, dass der italienische Pharmasektor nach dem Schweizer und vor dem deutschen der zweitgrößte in Europa ist. Neben ausländischen Unternehmen wie der deutschen Merck, Sanofi oder Pfizer produzieren hier einheimische Firmen wie Menarini, Chiesi oder Recordati. "Italiens Pharmaindustrie ist wegen der vergleichsweise niedrigen Lohnkosten sehr wettbewerbsfähig im Vergleich zu Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Gleichzeitig verfügt Italien über sehr qualifizierte Arbeitskräfte. Wir haben nie daran gedacht, aus ­Italien wegzugehen", sagt Alessandro Della Chà, Chef des seit 2007 in der Schweiz börsennotierten Medikamentenherstellers Cosmo Pharmaceuticals. Der 1997 in Lainate bei Mailand gegründete Konzern forscht und produziert fast ausschließlich in Italien.

Die Unternehmensberatung Leanus hat kürzlich fast 250.000 Bilanzen von Unternehmen mit Umsätzen von zwei Millionen bis 250 Millionen Euro durchleuchtet, die zusammen auf Erlöse von 2,5 Billionen Euro kamen und eine durchschnittliche Bruttobetriebsmarge von 7,7 Prozent erzielten. Viele davon sind wahre Perlen - das ist auch Investoren nicht verborgen geblieben.

Deutsche Unternehmen gehen vor allem in die Lombardei und nach Venetien. "Sie suchen gezielt nach italienischem Know-how", sagt Erwin Rauhe, Präsident der Deutsch-Italienischen Handelskammer in Mailand. Allein die VW-Gruppe hat dreimal zugeschlagen und Lamborghini, Ducati und Italdesign erworben. Der frühere VW-Chef Ferdinand Piëch hätte zu gern auch Alfa Romeo gehabt.

In französischer Hand sind der Lebensmittelgigant Parmalat, Käseproduzent Galbani und Parmesanhersteller Nuova Castelli, die Modemarken Gucci, Loro Piana, Bottega Veneta und Brioni, die Bank BNL sowie der Energiekonzern Edison. Zudem ist Vivendi bei Telecom Italia und dem Medienkonzern Mediaset an Bord. Chinesen sind bei dem Reifenhersteller Pirelli und dem Karosseriebauer Pininfarina engagiert.

Ineffizienter Staat


Die börsennotierten italienischen Unternehmen sind auch für deutsche Anleger interessant (siehe Investor-Info). Neben den genannten Titeln Ferrari, Recordati oder Enel bieten Unternehmen des dynamischen Kleinwertesegments AIM interessante Perspektiven. Seit Kurzem ist dort etwa der Genueser Schmuckhersteller Gismondi notiert. Der Bezahldienstleister Nexi ist im Frühjahr 2019 in einem der größten IPOs des Jahres an den Markt gegangen, der Kurs hat seither um 50 Prozent zugelegt. Im Herbst folgte der Luxusjachtenproduzent Sanlorenzo. Und mit der Gastronomie- und Lebensmittelhandelskette Eataly sowie eventuell dem Kaffeehersteller Lavazza stehen weitere Unternehmen in den Startlöchern.

Nach Ansicht des Ökonomen Marco Fortis wachsen Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistung in Italien eigentlich stärker als in Deutschland oder Frankreich. Der ineffiziente Staat, erstickende Bürokratie und wenig effiziente öffentliche Dienstleistungen bremsten aber die wirtschaftliche Entwicklung. Statt im wachstumsschwachen Heimatmarkt suchen viele erfolgreiche italienische Unternehmen ihr Heil darum auch im Ausland. So wie die Spirituosengruppe Campari, die nur noch ein Viertel ihres Umsatzes in Italien macht.

Investor-Info

Einzeltitel
Empfehlenswerte Aktien


Über die Strategie des Energiekonzerns Enel, der die Hälfte der Produktion aus erneuerbaren Energien erzielt, sind Analysten voll des Lobes; auch darüber, dass die hohen Investitionen von steigenden Gewinnen und Ausschüttungen an die Aktionäre begleitet werden. Ferrari fährt in der Formel 1 hinterher, der Sport­wagenbauer steuert bei wichtigen Kennzahlen aber auf Erfolgskurs. Exor, die Holding der Familie Agnelli/Elkann, ist Großaktionär von Fiat Chrysler, Ferrari und CNH Industrial sowie künftig des neuen Autoriesen aus Peugeot Citroën und Fiat Chrysler. Die 1926 gegründete Pharmafirma Recordati ist ein gutes Beispiel für einen Mittelständler, der zwar relativ klein, aber erfolgreich ist. Der Hörgerätespezialist Amplifon profitiert davon, dass die Zahl der Älteren, die auf Hörhilfen angewiesen sind, weiterwächst. Der Zahlungsdienstleister Nexi ist seit April 2019 an der Börse, nach einem holprigen Start ging es bergauf.

Wichtig für Anleger, die in Einzeltitel investieren wollen: Italien behält 26 Prozent als Quellensteuer auf von italienischen Firmen ausgeschüttete Dividenden ein. Die deutsche ­Depotbank rechnet davon nur 15 Prozent an. Die restlichen elf Prozent können Anleger vom italienischen Fiskus zurückfordern. Dies ist aber ein langwieriges Prozedere.

Unternehmen ISIN Wertentw.
Amplifon IT 000 405 688 0 62,1 %
Enel IT 000 312 836 7 61,5 %
Exor NL 001 205 901 8 24,6 %
Ferrari NL 001 158 514 6 71,0 %
Nexi IT 000 536 676 7 46,7 %
Recordati IT 000 382 827 1 24,1 %

Stand: 06.02.2020; Wertentwicklung (inkl. Dividenden) der verg. zwölf Monate, bei Nexi seit 04/19; Quelle: Bloomberg

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