Wenn andere zu Hause schlafen, gehen sie arbeiten. Sie leben auf den Philippinen - ihr Biorhythmus richtet sich jedoch nach dem der US-Amerikaner. Sie sind jung, gut ausgebildet, flexibel und ehrgeizig. Die Rede ist von den über eine Million Philippinern, die ihr Geld in ihrer Heimat in englischsprachigen Callcentern verdienen - nirgendwo auf der Welt gibt es so viele davon wie in dem asiatischen Schwellenland. Die Mitarbeiter helfen amerikanischen Kunden, etwa bei Problemen mit technischen Geräten wie Fernsehern und Computern. Gibt es etwa in New York eine Beschwerde oder Frage am Telefon, antwortet eine nette Stimme aus Manila, ohne dass der Kunde es bemerkt.

Die Philippiner haben Indien als Hauptstandort englischsprachiger Callcenter überholt. Kein Wunder, viele sprechen akzentfreies amerikanisches Englisch. Sie werden von den Amerikanern besser verstanden. Englisch wird auf den Philippinen gesprochen, seitdem die USA vor mehr als 100 Jahren die Spanier als Kolonialmacht ablösten. Als 1946 die Unabhängigkeit kam, war die Sprache so etabliert, dass sie neben Filipino Amtssprache blieb. Hinzu kommt der hohe Bildungsgrad der Bevölkerung - viele Callcenter-Mitarbeiter haben einen Universitätsabschluss.

Die Callcenter sind ein Musterbeispiel für den boomenden Dienstleistungssektor des Landes, der heute rund 60 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt. Die Prozessauslagerung, die sich "Business Process Outsourcing" (BPO) nennt, ist der lukrativste und schnellstwachsende Bereich. Die Beschäftigten machen Jobs, die aus reichen Ländern verlagert werden. Neben den Callcentern werden zahlreiche andere Backoffice-Aufgaben wie Finanz-, Personal- und IT-Dienstleistungen auf die Philippinen ausgelagert.

Die Philippinen sind mit rund 108 Millionen Einwohnern der zwölftgrößte Staat der Erde. Sie bestehen aus mehr als 7600 Inseln im westlichen Pazifischen Ozean. Die boomende Wirtschaft - 2018 wuchs das BIP um 6,2 Prozent -, die niedrige Arbeitslosenquote (2018: 5,3 Prozent) und die geringe Staatsverschuldung (2018: 40 Prozent des BIP) stehen für den ansteigenden Wohlstand des Landes. Die Mittelschicht wächst jedes Jahr um 200 000 bis 300 000 Menschen. Im Schnitt sind die Philippiner 24 Jahre alt. Viele von ihnen ziehen in die Städte. Die urbane Mittelschicht ist es auch, die den Binnenkonsum antreibt.

Für die nächsten Jahre wird für den Dienstleistungssektor mit einem Wachstum zwischen 15 und 20 Prozent gerechnet. Dank ihm boomt auch die Baubranche, da etwa Bürogebäude benötigt werden. Für den Ausbau der Infrastruktur will der Staat 160 Milliarden US-Dollar investieren. Geplant sind Großprojekte wie Flughäfen, Seehäfen, Bahnlinien, Straßen, Brücken, Kraftwerke, Bustransitverbindungen, Wasserprojekte und Flutschutzmaßnahmen. Das Bauprogramm, das unter der Bezeichnung "Build, Built, Built" läuft, soll zum großen Vermächtnis des Präsidenten Rodrigo Duterte werden, ausländische Investoren locken und neue Arbeitsplätze schaffen.

Umstrittener Präsident


Duterte steht aber nicht nur für die wirtschaftsfreundliche Politik. Zugleich überzieht er das Land mit einem blutigen Krieg gegen Drogenkonsumenten und Dea­ler. Der autoritäre Kurs des Präsidenten, der seit 2016 die Geschicke des Archipels bestimmt, sorgt wegen des harten Durchgreifens weltweit für Proteste. Zwar sind auf den Philippinen demokratische Institutionen und Strukturen vergleichsweise gut ausdifferenziert und entwickelt. So existieren freie Wahlen und die Möglichkeit eines Machtwechsels.

Jedoch gilt der Rechtsstaat als mangelhaft. Trotz der Unabhängigkeit der Judikative besteht weitgehende Rechtsunsicherheit. Gerichte entscheiden oft zugunsten der herrschenden Eliten. Auch ist das Land von Vetternwirtschaft geprägt. Politische Familien­dynastien gibt es in fast allen Parteien.

Wirtschaftlich läuft es auf den Philippinen schon einige Jahre rund. "Bereits unter der vorherigen Regierung und selbst in internationalen Krisenzeiten zählten die Philippinen mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent zu den Spitzenreitern weltweit", konstatiert Marian Norbert Majer vom Unternehmensberater Rödl & Partner. Einen globalen Wettbewerbsvorteil biete zudem das verhältnismäßig niedrige Lohnniveau.

Anleger, die auf den Aktienmarkt des asiatischen Landes setzen wollen, können dies per Indexfonds (ETF) tun. Der Handel mit Einzelwerten hingegen ist schwierig, da der philippinische Aktienmarkt über Handelsplätze in Deutschland aufgrund von Abwicklungsaspekten nicht direkt zugänglich ist. Der ETF (WKN: DBX 0H9) bezieht sich auf den MSCI Philippines Index, der insgesamt 40 philippinische Aktien enthält.

SM Prime ist ein Immobilienkonzern, der sein Geld vor allem mit Mieteinnahmen aus Einkaufszentren und Gastronomiebetrieben verdient. Er gehört zu den umsatzstärksten Firmen an der philippinischen Börse. Das Unternehmen Ayala Land erschließt Bauland, baut und betreibt Hotels, Einkaufszentren, Büro- und Wohnhäuser. BDO Unibank ist ein philippinisches Bankunternehmen. Sowohl im Hinblick auf die Bilanzsumme als auch auf den Börsenwert ist es die größte Bank des Landes. JG Summit Holdings ist ein philippinischer Mischkonzern aus Pasig City. Die Geschäftsfelder sind unter anderem Finanzdienstleistungen, Textilien, Immobilien, Luftverkehr, Lebensmittelherstellung, Hotels, Petrochemie, Energieerzeugung, Medien, Immobilien und Telekommunikation.

Wer hierzulande an der Börse einen Einzelwert handeln will, kann dies nur über einen ADR (American Depositary Receipt) auf die philippinische Telefongesellschaft Philippine Long Distance Telephone Company (WKN: A2A PXA) tun.

ADRs sind von US-Banken begebene Hinterlegungsscheine, die das Eigentum an Aktien von Nicht-US-Unternehmen verbriefen. ADRs werden stellvertretend für die Originalaktie gehandelt. Anleger sollten jedoch beachten, dass dabei vergleichsweise große Spannen zwischen An- und Verkaufskurs entstehen können. Da sind die Nebenkosten beim ETF auf den MSCI Philippines Index deutlich günstiger. Die jährliche Managementgebühr beträgt 0,65 Prozent.

"Der MSCI Philippines lieferte in den vergangenen zehn Jahren bis Ende Juni 2019 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 12,6 Prozent", sagt Madeleine Kung, Fondsmanagerin und Asien-Expertin bei Fidelity. Demgegenüber erzielten der MSCI AC Asia (ohne Japan) im Schnitt 8,1 Prozent, der MSCI Emerging Markets 6,1 Prozent und der MSCI Europe 7,5 Prozent. "Dies bedeutet, dass man innerhalb dieses Zeitraums mit dem MSCI Philippines eine Rendite von 227 Prozent gegenüber 120 Prozent beim MSCI AC Asia (ohne Japan) erzielt hätte", erläutert die Fondsmanagerin.

Sie schätzt, dass sich das hohe Wirtschaftswachstum auch künftig fortsetzt. "Mit einem erwarteten BIP-Wachstum von etwas mehr als sechs Prozent bleiben die Philippinen heute eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften - sowohl in der Region Asien als auch weltweit." Zugleich nennt sie vier Risikofaktoren: Erstens könne die Regierung die Steuern und Abgaben erhöhen. Zweitens bestehe ein Währungsrisiko, wenn der Investitions­boom das Leistungsbilanzdefizit in die Höhe treibt. Drittens könne sich die Inflation beschleunigen. Und viertens könnten die Zuflüsse durch chinesische Direkt­investitionen nachlassen.

Der philippinische Aktienmarkt ist laut Kung im Vergleich zur Vergangenheit günstig bewertet, aber absolut gesehen nicht zum Schnäppchenpreis zu haben. "Das für 2019 erwartete KGV des MSCI Philippines liegt mit 17,5 in der Nähe des längerfristigen Durchschnitts", erklärt die Expertin.

Auf einen Blick: Philippinen