Mit Blick auf die Erde ziehen sich die Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS über ein Röhrchen den "ISSpresso" von Lavazza rein. Der erste kleine Schwarze, der es ins All geschafft hat. Das italienische Traditionsunternehmen mit Sitz in Turin entwickelte die Maschine und die speziellen Tassen für die Schwerelosigkeit. Die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti war begeistert. Der kosmische Kaffee könne in puncto Stärke und Aroma mit jeder italienischen Bar mithalten.

Der ISSpresso-Punkt geht an Lavazza, das mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro zu den kleineren Kaffeeröstern weltweit zählt. Nicht den Sprung ins All, dafür den an die Börse hat Massimo Zanetti Beverages Group (MZBG) erfolgreich absolviert, bekannt durch die knallrote Segafredo-Marke und die gleichnamigen Bars.



Gründer Massimo Zanetti kaufte Anfang der 70er den Bologneser Kaffeeröster Segafredo. Signore Segafredo, wie die Italiener den umtriebigen Kaufmann nennen, kann getrost zum Erfinderkreis der Kaffeebarkette gezählt werden. Das Ambiente, die Profimaschinen und Baristas, die ihr Handwerk verstehen, wirkten in den 80er-Jahren auf den späteren Starbucks-Gründer Howard Schulz, als wäre er auf einem anderen Planeten. Ganz Nordamerika trank damals eine schwarze Plörre. Weil er die nie wieder wollte, eröffnete Schulz in Seattle eine Kaffeebar. 1992 ging Starbucks an die Börse, der Rest ist eine Erfolgsgeschichte par excellence.

Zanetti baute sein Kaffeeimperium - mehr als 400 Bars in 50 Ländern, eigene Röstereien und die größte zusammenhängende Kaffeeplantage in Brasilien - privat aus. Vor dem Börsengang wurde das volatile Geschäft mit Rohkaffee allerdings ausgegliedert. Das Listing Anfang Juni sei die Krönung seines Lebenswerks, sagt Signore Segafredo.

MZBG liegt mit 3,5 Millionen verkauften Kaffeesäcken pro Jahr noch hinter Konzernen wie Nestlé, Jacobs Douwe Egberts oder Starbucks. 2014 erzielte MZBG einen Umsatz von 780 Millionen Euro und erwirtschaftete einen Nettogewinn von 13 Millionen Euro. Rund 90 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen im Ausland.

Neben den Edelmarken wie Hills Bros., den die Italiener ins Weiße Haus liefern, vertreibt MZBG unter rund zwei Dutzend Marken Kaffee aus Hawaii sowie Espressomaschinen und Kaffeekapseln. Das eingesammelte Kapital von rund 128 Millionen Euro aus dem Börsengang ist das Startkapital für die Aufholjagd zu Starbucks und Co.

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Teetrinker kommen auf den Geschmack



Einer der schärfsten Konkurrenten dürfte Costa aus Großbritannien sein. Weil die italienischen Brüder Sergio und Bruno Costa im Teetrinkerland Großbritannien Espresso vermissten, rösteten sie in den 70er-Jahren in London ihren eigenen Kaffee. 1978 wurde die erste Costa-Kaffeebar in London eröffnet. 1995 kaufte Whitbread das Geschäft und baute es aus. Der britische Konzern betreibt neben der Costa-Kette auch eigene Hotels und weitere Restaurants. 2014 erzielte Whitbread einen Umsatz von 3,2 Milliarden Euro, 35 Prozent davon trug Costa bei.

Die Briten lieben Costa, die Kette ist vier Jahre in Folge der "Nation’s Favourite Coffee Shop". 1900 Costa-Bars gibt es in Großbritannien und 1100 in Übersee. Costa ist damit nach Starbucks der zweitgrößte Kaffeebar-Betreiber. Die Briten sind auf Expansionskurs mit Ziel China. Bis 2018 sollen dort 700 neue Lokale eröffnet werden. Die Wachstumschancen sind enorm. Der Kaffeekonsum steigt der China Coffee Association (CCAB) zufolge jährlich um 15 Prozent. Damit ist die Volksrepublik weltweit der attraktivste Markt.

Costa ist gerüstet. Eine neue Rösterei mit einer Kapazität von 45 000 Tonnen Kaffeebohnen ist im Bau. Die Wachstumsziele sind klar umrissen. Bis 2020 soll der Umsatz der Kaffeesparte auf 2,5 Milliarden Pfund steigen. Den bisherigen Erfolg des Hotel- und Kaffeekonzerns spiegelt der in der Spitze um 270 Prozent gestiegene Aktienkurs auf Sicht von fünf Jahren. Der Trend sollte anhalten.

Auch Starbucks, mit 22 000 Filialen weltweit der Platzhirsch, setzt auf China und eröffnet dort nahezu täglich eine neue Filiale - zusätzlich zu den 1400 bereits etablierten Coffeeshops. Seit dem Börsengang 1992 wächst das Unternehmen. Die US-Kaffeekette verdiente mit Karamell-Latte und Sandwiches im abgelaufenen Quartal netto 627 Millionen Euro. Ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz stieg um 18 Prozent auf 4,88 Milliarden Dollar.

Eigentlich sollte die Aktie längst schon dreistellig notieren. Doch um den Kurs attraktiv zu halten, hat der Konzern bereits sechs Aktiensplits durchgeführt, zuletzt im April. Die rekordverdächtigen Zahlen haben die Aktie schon wieder auf ein neues Allzeithoch gehievt. Die Aktie ist und bleibt ein Liebling der Anleger.

Der Erfolg könnte an der besonderen Begabung von Starbucks-Chef Schulz liegen, der Trends schneller als andere erkennt und reagiert. Als die Diskussionen um ethische und ökologische Standards beim Kaffee immer lauter wurden, baute er Starbucks zur "Wohlfühlmarke" um. Dem 2008 formulierten Ziel, 100 Prozent des Kaffees bis 2015 aus nachhaltiger Ernte zu beschaffen, kam Starbucks 2014 mit einer Quote von 96 Prozent sehr nah. Auch wenn Kritiker monierten, dass davon nur neun Prozent aus fairem Handel stammten und lediglich ein Prozent Biokaffee waren. Immerhin ist der Kaffee zertifiziert, was Mindeststandards garantiert.

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Kalter Kaffee vom Burger-Brater



Zu den Verlierern zählt McDonald’s. Ihre letzte Identitätskrise konnte die Burger-Kette mit ihren McCafés noch überwinden. Die können aber den aktuellen Umsatzschwund nicht mehr aufhalten. Die Fast-Food-Ikone steht in harter Konkurrenz mit Ketten, die den Trend der Amerikaner zu gesünderem Essen bedienen. In Asien haben Lebensmittelskandale schon zu Schließungen von Filialen geführt. Ohnehin ist das Kaffeegeschäft bei McDonald’s schwer einzuschätzen, weil das Unternehmen keine gesonderten Umsätze für Kaffee ausweist.

Die Not scheint allerdings groß zu sein: Zuletzt versuchte McDonald’s sogar, Kaffee mit dem Markenlogo in abgepackter Form in Supermarktregalen unterzubringen. Doch dort herrscht ein riesiger Andrang. Filterkaffee, Espressobohnen, koffeinfreie Kaffees, spezielle Mischungen, fair gehandelter Kaffee in allen möglichen Varianten sowie Instantkaffee mit und ohne Milch drängen sich neben der gefühlt unendlich großen Auswahl an Kaffeekapseln und Kaffeepads für die Maschine daheim.

Dass seine Erfindung die ganze Welt und jüngst auch das Weltall erobert, hätte sich der Nestlé-Ingenieur Eric Favre nie träumen lassen. Auch er war seiner Zeit voraus, als er in den 70er-Jahren die Nespresso-Kapseln entwickelte. Bis zum Zerwürfnis mit Nestlé 1989 führte Favre die kommerziell wenig erfolgreiche Nespresso-Tochter des Schweizer Lebensmittelkonzerns. Eine ausgeklügelte Marketingstrategie setzte Anfang der 90er schließlich den Siegeszug von Nespresso ins Werk - allerdings ohne den Erfinder.

Mit einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Dollar gilt Nestlé als der größte Kaffeekonzern der Welt. Die bonbonfarbenen Kapseln waren eine Gewinnmaschine. Nestlé veröffentlicht keine Zahlen zur Nespresso-Tochter, doch Marktbeobachter sind sich einig: Das Wachstum verlangsamt sich, die Konkurrenz wird härter.

Weltweit tummeln sich rund 150 Unternehmen im Kapselgeschäft. Darunter etliche, deren Kapseln in den Nespresso-Maschinen funktionieren, aber günstiger sind. Jetzt fahren die Schweizer im Kampf um Marktanteile Tradition und Kaffeehausambiente auf. In Wien, der Wiege der Kaffeehauskultur, wurde das erste Nespresso-Café eröffnet. Ein zweites soll noch dieses Jahr in London seine Pforten öffnen. What else? Nicht mehr als ein Koffeinkick für die Marke. Nestlé steht mit dem löslichen Kaffee Nescafé unangefochten auf Platz 1 der weltweiten Marktanteile und ist mit Nespresso auf Platz 3 im Kaffeegeschäft noch immer sehr gut aufgestellt.

Das war auch Keurig Green Mountain einmal. Der US-Konzern ging 1993 als Kaffeeröster an die Börse. Später kam der Kaffeemaschinenhersteller Keurig dazu. Das Geschäft florierte. War die Aktie vor zehn Jahren noch für rund zwei Dollar zu haben, notierte sie Ende 2014 bei über 150 Dollar.

Doch es braute sich etwas zusammen über Keurig. Das neueste Kaffeemaschinenmodell floppte, und sieben Millionen Geräte der älteren Generation mussten zurückgerufen werden. Keurig reduzierte nicht zum ersten Mal die eigene Prognose und kündigte einen Stellenabbau an. Die Aktie verlor in den vergangenen sechs Monaten mehr als 60 Prozent. Für eine Trendwende ist die Kold-Maschine entscheidend, die im Herbst auf den Markt kommen soll. Mit der Keurig Kold kann man unter anderem kalt gebrühten Kaffee bereiten - der neueste Hit in den USA. Noch überwiegt die Skepsis, ein Einstieg in die Aktie erscheint zu früh.

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Neue Größe im Pad-Geschäft



Zu früh dran war auch Erfinder Antonio Di Leva aus Neapel Anfang der 70er mit seiner "Prontadose", einer Maschine für Kaffeepads. Das zusammen mit Lavazza gegründete Unternehmen scheiterte eben- so wie das Pad-System des italienischen Kaffeerösters Illy. Erst Anfang 2000 gelang der Durchbruch des portionierten Kaffees im Vlies. Entwickelt vom Elektrokonzern Philips, bestückt vom Kaffeekonzern Douwe Egberts, entwickelten sich die Senseo-Maschinen zum Massenprodukt. Andere Hersteller wie Tchibo mit Cafissimo oder Jacobs mit Tassimo zogen nach, konnten den Vorsprung aber nicht einholen.

Vielleicht gelingt es jetzt mit vereinten Kräften: Der US-Konzern Mondelēz, der Jacobs und Tassimo im Portfolio hat, gründete zusammen mit D.E. Master Blenders 1753, zu dessen Marken Senseo gehört, den neuen Konzern Jacobs Douwe Egberts (JDE). Die neue globale Kaffeegröße wird schätzungsweise auf einen Umsatz von mehr als fünf Milliarden Euro kommen. Vor allem für den Marktführer Nestlé gilt jetzt: bloß keine Zeit mehr verlieren.



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