WARUM HAT KPMG DAS TESTAT VERWEIGERT?


Die Wirtschaftsprüfer sahen sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Bilanz richtig ist oder nicht. Deshalb erteilten sie einen Versagungsvermerk (Disclaimer of opinion). Sie lassen damit offen, ob der Abschluss fehlerhaft ist. Laut Adler geht es um "die Verweigerung des Zugangs zu bestimmten Informationen über verbundene Unternehmen und Personen", die die Prüfer daran hindere zu untersuchen, ob bestimmte Transaktionen richtig bilanziert wurden. Bereits bei einer Sonderuntersuchung - ebenfalls durch KPMG - standen diese Transaktionen im Fokus. "Der Versagungsvermerk hatte sich nach den Erkenntnissen aus der Sonderprüfung abgezeichnet", sagt der Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IdW), Klaus-Peter Naumann, der Nachrichtenagentur Reuters.

WARUM VERÖFFENTLICHT ADLER DIE BILANZ TROTZDEM?


Das Unternehmen stand unter Druck, bis zum 30. April einen Jahresabschluss vorzulegen. Das hat es am letzten Tag geschafft. Zum einen hätte Adler sonst die Bedingungen für Anleihen verletzt, die das Unternehmen nach eigenen Angaben in Höhe von 4,4 Milliarden Euro begeben hat. Die Gläubiger hätten die Anleihen dann kündigen können. Zum anderen fordert die Deutsche Börse seit den Erfahrungen mit Wirecard, dass in einem der großen Indizes (Dax, MDax und SDax) gelistete Unternehmen bis Ende April einen Abschluss für das vergangene Jahr vorlegen - sonst fliegen sie aus dem Index. Sie verlangt aber nur einen "geprüften Jahresabschluss" - das heißt, die Abschlussprüfer müssen ihn unter die Lupe genommen haben; mit welchem Ergebnis, ist zweitrangig. Welche Schlüsse sie daraus ziehen, müssen die Anleger selbst beurteilen. Am Montag brach die im SDax notierte Adler-Group-Aktie um 40 Prozent ein.

WELCHE KONSEQUENZEN HAT DAS VERWEIGERTE TESTAT?


Erst einmal keine. "An das Ergebnis der Abschlussprüfung sind keine unmittelbaren Rechtsfolgen geknüpft", sagt IdW-Chef Naumann. "Der Bestätigungsvermerk ist ein reines Informationsinstrument." Ob etwa Anleger dem Unternehmen noch vertrauten, sei ihre Sache. Um eine Dividende zahlen zu können, muss der Einzelabschluss nur vom Vorstand festgestellt werden - Voraussetzung dafür ist auch nur, dass es eine Bilanzprüfung gegeben hat. Adler weist allerdings einen Milliardenverlust aus. Formal wird ein uneingeschränktes Testat nur bei der Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) verlangt. De facto könne Adler sich ohne einen testierten Jahresabschluss am Kapitalmarkt frisches Geld aber weder über neue Aktien noch mit Anleihen beschaffen, räumte Verwaltungsratschef Stefan Kirsten ein. Denn das Vertrauen der Investoren und ihr Willen, Geld in ein Unternehmen zu stecken, sind begrenzt, wenn die Wirtschaftsprüfer das Zahlenwerk nicht testieren.

KANN ADLER DAS TESTAT NACHTRÄGLICH NOCH BEKOMMEN?


Jeder Jahresabschluss kann nachträglich noch geändert werden. Dann müsste er in einer Nachtragsprüfung neu geprüft werden. "Dazu berechtigt und verpflichtet ist aber nur der bisherige Abschlussprüfer", also KPMG, betont Naumann. Das Unternehmen kann sich also keinen neuen Prüfer suchen, der ihm vielleicht wohlgesonnener ist. Adler-Chef Kirsten setzt aber auf einen "Neuanfang" und ein positives Testat für den Abschluss für das laufende Jahr.

rtr