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Ende Juli bekam HeidelbergCement-Chef Bernd Scheifele einen ungewöhnlichen Brief. Die Absender: zehn Vermögensverwalter, darunter BNP Paribas, Aberdeen Standard und Degroof Petercam. Sie forderten Scheifele auf, den Kohlendioxid-Ausstoß von HeidelbergCement bis 2050 netto auf null zu reduzieren.
Das Schreiben erhielten auch die Vorstände der Baustoffkonzerne LafargeHolcim, CRH und Saint-Gobain. Was passiert, wenn die Unternehmen die Investorenwünsche ignorieren, blieb unausgesprochen: Bewegt euch oder wir blockieren euren Zugang zum Kapitalmarkt! Keine leere Drohung: Die Unterzeichner verwalten zusammen mehr als zwei Billionen Dollar, sie sind zudem Teil des Netzwerks Climate Action 100+, in dem sich die Manager von 33 Billionen Dollar schweren Portfolios zusammengeschlossen haben.
Es ist nicht das pure grüne Gewissen, das diese Investoren antreibt. Die Zementherstellung verursacht sieben Prozent der weltweiten, von Menschen erzeugten CO2-Emissionen. Wäre die Zementbranche ein Land, würde sie damit hinter den USA und China auf Platz 3 der größten Klimasünder landen. Strengere Regulierungen könnten den Produzenten von heute auf morgen das Geschäft verhageln - so wie beispielsweise deutsche Versorger vom Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe kalt erwischt wurden.
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Denn die Wahrscheinlichkeit, dass strengere Regeln und Gesetze kommen, steigt. Weltweit übt die "Fridays for Future"-Bewegung Druck auf Regierungen aus. In Deutschland hat der vor allem mit der Klimakrise verknüpfte Wahlerfolg der Grünen die anderen Parteien aufgeschreckt. Am 20. September soll das Klimakabinett über neue Maßnahmen entscheiden. Die Sektoren Transport und Gebäude stehen besonders im Fokus, von einer CO2-Steuer über Gebäudesanierungsboni oder höhere Flugticketpreise bis hin zum Teilnahmezwang am europäischen Emissionshandelssystem scheint alles möglich. Sie wolle in der Klimapolitik "kein Pillepalle mehr", wird Kanzlerin Angela Merkel aus einer Fraktionssitzung zitiert.
Vom Erreichen der - verbindlich zugesagten - EU-Emissionsziele bis 2020 ist Deutschland weit entfernt. Nur Irland, Malta, Belgien und Österreich verfehlen ebenfalls ihre Verpflichtungen. Fast alle anderen EU-Staaten haben ihren CO2-Ausstoß dagegen stärker gesenkt als zugesagt. Für das Jahr 2030 werden die EU-Regeln noch deutlich strenger. Erfüllen die Deutschen die Vorgaben nicht, drohen empfindliche Vertragsstrafen.
Der neueste Bericht des Internationalen Klimarats IPCC fachte die Diskussion unlängst weiter an. Einerseits sei durch häufigere Extremwetterereignisse die Nahrungsmittelsicherheit gefährdet, urteilten Wissenschaftler. Auf der anderen Seite lassen die Emissionen aus der Landwirtschaft und der Erschließung von neuen landwirtschaftlichen Flächen den CO2-Ausstoß erheblich ansteigen. Neben der Reduktion von Treibhausgas-Emissionen werden deshalb nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung im Fokus des UN-Klimagipfels am 23. September in New York stehen.
LGIM steht damit nicht allein da. BNP Paribas plant, schon kommendes Jahr Kohle-Aktien im Wert von einer Milliarde Euro aus allen aktiv gemanagten Fonds abzustoßen. Auch der norwegische Staatsfonds wird nach einem Vorschlag von Chef Yngve Slyngstad Aktien von Öl- und Gasunternehmen im Wert von sechs Milliarden Euro schrittweise verkaufen. Kohle steht bei Slyngstad schon länger auf der schwarzen Liste, ebenso bei AXA-CEO Thomas Buberl und Aegon-Chef Alex Wynaendts. Allianz und Munich Re halten solche Aktien mittlerweile auch für zu riskant.
Wer es als Privatanleger den Institutionellen gleichtun will, muss momentan noch viel Recherche in den Klima-Risikocheck stecken. Zwar schreibt Frankreich Fondsgesellschaften bereits vor, den CO2-Ausstoß ihrer Portfolios zu erfassen. Doch die meisten Vermögensverwalter kommen mit solchen Angaben erst langsam voran. Bei Einzeltiteln im Depot hilft ein Blick in den Nachhaltigkeitsbericht. "Eine recht nützliche Größe zum Vergleichen ist die Karbonintensität, das ist das Verhältnis der CO2-Emissionen eines Unternehmens zum Umsatz", sagt Felix Schmalzried vom Nachhaltigkeitsteam der LBBW Asset Management.
Ganz trivial ist das jedoch nicht. Anleger können auch gezielt Aktien besonders "gefährdeter" Branchen meiden. Neben weiten Teilen des Energiesektors fallen auch Autowerte in diese Kategorie, Airlines oder Kreuzfahrtunternehmen. Es fällt allerdings schwer, hier ohne viel Zeitaufwand und Hintergrundwissen Grenzen zu ziehen.
Eine Alternative ist, auf Fonds zu setzen, die nach speziellen Nachhaltigkeits- beziehungsweise ESG-Kriterien (ESG steht für Umwelt, Soziales, Governance) investieren und somit auch Klimarisiken für den Anleger herausfiltern. Das Angebot an solchen Fonds und ETFs wächst ständig, einzelne Vermögensverwalter wie zum Beispiel DJE oder Franklin Templeton haben solche Kriterien in ihre gesamte Produktpalette integriert.
Anleger müssen nicht befürchten, dadurch an Rendite einzubüßen. "Eine neue Studie von Morgan Stanley hat die Entwicklung von 10.000 Aktienfonds über 14 Jahre analysiert. Sie kam zu dem Ergebnis, dass nach Nachhaltigkeitskriterien gemanagte Fonds risikoadjustiert sogar eine etwas bessere Performance lieferten als konventionelle Fonds", sagt Felix Schmalzried.
Doch Anleger sollten nicht nur die Risiken von Klimaschutzmaßnahmen für ihr Depot sehen. Die Abkehr von Kohlendioxid bietet vielen Firmen auch enorme Chancen. Die Möglichkeiten reichen vom Einstieg in Unternehmen aus nachhaltigen Wirtschaftszweigen wie Erneuerbare Energien bis hin zu Konzernen, die zwar keine grünen Waren oder Dienstleistungen anbieten, aber mit ihrem Geschäftsmodell Nutzen aus dem CO2-Umbruch ziehen. "Man muss versuchen, sich vorzustellen, wie eine Welt ohne Kohlendioxid-Ausstoß aussieht", rät Simon Webber, Manager des Schroder ISF Global Climate Change.
Mit Recycling CO2 sparen
Unter dem Aspekt der Vermeidung von Kohlendioxid besonders relevant ist der Bereich Recycling. Statt Produkte aus Rohstoffen neu herzustellen, wird Material wiederverwertet. Größtes Abfallunternehmen in Nordamerika ist Waste Management. Der Konzern betreibt 252 Mülldeponien und 102 Recyclinganlagen in den USA. Bei den Managern der Top-Aktienfonds aus der Kategorie "Ökologie" der Ratingagentur Morningstar ist der Titel äußerst beliebt: Keine andere Aktie ist in den Portfolios im Durchschnitt höher gewichtet.
Die Nutzung von Solar-, Wind- oder Wasserkraft verringert die Abhängigkeit von CO2-intensiven Energiequellen wie Kohle oder Öl. Einer der bekanntesten Akteure in diesem Segment ist der dänische Konzern Vestas, weltgrößter Hersteller von Windkraftanlagen. Auch diese Aktie ist in vielen Spitzenportfolios der Kategorie "Ökologie" vertreten. Nick Henderson, Fondsmanager des BMO Responsible Global Equity, sieht jedoch Windturbinenhersteller grundsätzlich in schwierigem Fahrwasser: "Der Wettbewerb aus China nimmt zu und die Eintrittsbarrieren für neue Unternehmen sind niedrig." Das setze die Preise unter Druck. Derzeit gebe es eine zu große Zahl an entsprechenden Firmen. "Eine Konsolidierung der Branche ist notwendig", meint er.
Im Automobilsektor ist die Wende zu alternativen Antriebsformen in vollem Gang. Noch herrscht in der globalen Fahrzeugbranche keine Einigkeit darüber, ob Elektromotoren oder Wasserstoffantrieb die Technik der Zukunft sein werden. "Fest steht aber, dass wir in der Autoindustrie völlig veränderte Produktionsketten sehen werden", sagt Schroder-Fondsmanager Webber.
Regelmäßig im Rampenlicht steht das US-Unternehmen Tesla, das als Pionier der Elektromobilität gilt. Die Zahl der Elektroautos weltweit steigt, doch die Zeiten für den Konzern sind rau: Im ersten und im zweiten Quartal machte er Verluste. Viel hängt von der Auslieferung des Model 3 ab, das zum Verkaufsschlager von Tesla avancieren soll. Der Aktienkurs schwankt stark, und trotz eines Rückgangs um ein Drittel binnen zwölf Monaten ist das Unternehmen noch immer sehr hoch bewertet.
Am Markt für Elektromobilität lässt sich auch über Zulieferer mitverdienen. Zu den größten weltweit gehört Aptiv, dessen Hauptsitz in Dublin ist. Das Unternehmen stellt vor allem Software, aber auch Hardware für Fahrzeuge her und ist in den Bereichen Vernetzung, autonomes Fahren und Emissionsvermeidung tätig.
"Der Bereich Energieeffizienz wird unterschätzt und von Anlegern oft übersehen", sagt BMO-Fondsmanager Henderson. "Es gibt eine Reihe von großartigen Unternehmen, die dabei helfen, Emissionen zu verringern." Etwa im Bereich Beleuchtung. LED-Lampen verbrauchen bei gleicher Lichtstärke nur ein Zehntel des Stroms von Glühbirnen, Energie wird wesentlich effizienter genutzt. Im Portfolio des von Henderson gelenkten Fonds ist beispielsweise Acuity Brands. Das US-Unternehmen stellt Lichttechnik für den Innen- und Außenbereich her und ist gemessen am Marktanteil der größte Beleuchtungshersteller in Nordamerika. Den Wandel vom Verkauf konventioneller Lampen zum LED-Anbieter hat das Unternehmen binnen weniger Jahre gemeistert.
Bei der Bewirtschaftung von Gebäuden spielt die Dämmung eine entscheidende Rolle, um den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß zu verringern. Experte für Dämmmaterial aus Deutschland ist Steico. Die Firma ist spezialisiert auf Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen und nach eigenen Angaben bei Holzfaserdämmstoffen in Europa führend. Auf Steinwolle setzt dagegen der dänische Konzern Rockwool, der Weltmarktführer in diesem Segment und mit einer Tochterfirma auch hierzulande aktiv ist.
Noch ein wenig größer ist das irische Unternehmen Kingspan. Isolierende Gebäudeteile und Dämmplatten machen den Löwenanteil des Umsatzes aus. Zusätzlich verdient Kingspan Geld mit Belüftungs- und Lichttechnik sowie der Wasser- und Energieversorgung von Immobilien. Die Aktie ist in vielen Ökologie-Fonds enthalten.
Der Kategorie "Energie einsparen" ist auch der Gasekonzern Linde zuzuordnen - auch wenn er auf den ersten Blick nicht wie ein umweltfreundliches Unternehmen aussieht. "Die direkten CO2- Emissionen von Linde bei der Produktion sind hoch, ebenso die indirekten, die etwa durch den Stromverbrauch entstehen", sagt Henderson. Vordergründig ist Linde also keine Firma, die gut auf den CO2-Umbruch eingestellt ist. "Doch die Produkte, die der Konzern herstellt, helfen dabei, den Kohlendioxid-Ausstoß seiner Kunden zu reduzieren." Linde gehört deshalb zu den Profiteuren der Bemühungen, CO2 in der gesamten Industrie zu verringern.
Ein weiteres Feld ist die Energiespeicherung. "Sie wird sich für Anleger zu einem Riesenthema entwickeln", ist Webber überzeugt. Nur wenn die Energie, die aus erneuerbaren Quellen stammt, erhalten und jederzeit abgerufen werden kann, ist ein Ausstieg aus herkömmlichen, CO2-intensiven Energieträgern möglich. Bisher ist die Speicherung teuer, doch Experten rechnen für die kommenden Jahre mit Preisrückgängen von 50 Prozent, was einen breiteren Einsatz möglich macht.
Das Traditionsunternehmen Varta ist in diesem Segment gut aufgestellt. Das sehen auch die Anleger so und haben der Aktie eine extreme Rally beschert: Binnen eines Jahres verdreifachte sich der Kurs. Neben der Herstellung von herkömmlichen und Miniatur-Batterien kümmert sich das Unternehmen in seinem zweiten Geschäftszweig um die langfristige Speicherung von Energie.
Auch im Bereich Ernährung und Landwirtschaft gibt es Unternehmen, die von der Abkehr von Kohlendioxid profitieren. Massentierhaltung, insbesondere von Rindern, zählt zu den größten Verursachern von Treibhausgasen. Bei ihrer Verdauung produzieren die Tiere Methan, das 25 Mal stärker wirkt als Kohlendioxid. DSM hat einen Futterzusatz entwickelt, der den Methanausstoß von Kühen reduziert. Der niederländische Spezialchemiekonzern zählt zu den Vorreitern bei innovativen Lösungen, um Tierzucht und -ernährung nachhaltiger zu gestalten.
Da das aber nicht ausreicht, um die negativen Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Atmosphäre einzudämmen, sind alternative Ernährungskonzepte gefragt. Produkte auf Pflanzenbasis könnten den Fleischkonsum bremsen. Der steile Kursanstieg des Börsenneulings Beyond Meat offenbart die Fantasie, die Anleger bei Herstellern von Fleischalternativen haben.
Innovationen wie diese kommen oft von Start-ups, die Anlegern ganz neue Produktwelten erschließen. Aber auch Traditionskonzerne können sich bewegen: HeidelbergCement etwa hat sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2050 CO2-neutralen Beton anzubieten - und das schon, bevor der Investoren-Rüffel im Briefkasten lag.
Investor-Info
AEGON N.V. | 3,74 | -2,76% |
|
Allianz | 216,40 | -1,52% |
|
Amazon | 2.761,50 | -1,52% |
|
Aptiv (ex Delphi Automotive) | 116,10 | -1,32% |
|
AXA S.A. | 23,11 | -2,70% |
|
Beyond Meat | 108,82 | -2,33% |
|
BNP Paribas S.A. | 51,50 | -3,74% |
|
CRH plc | 40,14 | -3,09% |
|
DSM NV | 150,00 | -0,60% |
|
Firma Holdings Corp | 0,07 | -1,41% |
|
HeidelbergCement AG | 77,50 | -2,05% |
|
LafargeHolcim Ltd. (I) | 56,60 | -2,11% |
|
Linde plc | 238,05 | -0,40% |
|
Morgan Stanley | 64,60 | -1,00% |
|
NEL ASA | 2,42 | -2,89% |
|
Tesla | 597,50 | 0,42% |
|
Varta AG | 118,75 | -1,74% |
|
CO2 European Emission Allowances | 25,15 | -0,35 | -1,37 | |
Kohlepreis | 71,00 | 1,00 | 1,43 |
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