Die Klimakrise, mehr Energiesicherheit, der Atomausstieg – es gibt viele Gründe für den Ausbau der Windkraft auf hoher See. Mit welchen Aktien Anleger partizipieren können

Der Wirtschaftsminister ist im Stress. Fast ein Jahr schon tobt der Krieg in der Ukraine, die Gasversorgung der Republik hat Robert Habeck unter Einsatz vieler Milliarden Euro gesichert. Doch mittel- und langfristig hat Deutschland immer noch ein riesiges Problem mit der Energieversorgung, sofern die selbst gesteckten Klimaziele erreicht werden sollen. Schließlich hat die Bundesregierung beschlossen, Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen. Der Ausbau der Offshore-Windkraft gilt dabei als Hoffnungsträger. Offshore-Windparks sind effizienter als Onshore-Anlagen, denn wegen der höheren und gleichmäßigeren Windgeschwindigkeiten kann eine Turbine auf hoher See bis zu drei Mal so viel Energie erzeugen wie eine an Land. 

Einen weiteren Schritt in Richtung Klimaneutralität haben Habeck und die Bundesregierung Anfang 2023 gemacht: Seit dem 1. Januar ist die dritte Novelle des sogenannten „Windenergie- auf-See-Gesetzes“ in Kraft. Sie sieht vor, dass der Ausbau der Offshore-Energie schneller vonstatten gehen soll. Bis 2030 will Berlin 30 Gigawatt Kapazität auf See errichtet haben, zuvor waren 20 Gigawatt anvisiert. Das neue Ziel entspricht etwa der Leistung von 20 durchschnittlichen Atomkraftwerken. Doch damit soll der Ausbau noch lange nicht beendet sein. Bis 2045 will die Ampel mindestens 70 Gigawatt an installierter Offshore-Leistung in Nord- und Ostsee stehen haben, aktuell sind es nur knapp acht. 

Globales Wachstum

Auch global wächst der Markt für Offshore-Energie stark, was man auch an den Preisen sieht, die mittlerweile für Flächen gezahlt werden, auf denen später Windparks errichtet werden sollen. 2022 zahlten Unternehmen bei einer Auktion für ein 488 000 Hektar großes Gebiet in der New Yorker Bucht insgesamt knapp viereinhalb Milliarden Dollar, ein Rekordbetrag und mehr als bei früheren Gas- und Ölpachtverträgen gezahlt worden ist. Laut Daten des Branchenverbands Global Wind Energy Council soll der Markt jährlich im Schnitt um rund acht Prozent in den nächsten vier Jahren zulegen. Damit wächst die maritime Sparte rund zwei Prozentpunkte schneller pro Jahr als der Markt für Onshore-Windenergie. Siemens Gamesa könnte als Branchenführer im Bereich Offshore besonders profitieren, erst kürzlich wählte RWE die Tochter von Siemens Energy als Lieferanten für 72 Turbinen für den Windpark Thor in der dänischen Nordsee. Nach dem Übernahmeangebot durch Siemens Energy kommt der Energietechnikkonzern, der vorher schon auf knapp zwei Drittel der Anteile kam, auf knapp 93 Prozent der Aktien. Siemens Gamesa kämpft mit Problemen im Bereich Onshore und hat Siemens Energy zuletzt immer wieder die Bilanz durch hohe Verluste verdorben. Ein Delisting und die nach wie vor geplante Komplettübernahme sollen helfen, diese Probleme schneller in den Griff zu kriegen.

Netze werden ausgebaut

Für eine erfolgreiche Energiewende ist auch ein Ausbau der Netzinfrastruktur notwendig, wovon Siemens Energy ebenfalls profitiert. So erhielt das Münchner Unternehmen jüngst einen Auftrag für den Bau zweier Konverterstationen, die den auf See erzeugten Windstrom in Gleichstrom und an Land wieder in Wechselstrom umwandeln, was eine deutlich verlustärmere Übertragung ermöglicht. Der Auftrag des Stromnetzbetreibers Amprion hat einen Umfang von über vier Milliarden Euro, wovon laut Branchenkreisen etwa die Hälfte an Siemens Energy fällt. Die andere Hälfte geht an das spanische Unternehmen Dragados Offshore, mit dem der Energietechnikkonzern das Projekt umsetzen soll. Laut Siemens Energy handelt es sich um den bisher größten Offshore-Netzanbindungsauftrag, den das Unternehmen je erhalten hat. 

Auch die Errichtung von Offshore-Windparks ist lukrativ

Weitaus weniger bekannt als Siemens Energy ist das dänische Unternehmen Cadeler, das sich auf den Transport und die Errichtung von Offshore-Windrädern spezialisiert hat. Cadeler wurde 2008 unter dem Namen Blue Ocean Ships gegründet, war Teil der Swire Group und ist seit 2020 als eigenständiges Unternehmen an der Börse notiert. Eigenen Angaben nach hat Cadeler bereits über 500 Offshore-Windräder in­stalliert, die Strom für mehr als sechs­einhalb Millionen Haushalte liefern. Aktuell betreibt der Konzern zwei ­Installationsschiffe, die auch für die Wartung und den Abbau genutzt werden können, was zusätzliches Potenzial für das Unternehmen und die Aktionäre bietet. Denn auch Offshore-Windräder müssen irgendwann zurückgebaut werden. Der erste Windpark, der in Deutschland auf hoher See errichtet wurde und 2010 ans Netz ging, wird zum Beispiel in circa zehn Jahren abgebaut werden müssen, da die Lebensdauer von Off­shore-Windrädern aufgrund der schwierigen Witterungsbedingungen auf 20 bis 25 Jahre begrenzt ist. Inzwischen werden allein in der deutschen Nord- und Ostsee über 1500 Windenergie-­Anlagen betrieben. Neben den zwei Installationsschiffen, die sich bereits im Einsatz befinden, hat Cadeler vier weitere bei Cosco Heavy Industries bestellt, um der stark wachsenden Nachfrage gerecht werden zu können. Die Schiffe sollen zwischen 2024 und 2026 in Betrieb genommen werden. Eigenen Angaben nach wird Cadeler nach der Inbetriebnahme der neuen Schiffe über die größte und leistungs­fähigste Flotte innerhalb der Offshore-­Industrie verfügen. Eines der bestellten Schiffe ist bereits bis 2030 mit Aufträgen ausgelastet, obwohl es noch gar nicht fertiggestellt ist. Stand August 2022 war die gesamte Flotte bis Ende 2026 ausgebucht, das offene Auftragsvolumen belief sich auf 547 Millionen Euro. Die Dänen arbeiten mit relevanten Playern wie Vestas, Siemens Gamesa und Ørsted zusammen.

Gute Aussichten für Betreiber 

Als Windparkbetreiber ist letzteres Unternehmen ebenfalls ein attraktives Investment und kann kräftig vom Ausbau der Offshore-Windenergie profitieren. Der ebenfalls aus Dänemark stammende Energiekonzern Ørsted ist der größte Windparkbetreiber der Welt und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2027 rund 47 Milliarden Euro in erneuerbare Energien zu investieren. 2030 wollen die Dänen der weltweit führende Anbieter für grüne Energie sein. Neben Windparks entwickelt, baut und betreibt das Unternehmen auch ­Solarparks, Energiespeicher und Bio­energie-Anlagen. Zudem ist Ørsted im Bereich Wasserstoff aktiv. In Deutschland gibt es bereits Projekte, die gemeinsam mit BP und Uniper betrieben werden. In Wilhelmshaven soll zum Beispiel bis 2025 eine Elektrolyseanlage mit einer Leistung von 70 Megawatt ­installiert werden, die mit Strom von Ørsteds Off­shore-Windkraftanlagen ­betrieben werden soll. Bei großen Offshore-Windparks verkauft Ørsted 50 Prozent an Investoren, das sichert den Cashflow und damit neue Investitionen. Laut Deutschland-­Chef Jörg Kubitza würden diese sich um die Anteile reißen, sodass die Verkäufe teilweise schon in der Entwicklungsphase der Projekte abgeschlossen ­werden.

Übrigens: RWE und Orsted befinden sich beide auch im BÖRSE ONLINE Grüne Zukunft Index. Mit diesem Zertifikat können Anleger somit auf insgesamt 16 nachhaltige Aktien setzen.

Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der stellvertretende Chefredakteur der Euro am Sonntag, Herr Stephan Bauer, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Siemens Energy AG.

Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Siemens Energy AG, CADELER A/S NAVNE-AKTIER DK 1

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