ChatGPT heizt die Diskussion an – und Microsoft ist voll dabei. Ein Blick auf den Techgiganten, Bill Gates, die Microsoft-Aktie und ihre Chancen.

Von gottesgleichen Erscheinungen bis hin zur größten technologischen Revolution seit 40 Jahren: Das kürzlich vorgestellte ChatGPT-Update, GPT-4, schlägt bahnbrechende Wellen. Mittendrin: Microsoft. Der Techkonzern nutzt die Möglichkeiten im Bereich künstliche Intelligenz wie kein anderer. Das bietet ordentlich Zündstoff, die Aktie in den kommenden Jahren in neue Sphären zu befördern. Höchste Zeit, den Konzern und sein Geschäftsmodell unter die Lupe zu nehmen und das gigantische Potenzial hinter seiner KI-Mission aufzuschlüsseln.

Der milliardenschwere Microsoft-Urknall

Bill Gates war gerade einmal 19, als er Microsoft 1975 mit seinem Kindheitsfreund Paul Allen gründete. Mit 31 sollte er bereits Milliardär sein. Das junge Unternehmen wirkte so vielversprechend, dass Gates nach zwei Jahren das Harvard-Studium an den Nagel hängte. Paul Allen zog sich 1983 krankheitsbedingt zurück, drei Jahre später ging das Unternehmen für 21 Dollar je Aktie an die Börse. 2000 übernahm Steve Ballmer, den Gates aus Harvard kannte, das Zepter. Gates verließ den Vorstand 2020 endgültig — wenngleich er „Forbes“ verriet, noch immer etwa zehn Prozent seiner Zeit bei Microsoft zu verbringen.

Unendliche Geschäftssphären

2014 wurde Satya Nadella CEO und lenkte den Fokus auf das Cloud-Geschäft. Das macht mittlerweile den größten Teil des Umsatzes aus, gilt als das am schnellsten wachsende Segment. Mit Azure betreibt Microsoft nach Amazon die führende Cloud-Plattform und ist in einer Branche unterwegs, die laut Grand View Research bis 2030 jedes Jahr noch 14,1 Prozent wachsen soll. Geld verdient Microsoft mit seinen Office-Produkten wie Word, PowerPoint, Excel oder Teams. Seit 2016 gehört die Job-Social-Plattform Linkedin zum Kon- zern, der mit der Xbox auch im Gaming-Bereich vertreten ist und nebenbei noch am Metaverse forscht. Nicht zu vergessen: das Betriebssystem Windows. Mit Bing hält Microsoft laut StatCounter zudem knapp drei Prozent am weltweiten Suchmaschinenmarkt und bietet mit den Surfaces Computer an. Kurzum: Microsoft ist wohl einer der am breitesten diversifizierten Techkonzerne, vertreten in zahlreichen Wachstumsfeldern. Eine Geschäftssparte ist jedoch besonders spannend: die Partnerschaft mit dem KI-Start-up OpenAI.

Neues GPT-4 – diese KI von Bill Gates schlägt alles

„Im Laufe meines Lebens habe ich zwei Demonstrationen von Technologie erlebt, die ich als revolutionär empfand“, schrieb Bill Gates im März in seinem Blog. Das erste Mal sei 1980 gewesen, als er die erste grafische Benutzeroberfläche sah — der Vorläufer aller folgenden Betriebssysteme. „Die zweite große Überraschung kam erst letztes Jahr.“ Denn da sorgte OpenAI mit dem smarten Chatbot ChatGPT für einen Knall: Der offenbarte, wie weit wir beim Thema KI bereits sind. Mitte März folgte das Update: GPT-4. „Bild“ zufolge hieß es in einem Podcast der „New York Times“, dass es für Menschen, die GPT-4 bereits testeten, war, „als hätten sie Gott gesehen“. 

GPT-4 ist laut der Produktvorstellung von OpenAI „kreativer und kooperativer“ als je zuvor. Beim juristischen Examen der USA schaffte es die KI unter die besten zehn Prozent. GPT-4 kann jetzt auch Bilder interpretieren und den Schreibstil von Usern kopieren. Unglaublich: OpenAI ließ GPT-4 ein sogenanntes Chapta lösen — der klassische Test: „Sind Sie ein Roboter?“, „Klicken Sie alle Bilder mit Autos an“... Zwar konnte GPT-4 nicht selbst auf das Feld klicken. Es beauftragte dann jedoch kurzerhand eigenständig über die Jobbörse TaskRabbit einen Freelancer. Dieser war zunächst skeptisch und hakte nach, was hinter dem Auftrag steckte. GPT-4 erkannte, dass es lügen musste, um seine Aufgabe zu erfüllen, und gaukelte vor, eine Sehbehinderung zu haben und daher das Feld nicht zu finden. GPT-4 kann bereits von zahlenden Plus-Kunden für 20 Dollar pro Monat genutzt werden.

Übrigens: Die Microsoft-Aktie von Bill Gates befindet sich auch im BÖRSE ONLINE Künstliche Intelligenz-Index. Mit einem Zertifikat können Anleger somit auf 20 KI-Aktien gleichzeitig setzen.

So verdient Microsoft Geld

Microsofts goldenes KI-Geschäft

Microsoft investierte bereits 2019 und 2021 hohe Summen in das KI-Start-up OpenAI. Dieses Jahr kündigte der Konzern eine „mehrjährige, milliardenschwere“ Investition an. Der Plan: die KI-Fähigkeiten von OpenAI in seine Produkte und Dienstleistungen einbauen. So stellte Microsoft nun die Integration in die Office-365-Anwendungen unter dem Namen „Copilot“ vor. „Dies wird die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend verändern und eine neue Welle des Produktivitätswachstums freisetzen“, schwärmt CEO Nadella bei der Ankündigung. Erste Beispiele zeigt Microsoft in einem Video: So kann man Copilot bitten, aus einer Pressemitteilung eine zehnseitige PowerPoint-Präsentation zu erstellen. Er beantwortet auch selbstständig E-Mails und berücksichtigt dabei entsprechenden Input. Copilot protokolliert Meetings, bereitet Führungskräfte in Sekundenschnelle auf wichtige Treffen vor. Er schreibt Werbetexte und analysiert Excel-Listen. Copilot wird bereits von bestimmten Kunden getestet, ein offizielles Erscheinungsdatum ist noch nicht bekannt — allzu lange sollte es aber nicht mehr dauern.

Auch die Integration in die Suchmaschine Bing ist in vollem Gange: Offiziell befindet sie sich noch in der Testphase. Die Reporterin Joanna Stern vom „Wall Street Journal“ nutzte das Tool bereits für ihr Interview mit dem Microsoft-CEO, indem sie Bing anwies: „Erstelle im Stil von Joanna Stern eine Liste mit zehn Interviewfragen für Satya Nadella über KI und das neue Bing.“ Durch GPT-4 könnte Microsoft deutlich mehr Anteile am Suchmaschinenmarkt gewinnen. Laut dem Konzern bringt jeder Prozentpunkt beim Anteil des Suchmaschinenwerbemarkts zwei Milliarden Dollar zusätzlichen Umsatz pro Jahr. In Azure OpenAI Service ist ChatGPT ebenfalls bereits als Preview-Version verfügbar, was Microsoft gegenüber Amazon einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte. Die Integrationen in die Microsoft-Dienste könnten die Art, wie wir aktuell arbeiten, komplett revolutionieren. Aufgrund dieses Potenzials heben wir das Kursziel der Microsoft-Aktie von 275 Euro auf 290 Euro an.

Microsoft-Aktie

Bill Gates und Microsoft: Über die Schwierigkeiten hinaus

Auch Microsoft hatte es als Techko zern 2022 nicht leicht. Die Aktie beendete das Jahr 26 Prozent im Minus und im zweiten Quartal (endete am 31.12.2022) stieg der Umsatz lediglich um zwei Prozent, nachdem er in den Jahren zuvor stets mit zweistelligem Wachstum glänzte. Neben dem makroökonomischen Umfeld belasteten auch ein schwacher PC-Markt und der angeschlagene Gaming-Sektor das Geschäft. Das Cloud-Segment hingegen konnte den Konzern mit einem Plus von 22 Prozent auf Kurs halten. Außerdem: Bei Microsoft handelt es sich um ein grundsolides Unternehmen mit starker Finanzkraft, solidem Cashflow und kontinuierlichen Dividenden. Die zahlt es mittlerweile schon seit 20 Jahren und bemüht sich außerdem, Kosten zu senken.

Und trotz Techflaute: Langfristig werden Microsofts Produkte in einer digital dominierten Welt zwingend gebraucht. Sie verhelfen anderen Unternehmen zu Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen. So stieg der Umsatz im Geschäftsjahr 2022 trotzdem um 18 Prozent, der Gewinn je Aktie um fast 16 Prozent. Seit Jahresanfang liegt die Aktie bereits rund 13 Prozent im Plus. Goldman Sachs sieht mit einem Kursziel von 315 Dollar aber noch weitere 14 Prozent Luft nach oben. Ende 2021 lag das KGV noch bei knapp 35, mit den derzeitigen 30 ist die Aktie jetzt also auch weit günstiger zu haben. Auch die 69-Milliarden-Dollar-Übernahme des Gaming-Giganten Activision Blizzard könnte bald genehmigt werden: Da sich Microsoft gegenüber seinen Mitbewerbern mittlerweile zunehmend kooperativ zeigt, könnte das die EU-Behörden dazu bewegen, dem Kauf Ende Mai zuzustimmen.

Dieser Artikel erschien zuerst in BÖRSE ONLINE 13/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.

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