In Deutschland sind Mitarbeiteraktien wenig verbreitet. Doch im DAX tut sich was: ProSiebenSat.1 steigt ein, Thyssenkrupp prüft ein Programm, Siemens sieht sich an der Weltspitze. Von Wolfgang Ehrensberger

Auf einer Betriebsversammlung hat der Medienkonzern ProSiebenSat.1 kürzlich seine Beschäftigten darauf vorbereitet, was der DAX-Aufstieg so alles mit sich bringt. Noch in diesem Jahr, erläutert Unternehmenssprecher Julian Geist, werde man ein Mitarbeiteraktienprogramm einführen. "Neben der klassischen Zielprämie zum Jahresende wollen wir unsere Belegschaft so an der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung beteiligen, aber auch unternehmerisches Denken fördern, die Mitarbeiter stärker binden und ihre Motivation honorieren", sagt Geist. Schließlich habe man es ihnen zu verdanken, dass man jetzt im deutschen Leitindex sei.

Im Gegensatz zur aktienbasierten Erfolgsvergütung im Topmanagement sind derartige Mitarbeiteraktienprogramme bei deutschen Unternehmen eher selten - obwohl die Motivation der einzelnen Mitarbeiter und die Gesamtperformance des Unternehmens dadurch erfahrungsgemäß steigt.

Zu teuer, zu kompliziert



Vielen kleineren Gesellschaften sind diese Programme aber zu teuer und auch rechtlich zu kompliziert. Selbst bei den im Leitindex DAX vertretenen Konzernen mit ihren insgesamt 3,8 Millionen Mitarbeitern gehören sie längst nicht zum Standard. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts gab es im vergangenen Jahr deutschlandweit rund 1,1 Millionen Belegschaftsaktionäre. In Frankreich oder Großbritannien sind es in absoluten Zahlen zwei- bis dreimal so viele bei insgesamt weniger Beschäftigten.

Konzerne wie Linde, Merck, Adidas oder Fresenius verzichten ganz darauf, wie eine Umfrage von €uro am Sonntag ergab. Bei Thyssenkrupp ist ein laufendes Programm seit drei Jahren "wegen der wirtschaftlichen Konzernlage" ausgesetzt. Es könnte aber demnächst wieder aufgenommen werden, wie ein Sprecher sagte: "Wir prüfen derzeit die Möglichkeit, alle Mitarbeiter weltweit darauf anzusprechen."

Dagegen hat der Chemie- und Pharmakonzern Bayer ein entsprechendes Programm bereits 1953 aufgelegt, Daimler folgte 1973. Geschätzt rund ein Prozent des Aktienkapitals dieser beiden Konzerne halten heute die Mitarbeiter.

Siemens: Freibetrag rauf



Zu den Unternehmen mit den meisten Belegschaftsaktionären zählt Siemens. Nach Unternehmensangaben stieg die Zahl der Belegschaftsaktionäre 2015 konzernweit um sechs Prozent auf 153 000 - das sind etwa 44 Prozent der Gesamtbelegschaft von 348 000. Die Teilnehmer eines sogenannten Share-Matching-Programms, nach Konzernangaben eine der weltweitgrößten Initiativen dieser Art, erhalten sie nach einer Laufzeit von drei Jahren für drei gehaltene Aktien eine Aktie gratis.

Insgesamt besitzen derzeitige und ehemalige Mitarbeiter rund fünf Prozent der Siemens-Aktien. Sie sind damit neben der über 200-köpfigen Familie Siemens (sechs Prozent) eine der größten Aktionärsgruppen des Unternehmens.

Werden Programme zur Mitarbeiterbeteiligung aufgelegt, setzen die Unternehmen gezielte Kaufanreize. Mitunter werden auch Gratisaktien verteilt wie beim Wohnungskonzern und DAX-Neuling Vonovia. Verbreiteter sind Bonusaktien (etwa Daimler, BASF, Henkel: eine Bonusaktie je drei erworbener Henkel-Aktien), der Aktienerwerb mit Preisabschlag (etwa Bayer minus 20 Prozent, Deutsche Börse, Daimler) oder Zuschüsse (SAP, K+S). Bis zu 360 Euro pro Jahr dürfen einem Mitarbeiter steuer- und abgabenfrei zugutekommen - viel zu wenig, wie manche glauben.

Deshalb verlangen Konzerne wie Thyssenkrupp oder Vonovia, den Steuerfreibetrag für Mitarbeiterbeteiligungen deutlich zu erhöhen - wie das in anderen Ländern bereits der Fall ist. So liegt der Freibetrag in Österreich bei 3000 Euro, in Italien bei 2065 Euro und in Großbritannien bei 3500 Euro. "Diese Form der Beteiligung an der Firma muss auch bei uns steuerlich stärker unterstützt werden", fordert Siemens-Chef Joe Kaeser und hält eine Anhebung des Freibetrags auf mindestens 1000 Euro für sinnvoll.