Es ist auch für José Luis Blanco eine ungewohnte Situation. Der Chef des Windkraftanlagenherstellers Nordex sieht seine Geschäfte in kräftigem Aufwind. Doch auch Blanco vermag nicht zu sagen, wie sich die Corona-Krise entwickelt. Bis März lief es gut, sagt der Chef von einem der vier weltgrößten Hersteller von Windturbinen außerhalb Chinas, Nordex sei auf Kurs. Der Spanier bleibt auch bei seiner Prognose, der Umsatz des Hamburger Turbinenbauers soll 2020 auf 4,2 bis 4,8 Milliarden Euro klettern, der operative Gewinn (Ebitda) soll zwischen 160 und 240 Millionen Euro liegen. Vorbehaltlich Corona.

Virus hin oder her - Anleger feierten diesen Ausblick mit einem Kurssprung binnen eines Tages von in der Spitze über 30 Prozent. Die Umsatzprognose sei unerwartet hoch, kommentierten einige Analysten. "Der Ausblick ist nicht überraschend. Im Prinzip veranschlagt Nordex die Auftragseingänge hier mit den üblichen zwölf bis 14 Monaten Verzögerung", sagt hingegen Guido Hoymann, Analyst beim Bankhaus Metzler.

Dabei entspricht die Umsatzprognose vom unteren bis zum oberen Rand einem Wachstum im laufenden Jahr zwischen 27 und 45 Prozent. Beim operativen Gewinn sind demnach sogar 30 bis 95 Prozent Zuwachs drin. Das ist eine Menge angesichts der noch unabsehbaren Krise.

Die große Frage lautet damit: Wie widerstandsfähig ist das Geschäft? Die Ausgangslage ist gut. Die Norddeutschen haben 2019 Aufträge über Turbinen mit einer Leistung von 6,2 Gigawatt eingefahren. Das Orderlogbuch war Ende 2019 mit 5,5 Milliarden Euro rund 43 Prozent schwerer als ein Jahr zuvor. Und: Der anhaltende Preisdruck in der Branche mildert sich ab, Nordex spricht von Stabilität. "Die Situation ist eine ganz andere als vor eineinhalb Jahren", erklärt Chef Blanco.

Stürme gewohnt


Hinzu kommt, dass sich die Hamburger im Tagesgeschäft mit vielen Unwägbarkeiten herumschlagen. Mal verzögern Wetterkapriolen oder Stürme den Bau, mal sind es andere Einflussfaktoren. Die Unsicherheit gehört zum Geschäft, was auch an der großen Prognosebandbreite klar wird. Nordex ist quasi branchenbedingt auf rauen Wind in der Projektabwicklung eingestellt. Laut Beobachtern haben die Hamburger auch ihre Verträge mit Blick auf Corona umgestellt, sie enthielten "Höhere Gewalt"-Klauseln, die gegen Vertragsstrafen bei Errichtungsausfällen schützen. Zudem ist sichergestellt, dass auch kleinere Fortschritte gezahlt werden müssen.

Forderungen eintreiben


Entscheidend in dem Geschäft, in dem aufwendige Transporte und Aufbauarbeiten finanziert werden müssen, ist, wie schnell Erträge gebucht werden. Ablesbar ist das bilanziell an der Höhe des sogenannten "Working Capital". Die Kennzahl wird etwa durch ausstehende Forderungen erhöht und durch Vorauszahlungen vermindert - je kleiner sie ist, desto besser. Am besten ist die Größe negativ. Bei Nordex ist das der Fall. Im vierten Quartal etwa betrug die Quote bezogen auf den Umsatz minus neun Prozent.

Für das laufende Jahr haben die Hamburger ihre Prognose für diese Quote zwar Stück für Stück reduziert, doch der Wert soll auch 2020 unter null liegen.

Analysten trauen Nordex das zu. Das Team um José Luis Blanco hat sich in drei Jahren einen guten Ruf erarbeitet. "Die Strategie funktioniert, die machen einen guten Job", lobt Analyst Hoymann, der auch auf große Marktanteilsgewinne in den vergangenen Jahren hinweist. "Sie haben zurzeit das beste Produkt bei Onshore-Anlagen", so der Experte.

Rally: Der Kurs zog binnen eines Tages über 30 Prozent an. Marktanteilsgewinne und saubere Projektarbeit, langfristiger Kauf.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 10,00 Euro
Stoppkurs: 5,50 Euro