Jürgen Michael Schick: Bei Prognosen zu Wohnungspreisen ist der Präsident des Maklerverbands IVD immer dabei. 2020 lag er besonders gut. Ein Gespräch über Berlin, Makler, Fanfaren und Horst Seehofer. Von Bernhard Bomke

Tief im Westen Berlins, dort, wo die Hauptstadt weder arm noch sexy ist, gibt es Botschaften von Ländern wie Libyen und Kanada, schmucke Villen hinter hohen Zäunen und die Firma Michael Schick Immobilien. Der Hausherr, der vor dem Michael noch einen Jürgen hat und nebenbei Präsident des Maklerverbands IVD ist, empfängt zum Gespräch.

Wir wollen von ihm wissen, warum er mit seiner Prognose zur Entwicklung der Wohnungspreise im Corona-Jahr 2020 viel besser lag als andere Experten. Und wir reden mit ihm über hedonistische Mieter, Eigentümer in Berlin, die Schindluder treiben, um reich zu werden, und die Sehnsucht nach einer Bundes­regierung ohne neue Regulierungsideen.

Herr Schick, Deutschland erlebt den zweiten Corona-Lockdown. Hoteliers, Kinobetreiber, Künstler und viele andere Selbstständige fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz, während der Wohnungsmarkt einfach weiter boomt. Zählen Makler wie Sie zu den Gewinnern der Pandemie?
Jürgen Michael Schick: Jedenfalls gehören Wohnimmobilien zu den Krisengewinnern. Insofern sind diejenigen Makler, die mit solchen Immobilien arbeiten, bisher ein Stück weit besser durch die Krise gekommen als andere, die sich vielleicht auf die Vermietung von Restaurantflächen konzentrieren.

Wie kann es sein, dass viele Menschen derzeit Angst vor Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Insolvenz haben und die Preise für Häuser und Wohnungen steigen vielerorts unverändert?
Wenn vieles extrem unsicher ist, suchen Kapitalanleger Stabilität. Das Produkt Wohnimmobilie bietet Sicherheit in unsicheren Zeiten. Also gibt es eine starke Nachfrage danach. Das hält die Preise stabil oder lässt sie weiter steigen.

Ist Ihr Maklerunternehmen Michael Schick Immobilien von der Corona- Krise gar nicht betroffen?
Doch, schon auch. Wir sind weniger auf den Verkauf einzelner Eigentumswohnungen fokussiert, sondern vermitteln eher ganze Objekte, vor allem Mehrfamilienhäuser. Wir haben also schon auch erlebt, dass im zweiten Quartal dieses Jahres sehr viel Zurückhaltung im Markt war. Viele mögliche Käufer haben sich erst mal sortiert oder sind auf Sicht gefahren. Das normalisiert sich jetzt. Das vierte Quartal scheint wieder ein stabileres zu werden.

Ende März, als Deutschland den ersten Lockdown erlebte, sagten manche Experten Einbrüche der Wohnungspreise von bis zu 25 Prozent voraus. Sie dagegen lagen mit Ihrer Einschätzung, die Preise würden mindestens stabil bleiben und die Wohnungsmieten im Schnitt weiterhin um etwa drei Prozent im Jahr steigen, mit Abstand am besten. Was wussten Sie, was andere nicht wussten?
Wir haben damals beim Immobilienverband Deutschland (IVD) mit unseren Marktforschern zusammengesessen und überlegt, was mit Blick auf Corona und den sich abzeichnenden Wirtschaftseinbruch auf den Wohnungsmärkten passieren würde. Wir kamen zu der Einschätzung, dass die Pandemie am Verhältnis von Angebot und Nachfrage nichts ändern würde. Es gibt in den beliebten Schwarmstädten wie Freiburg, Münster oder Heidelberg und in den Metropolen einfach eine Knappheit an Wohnungen. Wir haben gesagt, dass die Zeit der sprunghaften Mietanstiege, die ohnehin vorbei war, nun erst recht vorbei sei, aber es gab auch keinen Grund dafür, dass die Mieten nun einbrechen sollten.

Was sehen Sie jetzt in Ihrer frisch polierten Glaskugel? Wie werden sich die Wohnungspreise und -mieten bis Ende 2021 entwickeln?
Die Mieten werden sich weiterhin leicht oberhalb der Inflationsrate bewegen. Mieter müssen also damit rechnen, dass sie Ende 2021 etwa 2,5 bis drei Prozent mehr bezahlen müssen, als sie das heute tun. Die Mieten werden in den deutschen Großstädten übrigens weniger stark steigen als in den kleineren Städten. Bei Letzteren gibt es einen Nachholeffekt. Bei den Preisen für Eigentumswohnungen erwarte ich für 2021 sogar wieder etwas mehr Dynamik als in diesem Jahr. Sie könnten dann im Schnitt eher fünf bis sechs Prozent teurer werden statt vier bis fünf Prozent wie 2020.

Doch wieder stärker steigende Preise: Wie das?
Weil die Nachfrage nach Eigentumswohnungen so groß ist und das Angebot der Nachfrage nicht hinterherkommt.

In den vergangenen zehn Jahren sind die Wohnungspreise im Schnitt fast dreimal so stark gestiegen wie die Mieten. Was ist das Entscheidende, was den Preis macht? Ist das wirklich der Mangel oder ist es auch zusätzliches Geld von ausländischen Investoren, die einen sicheren Anlagehafen suchen?
Ich glaube, dass die internationalen Kapitalströme überbewertet werden. Wir haben es im Wesentlichen mit einem nationalen Immobilienmarkt zu tun. Hiesige Anleger überlegen ganz nüchtern, wohin mit ihrem Geld. Wenn es keine Zinsen gibt, dann bleiben nur Aktien oder Immobilien, wenn sie in Sachwerte gehen. Aktien sind in einer Rezession eher etwas für Hartgesottene. Andere, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollen, gehen lieber in Immobilien.

Schon seit Jahren warnen Fachleute vor der Gefahr von Preisblasen. Bislang stiegen die Preise in begehrten Städten jedoch immer weiter. Ist es womöglich viel riskanter, als viele glauben, in Wohnungen zu investieren, weil der Höhepunkt der Preise nun wirklich bald erreicht ist?
Als Kapitalanleger würde ich nicht in die teuren Premiumlagen der Städte gehen, sondern an einfache und mittlere Standorte. Da ist der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum am größten. Für Kapitalanleger ist das die attraktivste Anlageform, zumal dort die Gefahr von Preisübertreibungen am geringsten ist. Diese Gefahr gibt es ohnehin eher im ­Eigennutzermarkt, dort, wo Menschen für sich selbst eine bezugsfreie Wohnung kaufen. Die gehen eher in die teuren Lagen, in denen manche Fachleute Preisblasen befürchten.

Wo sollten Anleger derzeit bevorzugt eine Wohnung kaufen, weil es die Chance auf Wertsteigerungen gibt? Besser in Offenbach statt in Frankfurt und besser in Mönchengladbach statt in Düsseldorf?
Erst mal grundsätzlich: Viele Anleger kaufen in den Städten, in denen sie sich auskennen. Das ist auch gut so. Nehmen wir das Beispiel Berlin. Dort ist der Flughafen Tegel nun geschlossen. Das heißt: Der Stadtbezirk Reinickendorf, der bislang von Fluglärm belästigt wurde, wird Aufwertungen erfahren.

Sind die Schwarmstädte, in der ­Regel also Universitätsstädte, für Wohnungsanleger alle okay?
Die sind alle okay, wenn nicht manche Lagen dort schon deutlich zu teuer sind. Also ob ich jetzt in Freiburg direkt am Münster unbedingt eine Wohnung brauche, weiß ich nicht.

Da gibt’s auch nicht so viele.
Stimmt.

Was ist mit Wohnungen in ostdeutschen Städten außerhalb Berlins?
Dresden und Leipzig sind schon eher teuer geworden, Halle und Magdeburg noch nicht. Also ist es mit Blick auf mögliche Wertsteigerungen eher zu empfehlen, in Halle eine gute Innenstadtlage zu kaufen statt in Leipzig. Wer allerdings Leipzig-Fan ist und der Stadt weiterhin viel Potenzial zubilligt, macht bestimmt keinen Fehler, wenn er dort kauft, aber die größere Wertentwicklung ist in anderen Städten wie Halle und Magdeburg zu Hause.

Raten Sie Kapitalanlegern weiterhin zu Zwei- bis Dreizimmerwohnungen? Oder ist etwas dran an den Beobachtungen, dass viele Leute, die einen Bürojob haben und auch von zu Hause aus arbeiten können, im Zeitalter von Homeoffice ein Zimmer mehr haben wollen?
Das hängt davon ab, ob die Leute die Wohnung selbst nutzen wollen oder ob sie sie vermieten. Also ja, diejenigen, die jetzt ins Eigentum springen, die denken das mit dem zusätzlichen Zimmer zum Arbeiten mit, sofern sie zu denen zählen, die das wirklich dauerhaft nutzen wollen. Als Kapitalanleger würde ich mich weiterhin eher um Zwei- bis Dreizimmerwohnungen kümmern, weil da die Nachfrage am größten ist.

Sie sagen, das Bauen sei wegen vieler Vorschriften zu teuer geworden. Welche Regulierungen wollen Sie weghaben? Keinen scharfen Energiestandard KfW 40 mehr, sondern Mut zum Durchzug?
Wir bauen ja so, als würden wir 150 Jahre in unseren Häusern wohnen. Ich glaube, dass da ein schmalerer Standard möglich sein muss. Vielleicht mehr Bauen ohne Keller. Viel Energieeinsparpotenzial heben wir mit Grundlegendem wie Heizung, Dämmung, neuen Fenstern. Aber wir müssen das mit der energetischen Optimierung nicht bis ins letzte Detail machen. Dann geht Bauen günstiger. Und: Wenn wir uns nicht mit Altersarmut gleich Mieterarmut abfinden wollen, müssen wir den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Mieter leben zwar zunächst meist ein bisschen hedonistischer als Eigentümer, aber mit der Zeit steigen die Mietbelastungen, während die Lasten der Wohnungseigentümer geringer werden.

Sind Sie hedonistischer Mieter oder Eigentümer?
Ich bin seit einem halben Jahr wieder Eigentümer, nachdem ich zuvor sieben Jahre Mieter war.

Und das passt?
Ich bin sehr zufrieden, aber auch die sieben Jahre davor als Mieter in Berlin waren hervorragend. Die Stadt ist ja im Vergleich zu anderen Metropolen nicht teuer. Und ich hatte eine Vermieterin, die sich um alles gekümmert hat. Für mich als Mieter war das super.

Sie sind selbst investiert. Wo?
Ich habe Mehrfamilienhäuser, und zwar in den zuvor schon genannten einfachen und mittleren Lagen. In Berlin bin ich zum Beispiel in Reinickendorf, im Wedding und in Neukölln investiert. Und ich habe ein paar Gehversuche im Ruhrgebiet unternommen.

Wo haben Sie die besten Erfahrungen gemacht?
In Berlin.

Sie sind da nach wie vor investiert?
Ja.

Also nicht alles schnell verkauft, als die damalige Bausenatorin Katrin Lompscher im Juni 2019 erklärte, dass in Berlin der Mietendeckel kommt, der auch Mietsenkungen im Bestand vorsehen sollte?
Nein.

Warum nicht? Sind Sie von dem ­Deckel nicht betroffen?
Doch, wie alle Vermieter in Berlin. Aber unterschiedlich. Bei den Beständen in guter Lage bin ich deutlich mehr betroffen als bei den Beständen in einfacher Lage. Das zeigt die Ungerechtigkeit des Mietendeckels. Seit dem 23. November 2020 bekommen diejenigen Mieter deutlich mehr Miete gesenkt, die in den teureren und gut gelegenen Wohnungen wohnen und sich eigentlich die teureren Wohnungen leisten können. Die in den einfachen Lagen am Stadtrand kriegen dagegen zum Teil gar keine Reduzierung, weil die Mieten eh schon so niedrig sind. Das ist sozial völlig ungerecht.

Thema IVD: Ihr Verband tritt häufig mit der Fanfare auf, warnt vor Sozialismus und sieht in vielen Gesetzen gleich einen Skandal oder Verfassungsbruch. Andererseits brauchen Ihre Mitglieder vor allem Service und rechtliche Beratung. Das klingt eher nach Violine. Warum spielen Sie nicht nur ein Instrument?
Wir haben als Verband eine doppelte Rolle. Wir sind eine politische Wirtschaftsorganisation, die sich um die Rahmenbedingungen im Markt zu kümmern hat, und gleichzeitig auch ein Dienstleister für die Mitglieds­unternehmen. Wissen Sie, wenn die Gegner hier in Berlin mit Sprüchen wie "Kill your Landlord" oder der Berliner Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" das Megafon auspacken, dann können Sie da nicht nur als leiser Solist auftreten. Da müssen Sie dann auch zur Fanfare greifen.

Sind auf Eigentümerseite in Berlin Fehler gemacht worden, die zum Mietendeckel und zu so etwas wie "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" beigetragen haben?
Na, klar. Fehler werden auf allen Seiten gemacht. Die Kritik in Berlin hat sich ja oft auf Vermieter bezogen, die Mieter rausmodernisiert haben. Die mit Luxusmodernisierungen auch Schindluder getrieben haben. Es gibt eindeutig schwarze Schafe in der Branche, gegen die wir vorgehen wollen. Aber sich nur auf die zu konzentrieren, wäre so, als würde man sagen, alle Mieter seien Mietnomaden, die nie die Miete bezahlen und nur eine zerstörte Wohnung hinterlassen. Beides stimmt ja nicht.

2005 wollten Sie für die FDP in den Bundestag einziehen. Das hat nicht geklappt. Warum haben Sie es nicht noch mal probiert?
Ich war Wahlkreiskandidat für die Berliner FDP. Ich glaube, Theodor Heuss hat mal sein Wahlkreismandat direkt gewonnen, ansonsten kam das bei der FDP nicht mehr vor, und mir ist das auch nicht gelungen. Ich habe 20 Jahre in irgendwelchen Ratskellern verbracht und fand das auch interessant. Aber ich habe dann gut daran getan, mich auf meine Firma und meinen Beruf zu konzentrieren.

Finden Sie, Herr Seehofer ist ein ­guter Bundesbauminister?
Ich nehme ihn vor allem als Innenminister wahr.

Wenn in der laufenden Wahlperiode vielleicht 1,1 Millionen Wohnungen gebaut werden, sind das zwar weniger als die geplanten 1,5 Millionen, aber womöglich dennoch genug?
Ich glaube, inzwischen geht es nicht nur ums Bauen, sondern auch ums Umbauen. Wir müssen also differenzierter schauen, wo es welchen Wohnungsbedarf tatsächlich noch gibt.

Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Was fürchten Sie da am meisten?
Ich will es positiv formulieren. Mein Wunsch ist ein Regulierungsmoratorium. Also, einfach einmal keine weiteren Eingriffe planen und den Wohnungsmarkt Wohnungsmarkt sein lassen. Und wenn die neue Bundesregierung das Motto "Eigentum & Mieterschutz" beherzigen würde, dann wäre ich zufrieden.

Ihre Prognose: Welche Koalition stellt die nächste Regierung?
Lassen Sie mich lieber die Ent­wicklung der Quadratmeterpreise für ­Eigentumswohnungen vorher­sagen.

Vita: Makler aus Leidenschaft


Jürgen Michael Schick kam 1970 in Schorndorf (bei Stuttgart) zur Welt. Er ist gelernter Journalist, gründete 1994 das Berliner Maklerunternehmen Michael Schick Immobilien, das heute mehr als 40 Mitarbeiter beschäftigt, und studierte später nebenher noch Immobilien­ökonomie an der European ­Business School. Seit 2015 ist er Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD), in dem 6000 Unternehmen, da­runter viele Wohnungsmakler und Hausverwalter, organisiert sind. Zuvor war Schick bereits seit 2002 Vizepräsident und Sprecher des IVD.