Das Jahr 2019 verlief insgesamt enttäuschend. Ende Januar wurden wichtige Unternehmenskennzahlen veröffentlicht, die bspw. einen Umsatzeinbruch von 23,352 Milliarden auf 15,843 Milliarden Dollar (-32 Prozent) sowie ein Minus beim Gewinn pro Aktie von 2,82 au 1,97 Dollar (-30 Prozent) ausgewiesen haben. Trotz dieser miserablen Entwicklung kündigte das Management das Ausschütten einer unveränderten Quartalsdividende von 0,47 Dollar an. Ende Januar wies CEO Ben van Beurden im Rahmen einer Videopräsentation über die schwachen Ölpreise und das herausfordernde makroökonomische Umfeld hin. Diese Rahmenbedingungen haben sich nach dem Crash an den Ölmärkten nochmals erheblich verschlechtert.

Vor sechs Wochen deutete van Beurden bereits zudem an, dass die Geschwindigkeit der Aktienrückkäufe möglicherweise gedrosselt werden könnte. Fragezeichen gibt es auch bei der künftigen Dividende. Aktuell wird nach dem Kurseinbruch der Aktie eine Dividendenrendite von über zehn Prozent angezeigt. Angesichts des massiven Gewinneinbruchs in Q4 um 82 Prozent liegt eine Dividendensenkung somit in der Luft, schließlich hat sich der Ölpreis seither nochmals stark reduziert. Unter Investoren war der Ölwert in der Vergangenheit vor allem dank seiner hohen Dividendenrendite sehr begehrt. Nun darf man gespannt sein, ob die Aktionäre dem Titel auch in Krisenzeiten die Treue halten werden.

Unter den Analysten gab es nach dem ölpreis-bedingten Crash der Aktie bereits eine Herabstufung zu beobachten. So hat das US-Analysehaus Bernstein Research die A-Aktien von Royal Dutch Shell von "Outperform" auf "Market-Perform" herababgestuft und das Kursziel von 3,30 auf 1,70 GBP massiv gesenkt. Der zuständige Analyst Oswald Clint stufte Anfang der Woche den gesamten europäischen Ölsektor wegen der zahlreichen Unsicherheiten zurück. In diesem Zusammenhang nannte er das globale Wirtschaftswachstum, die Ölnachfrage und den drohenden Preiskrieg großer Ölförderländer als Belastungsfaktoren. Er revidierte seine Ölpreisprognose nach unten und empfahl, das Gewicht von Ölaktien im Depot zu reduzieren.

Keine nennenswerten Veränderungen gab es bei den von FactSet Research erfassten Analystenmeinungen zu beobachten. Bei den insgesamt 28 Ratings wird 15mal zum Kauf ("Buy"), zweimal zum Übergewichten ("Overweight") und 11mal zum Halten ("Hold") der Aktie geraten. Trotz der erratischen Kursausschläge gab es bislang keine einzige skeptische Analystenstimmen zu vernehmen. Eine starke Verunsicherung kommt aber beim Blick auf die prognostizierten Kursziele zum Ausdruck, schließlich reicht deren Bandbreite von 41,93 bis 88,00 Dollar, was zu einem Mittelwert von 62,89 Dollar (ADRs aktuell: 36,96 Dollar) führt.

Charttechnik: Tiefster Stand seit zwölf Jahren


Aus charttechnischer Sicht kann man der Aktie von Royal Dutch Shell derzeit einen Kurssturz ins Bodenlose attestieren. Seit Anfang des Jahres kollabierte der Ölwert bei enorm hohen Umsätzen von 27 auf unter 16 Euro und ließ dadurch die langfristige 200-Tage-Linie in einen steilen Sinkflug wechseln. Massive Unterstützungen bei 23 und 21 Euro wurden widerstandslos unterschritten und auch das Mehrjahrestief bei 16,70 Euro wurde mittlerweile verletzt. Damit notiert die Aktie auf dem Niveau während der Finanzkrise 2008/2009. Auch der Timingindikator Relative-Stärke-Index stürzte in den vergangenen Wochen auf 16 Prozent ab und zeigt dadurch eine stark überverkaufte Lage an. Sollte das Unternehmen bei der morgigen Präsentation des Geschäftsberichts neue Hiobsbotschaften verkünden, droht eine Fortsetzung des Kursdesasters. Für risikobewusste Investoren mit langfristigem Anlagehorizont, die nicht mit einer massiven Weltwirtschaftskrise rechnen, dürfte das aktuelle Kursniveau allerdings eine attraktive Einstiegsgelegenheit darstellen.